Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Wilhelm Raabe страница 24

Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

die Dop­pel­büch­se, den Re­vol­ver und das nu­bi­sche Jagd­mes­ser voll­stän­dig. Ihr sagt, dies sei Bums­dorf und ich hei­ße Leon­hard Ha­ge­bu­cher – ich will es euch glau­ben und muss die Kon­se­quen­zen auf mich neh­men.«

      Wald, Wie­sen, Acker­fel­der, Kirch­turm­spit­zen und Haus­dä­cher, blaue Hö­hen­zü­ge bis in die wei­tes­te Fer­ne – al­les in schöns­ter Ord­nung und in an­mu­tigs­ter Be­leuch­tung; al­les so hübsch und rein­lich, so bunt und fein, so freund­lich und fried­lich wie nur mög­lich, aber al­les des­sen­un­ge­ach­tet nicht im­stan­de, den an die De­ko­ra­ti­on Ge­wöhn­ten in eine un­ge­wöhn­li­che Ek­sta­se zu ver­set­zen.

      Es war aber nicht je­der dar­an ge­wöhnt.

      Der Wald warf sei­nen Schat­ten auf den Rand der Wie­se, und im wei­chen Gra­se un­ter den ers­ten Bäu­men lag Leon­hard Ha­ge­bu­cher und blick­te, zwi­schen den Fin­gern durch, hin­aus in den Son­nen­schein. Er für sein Teil hat­te noch das Recht, am Him­mel und auf Er­den mehr zu se­hen als ganz Bums­dorf und Nip­pen­burg zu­sam­men, und er mach­te in un­ge­stör­ter träu­me­ri­scher Be­hag­lich­keit von sei­nem Rech­te Ge­brauch. Wie ein großes Kind lag er in der Wie­ge der Hei­mat und ließ sich schau­keln und von der Ler­che, dem Fin­ken und dem Wind im Bu­chen­ge­zweig das Lied von der ewi­gen Ju­gend und Schön­heit der Welt vor­sin­gen.

      Auf der Wie­se vor dem Wal­de glänz­ten die leich­ten Früh­lings­klei­der der Mäd­chen, und jede Be­we­gung der jun­gen Ge­schöp­fe muss­te in sol­cher Um­ge­bung, in sol­chem Lich­te zier­lich und gra­zi­en­haft er­schei­nen. Ihr Ru­fen und La­chen und selbst ihr hel­les Ge­kreisch, als sie sich im Spiel durch die Blu­men und das Gras und um die ver­ein­zel­ten Bü­sche jag­ten, war voll­kom­men me­lo­disch und in Har­mo­nie mit al­len üb­ri­gen Klän­gen und Lau­ten. So­gar die bei­den gu­ten Kin­der vom Guts­ho­fe, So­phie und Min­chen von Bums­dorf, wel­che in ei­nem nahr­haf­ten und sor­gen­lo­sen Da­sein und un­ter dem Ein­fluss der Milch- und Mol­ken­wirt­schaft sich zu recht wohl­tu­end rund­li­chen Jung­fräu­lein ent­fal­tet hat­ten, tru­gen hier mehr vom Reh und der Ga­zel­le zur Schau als in der Kü­che oder auf dem wohl­ge­stampf­ten, mauer­um­schlos­se­nen, vom schwer­wan­deln­den Rind­vieh be­leb­ten Bo­den des vä­ter­li­chen Ho­fes. Lina Ha­ge­bu­cher schweb­te wie eine klei­ne blon­de Fee, und Fräu­lein Ni­ko­la von Ein­stein er­schi­en wie Ti­ta­nia sel­ber. Das war ein Ge­gen­satz in Tem­pe­ra­tur, Fär­bung, Be­leuch­tung und Ge­stal­tung ge­gen Abu Tel­fan, und der Mann vom Mond­ge­bir­ge emp­fand und fühl­te ihn bis in die feins­ten Ab­tö­nun­gen und Schwin­gun­gen. Wie in ein Zau­ber­reich sah Leon­hard Ha­ge­bu­cher aus dem Schat­ten sei­ner Bäu­me in die gold­grü­ne Land­schaft, und ein Zau­ber war’s, als Fräu­lein Ni­ko­la die drei an­de­ren Mäd­chen ihre Spie­le al­lein fort­set­zen ließ, lang­sam ge­gen den Wald­rand her­an­schritt und sich, ih­ren Schoß voll Wie­sen­blu­men, ne­ben dem aus den li­by­schen und äthio­pi­schen He­xen­ban­den Er­lös­ten nie­der­ließ.

      »Der Him­mel möge Ihre Be­schau­lich­keit seg­nen, Herr Afri­ka­ner. Darf man wis­sen, was der gute Tag Ih­nen An­ge­neh­mes zu sa­gen hat?«

      »Er sagt nur: Hal­te den Mund, lie­ge still und rüh­re dich nicht!« ant­wor­te­te Leon­hard, und das Hoffräu­lein mein­te la­chend:

      »So wird es sein. Wir rie­fen Sie vor­hin, den wil­den Ro­sen­stock dort für uns nie­der­zu­zie­hen, da die feins­ten Knos­pen ge­wöhn­lich in der Höhe wach­sen. Sie lie­ßen uns ru­fen, mein Herr, brumm­ten höchs­tens, dass Sie so­gleich kom­men wür­den, und blie­ben lie­gen, so lang Sie sind. Das war, al­lem ge­heim­nis­vol­len Na­tur­ver­kehr zum Trotz, nicht höf­lich.«

      »Es ist so schwer, sich wie­der in der Zi­vi­li­sa­ti­on zu­recht­zu­fin­den, Fräu­lein«, sprach Leon­hard mit ei­nem tie­fen Seuf­zer. »Es ist eine so schwe­re und trau­ri­ge Ar­beit, zum zwei­ten Mal mit dem Abc des Le­bens be­gin­nen zu müs­sen.«

      »Wes­halb ge­ben Sie sich die Mühe?« frag­te Ni­ko­la von Ein­stein, schnell und hell von ih­ren Blu­men auf­bli­ckend. »Ich wür­de es nicht tun; ich wür­de blei­ben, wie ich wäre; ge­wiss, ge­wiss, ich wür­de eine sol­che mir vom Schick­sal an­ge­wie­se­ne ma­gi­sche Aus­nah­me­stel­lung si­cher­lich nicht wie­der aus­tau­schen ge­gen die­se er­bärm­li­che, lang­wei­li­ge Rou­ti­ne des eu­ro­päi­schen All­tags­le­bens.«

      »Das klingt, als hät­ten Sie über den Zu­stand mei­ner ar­men See­le ziem­lich tief nach­ge­dacht, jun­ge Dame.«

      »Na­tür­lich! Sind Sie doch et­was ganz Neu­es im Krei­se mei­ner Er­fah­rung! Die His­to­rie Ih­rer Aben­teu­er hat mich nicht we­nig auf­ge­regt; ich dan­ke den freund­li­chen Göt­tern, wel­che Sie wäh­rend mei­nes hie­si­gen Auf­ent­hal­tes nach Bums­dorf zu­rück­führ­ten. Sie sind ein Pro­blem, Herr Ha­ge­bu­cher, und ein sol­ches lässt das We­sen, wel­ches Sie einen ge­bil­de­ten Men­schen nen­nen wer­den, in un­sern Ta­gen so leicht nicht fah­ren, ohne es nach den ver­schie­dens­ten Sei­ten hin ge­dreht und ge­wen­det zu ha­ben.«

      »Fräu­lein von Ein­stein, wie alt sind Sie?« frag­te Leon­hard, sich halb auf­rich­tend, und das Ehren­fräu­lein lach­te von neu­em hellauf und ant­wor­te­te mit ei­nem ver­gnüg­ten Sei­ten­blick:

      »Un­aus­denk­bar alt! Weit, weit, weit hin­aus über jeg­li­ches Abc. Län­ger als sie­ben­und­zwan­zig sehr lan­ge Jah­re hat die Welt sich mei­ner Ge­gen­wart zu er­freu­en, und mein Tauf­schein soll Ih­nen zur Ein­sicht be­reit sein, wenn Sie mich dem­nächst ein­mal in der Re­si­denz be­su­chen wol­len, Herr Afri­ka­ner.«

      »Sie­ben­und­zwan­zig Jah­re? Sie­ben­und­zwan­zig Jah­re! ’s ist frei­lich ein schö­nes Al­ter für ein jun­ges Mäd­chen«, sprach Herr Leon­hard Ha­ge­bu­cher nach­denk­lich.

      »Und umso schö­ner, als mir die Ket­ten des Tu­mur­kie­lan­des noch um Hand- und Fuß­ge­len­ke klir­ren.«

      »Ma­schal­lah!« rief Leon­hard mit ei­nem Blick auf den zier­li­chen Knö­chel, wel­cher sich un­ter dem Sau­me des Klei­des her­vor­ge­stoh­len hat­te. »Das wäre eine Ge­schich­te, wel­che mich frei­lich um man­chen Schritt auf mei­nem Wege in den eu­ro­päi­schen Tag hin­ein för­dern könn­te. Er­zäh­len Sie mir ein we­ni­ges von Ihren Ket­ten, Fräu­lein Ni­ko­la, Sie fin­den auf der gan­zen Erde kei­nen Men­schen, der we­ni­ger Miss­brauch von Ihrem Ver­trau­en ma­chen könn­te und der mehr zu ler­nen hät­te.«

      Ni­ko­la füg­te eine neue Blu­me ih­rem Kran­ze ein und summ­te:

       »De­bout, ihr Ka­va­lie­re!

       Ihr Pa­gen und Hart­schie­re,

       Werft auf die Flü­gel­tür!

       Vor ei­nem Fä­cher­schla­ge

       Wird itzt die Nacht zum Tage,

       Kly­me­ne tritt her­für.«

      Dann

Скачать книгу