Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

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Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

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sehr pro­vo­zie­rend, dass man sie so­wohl auf den Kaf­fee als auch auf den Nef­fen aus dem »Kaf­fern­lan­de« war­ten ließ.

      In Sicht auf der Land­stra­ße war der On­kel, Kauf­mann und Stadt­ver­ord­ne­te von Nip­pen­burg, der Herr Stadt­rat Ha­ge­bu­cher, ein Mann von kör­per­li­chem und geis­ti­gem Ge­wicht, der drei Töch­ter in sei­nem Ehe­stan­de er­zeugt hat­te und im Gän­se­marsch mit den­sel­ben gen Bums­dorf zog: hei­te­rer als im vo­ri­gen Jah­re, wo noch sei­ne Se­li­ge stets den Zug an­führ­te und er ihn nur be­schloss. Es ka­men zwei jün­ge­re Vet­tern, wel­che je­doch auch be­reits Haa­re auf ih­rer Be­am­ten­lauf­bahn ge­las­sen hat­ten und wel­che, ob­gleich der Staat ih­nen ih­ren Ge­halt quar­ta­li­ter mit ei­nem ge­wis­sen Hohn, mit zwei­fel­lo­ser Iro­nie aus­zahl­te, sich den ideals­ten wie den ma­te­ri­ells­ten Mäch­ten, den Schwär­me­rn für die Re­pu­blik Deutsch­land wie der reichs­ten Ban­kiers- oder Fa­bri­kan­ten­toch­ter ge­wach­sen glaub­ten. Eine sol­che wohl­ha­ben­de Fa­bri­kan­ten­toch­ter und Cou­si­ne, Fräu­lein Leo­no­re Sacker­mann, lang­te aus ent­ge­gen­ge­setz­ter Welt­ge­gend un­ter den Fit­ti­chen ih­rer einen sehr gu­ten Kar­tof­fel­spi­ri­tus pro­du­zie­ren­den El­tern vor dem Hau­se des Steue­rin­spek­tors an. Hoch zu Ross kam der We­ge­bau­in­spek­tor Was­ser­tre­ter, ein drei­und­sech­zig Jah­re al­ter, ver­ächt­li­cher Jung­ge­sell, wel­cher sich von Amts und Wet­ters we­gen dem Trun­ke er­ge­ben hat­te und es bes­ser hät­te ha­ben kön­nen, wie die Base, Fräu­lein Kle­men­ti­ne Mau­ser, die eben­falls al­lein, aber zu Fuße an­lang­te, zur un­be­hag­li­chen Zeit der Äqui­nok­ti­al­stür­me ih­rem jung­fräu­li­chen Kopf­kis­sen är­ger­lich an­ver­trau­te.

      Wer kam noch? Schlie­ßen wir die Lis­te, nach­dem wir sie kaum be­gon­nen ha­ben! Es ver­sam­mel­te sich so ziem­lich der gan­ze Vet­ter Mi­chel, und Herr Leon­hard Ha­ge­bu­cher trat in den ge­weih­ten Kreis und bot ihm, wenn nicht den be­kann­ten deut­schen »gu­ten Abend«, so doch das ara­bi­sche Se­lam alei­kum, das Heil sei mit euch, wor­auf die Tan­te Schnöd­ler er­wi­der­te:

      »Wir dan­ken dir, Herr Nef­fe, und freu­en uns, dich an­stän­dig und christ­lich in Rock, Hose und Wes­te wie­der un­ter uns zu ha­ben. Du bist einst zwar ohne Ab­schied weg­ge­gan­gen, aber hier sind wir, wie es sich ge­zie­men will, und hei­ßen dich in ver­wandt­schaft­li­cher Kom­pa­nie will­kom­men in Nip­pen­burg und sind uns ver­mu­ten, dass du nun wohl end­lich ge­nug von der Va­ga­bon­da­ge und Un­re­el­li­tät und sons­ti­gen Fan­tas­te­rei ha­ben wirst. Sag ’n Wort, Schnöd­ler.«

      »So ist es, Mi­net­te«, sprach der On­kel Schnöd­ler, und mehr wur­de nicht von ihm ver­langt, wür­de im Ge­gen­teil sehr übel auf­ge­nom­men wor­den sein; Leon­hard aber fühl­te sich leb­haft an jene Au­di­en­zen er­in­nert, wel­che ihm vor kur­z­em noch Ma­dam Kul­la Gul­la, die Schwie­ger­mut­ter sei­nes Be­sit­zers im Tu­mur­kie­lan­de, so häu­fig er­teil­te und wel­che stets da­mit en­dig­ten, dass ihm fünf­und­zwan­zig auf die Fuß­soh­len zu­dik­tiert wur­den.

      Es war ein großer Tag! Wenn auch die jun­gen Cou­si­nen, gleich den Kin­dern von Bums­dorf, noch im­mer mit ei­ner aus Schre­cken und Mit­lei­den ge­misch­ten Ver­wun­de­rung auf den Vet­ter blick­ten, so hat­te doch die äl­te­re Ver­wandt­schaft jeg­li­che mys­te­ri­öse Scheu gründ­lich ab­ge­wor­fen und zog ih­ren au­to­chtho­nen Le­bens­an­schau­un­gen und Ge­füh­len alle Schleu­sen. Das ger­ma­ni­sche Spieß­bür­ger­tum fühl­te sich die­ser fa­bel­haf­ten, zer­fah­re­nen, aus Rand und Band ge­kom­me­nen, die­ser ent­gleis­ten, ent­wur­zel­ten, quer über den Weg ge­wor­fe­nen Exis­tenz ge­gen­über in sei­ner gan­zen Staats- und Kom­mu­nal­steu­er zah­len­den, Kirch­stuhl ge­mie­tet ha­ben­den, von der Po­li­zei be­wach­ten und von sämt­li­chen fürst­li­chen Be­hör­den über­wach­ten, glo­rio­sen Si­cher­heit und sprach sich dem­ge­mäß aus, und der Papa Ha­ge­bu­cher wäre der letz­te ge­we­sen, wel­cher für sei­nen Afri­ka­ner das Wort er­grif­fen hät­te.

      Es war ja der Tag des Papa Ha­ge­bu­cher. Er hat­te die­se Ver­samm­lung be­ru­fen, um sich von ihr in sei­nen in­ners­ten An­schau­un­gen recht ge­ben zu las­sen. Er moch­te den Ver­lust des Soh­nes noch so sehr be­dau­ert, ja be­trau­ert ha­ben: die plötz­li­che und so gänz­lich anor­ma­le Rück­kehr muss­te ihm na­tur­ge­mäß doch noch fa­ta­ler wer­den. Die fro­he Über­ra­schung ging all­mäh­lich in eine mür­ri­sche, grü­beln­de Ver­stim­mung über; – be­rech­nen ließ sich hier nichts mehr, denn sämt­li­che Zif­fern wa­ren aus­ge­löscht, nur ein Fa­zit stand zu­letzt klar da: »Der Bur­sche lief fort, weil er ein­sah, dass man ihn hier nicht ge­brau­chen kön­ne; man hat ihn auch dort nicht ge­brau­chen kön­nen, er ist heim­ge­kom­men, und ich habe ihn wie­der auf dem Hal­se!«

      Klar war die Rech­nung, doch nicht tröst­lich, und es war je­den­falls wün­schens­wert, dass die lie­be Freund­schaft und Ver­wandt­schaft ihre Un­ter­schrif­ten oder drei Kreu­ze zu dem Wahr­spruch her­ge­be. Man hat­te sich denn doch zu recht­fer­ti­gen vor der Welt, und das konn­te nicht bes­ser be­werk­stel­ligt wer­den, als wenn man sie von An­fang an mit­ver­ant­wort­lich mach­te. Es war auch kei­ne Klei­nig­keit, wenn man sich hin­ter der grü­nen Gar­di­ne des Ehe­betts auf das Ur­teil der Tan­te Schnöd­ler, die Mei­nung des Bru­der Stadt­rats oder des Vet­ter Sacker­manns be­ru­fen konn­te – man trug die Verant­wort­lich­keit je­den­falls nicht gern al­lein.

      Es war ein sehr großer Tag, und Lina Ha­ge­bu­cher hielt zu­letzt ganz ängst­lich die Faust ih­res Bru­ders, denn sie konn­te viel schär­fer als die Mut­ter für ihn füh­len und be­ob­ach­te­te mit Zit­tern, wie sei­ne Stirn von Au­gen­blick zu Au­gen­blick dunk­ler wur­de und es im­mer grim­mi­ger aus sei­nen Au­gen wet­ter­leuch­te­te. Je­der hat­te sei­nen Rat zu ge­ben und gab ihn gern und aus­führ­lich. Es war gar nicht so schwer, sich an­stän­dig durchs Le­ben zu brin­gen, wenn nur der gute Wil­le dazu vor­han­den war; ver­schie­de­ne Wege führ­ten noch aus der Nichts­nut­zig­keit hin­über in die wün­schens­wer­tes­te Re­spek­ta­bi­li­tät, und ein je­der stell­te sich mit Ver­gnü­gen als Weg­wei­ser auf den Kreuz­weg, vor­züg­lich die Tan­te Schnöd­ler, wel­che sich räus­per­te und sprach:

      »Es ist nicht ge­nug, dass der Mensch den Schnei­der kom­men und sich ein neu Ha­bit an­mes­sen las­se; es ge­hört noch mehr dazu, um wie­der ein an­stän­di­ger groß­her­zog­li­cher Staats­bür­ger und Un­ter­tan zu wer­den. Da könn­te je­der Lum­pa­zi kom­men, der sein alt zer­lumpt Wams am Gra­ben­rand zum öf­fent­li­chen Ekel ab­ge­tan und das ge­stoh­le­ne neue an­ge­zo­gen hat! Der Mensch und wil­de In­dia­ner muss auch geist­lich nach dem Bal­bie­rer schi­cken und kei­ne Ge­sich­ter schnei­den, wenn Leu­te zu ihm re­den, die im Lan­de ge­blie­ben sind und sich in Got­tes­furcht fünf­und­zwan­zig Jah­re red­lich ge­nährt ha­ben, was ich üb­ri­gens nur bei­läu­fig und zum Bes­ten von der fer­nern gu­ten Freund­schaft­lich­keit ge­sagt ha­ben will. Was ich nun dem Leon­hard ra­ten will, das ist, er tut al­les hoch­mü­ti­ge und aus­län­di­sche We­sen ab und fängt da wie­der an, wo er auf­ge­hört hat, das heißt, da es mit ei­nem Pas­tor nun­mehr wohl nim­mer­mehr was wer­den wird, so geht er zum Vet­ter Stadt­rat, lässt sich von neu­em in die Schrei­be­rei ein­schie­ßen und kann’s mit der Zeit und der Nach­hil­fe von der Ver­wandt­schaft wie­der

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