Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe
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»Mein Herr, wir leben noch, und wir sind Ihnen sehr verbunden; aber wir wollen zurückkehren nach Haus. Es war ein sehr schöner Tag, den wir gestern erlebt haben.«
»Gnädiges Fräulein, sehen Sie, das freut mich!« rief Pechle freudig. »Ich habe es gleich gesagt, dass es Ihnen bei uns gefallen würde. Aber weshalb wollen Sie jetzt schon umkehren? Ich würde Ihnen noch mancherlei zeigen können, und wenn die Damen unter meiner Führung –«
Ein eigentümlicher Ton durchzitterte das Gemach, und dieser Ton ging von der Baronin Lucie von Rippgen aus und schnitt dem Exstiftler scharf den Satz in der Mitte durch.
»So verschaffen Sie uns einen Wagen, Mr. Pitchlin«, seufzte Miss Christabel, und der Baron Ferdinand gab sofort den Lammwirt in die Hand seines Freundes und seufzte ebenfalls, aber sehr erleichtert, als Christoph ohne Zögern ganz bereitwillig die Last über sich nahm, den Biedermann zur Vernunft und zur Stellung eines Gefährts zu bringen.
Sie hatten alle – alle – bis auf Pechle, das heißt diesen ausgenommen, genug des Wanderns, und Ferdinand hatte vielleicht am vollständigsten genug. Mit Schaudern erfüllte sie die Idee, den Weg durch das romantische Land fortzusetzen. Nicht einmal den Rechberg erstiegen sie; und das Wäscherschlösschen sowie die Gräber zu Lorch waren ihnen nicht nur gleichgültig, sondern die bloße Vorstellung, sie beide betrachten zu müssen, erfüllte sie mit Grausen und erregte in ihnen ein unsagbares Übelbefinden. Reif sein ist in jeder Beziehung alles, und diesmal war man zur Umkehr reif und kehrte demgemäß um: dass man aber in diesen Tagen für vielerlei reif geworden war, das wird die Zukunft zeigen. –
Durch einen sehr heißen Sommermorgen fuhr die geknickte und mit dem bösartigsten Kopfweh behaftete Gesellschaft unter dem Schutze Christoph Pechlins gen Göppingen hinunter, und jeglicher Blick rückwärts auf den kahlen Kegel des Staufenberges befestigte bei allen außer dem Exstiftler die einzig und allein noch Trost gebende Gewissheit des: Einmal und nie wieder.
»An dem Spaß werd’ ich lange zu fressen haben«, sprach Pechle auf der Eisenbahnfahrt nach der Stadt der Hippokäpourier stillvergnügt in sich hinein, und Lachesis, den Faden seines Lebens durch die Hand laufen lassend, sah unwillkürlich genauer auf den Knoten, den sie plötzlich zwischen den Fingern spürte und wandte sich mit einem gutmütigen Lächeln stumm zu Atropos, die einfach auch stumm blieb und die Achseln zuckte.
In Stuttgart war es erstickend heiß, ein Hauch wie aus einem überheizten Ofen fährt durch unsere Geschichte und rollt die Blätter unseres Manuskriptes, sie an den Ecken leise anbräunend, auf. Wir ringen nach Luft, und während wir ringen, verschwindet für längere Wochen alles, das heißt, was wir diesmal alles nennen, aus unserem Gesichtskreise. Die Baronin ist, wie wir wissen, ein wenig korpulent und kann die Hitze nicht gut vertragen; sie verschwindet, und ihr Gatte folgt ihr – sie nimmt ihn mit sich. Miss Christabel Eddish, die nicht korpulent ist, verschwindet ebenfalls. Es liegen sehr heiße Tage auf der Welt; aber wenn Miss Christabel uns verschwindet, so können wir doch keineswegs behaupten, dass sie auch jedem anderen während dieser blasenziehenden Zeit verschwunden sei. Unsere Aufgabe wäre eben zu Ende, wenn dem so wäre, aber das Gegenteil hat glücklicherweise stattgefunden, und Pechle wird es uns bezeugen. Das Verschwinden und zwar abermalige Verschwinden des Kapitäns Sir Hugh Sliddery haben wir bereits geschildert und werden keine Worte mehr darüber verlieren. –
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