Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe
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Wer auch der Täter gewesen sein mochte, der den Krug entsendet hatte, der Schleuderer der Flasche hatte seinen Wurf unter der Beihilfe des Dämoniums deutscher Bauernhochzeiten doch noch besser und wirkungsvoller getan. Mit aller Unterscheidungsfähigkeit zwischen Freund und Feind war es aus und zu Ende im Ochsen zu Hohenstaufen! Schon hatte der Hochzeiter in der Pforte des Saales zwei Köpfe seiner eigenen Hochzeitsleute in besinnungsloser Wut gefasst und dieselbigen gegeneinander gestoßen. Die Gegenpartei aus dem Lamm hatte wahrlich nur wenig von ihrem eigenen Hass und Geifer in die Flammen zu spritzen; – die Fackel der Eumeniden loderte und leckte auch schon ohne das mit schweflichten Zungen über das Fest hin. Überall – über und unter den Tischen, im Saale und vor dem Saale, auf der Treppe und vor dem Hause entbrannte der Streit, tobte die Schlacht, – war man sich in die Haare gefallen; und Sir Hugh Sliddery in der Mitte der Strudel und Wirbel fand sich plötzlich zu seinem allergrößten Erstaunen dringendst in allen Fasern seines Wesens aufgefordert, mit Aufbietung aller seiner Kräfte für die Erhaltung seines Daseins zu kämpfen. Ohne im geringsten zu wissen, wie es eigentlich zuging, bekam er die vollste Gelegenheit, im Dorf Hohenstaufen alles bei Inkerman Verabsäumte nachzuholen und das Gefühl, den Bathorden verdient zu haben, in Abwehr und Angriff sich glorreich zu erobern. Glorreich! denn er kämpfte unter Hindernissen. An seinen gelben Rockschößen hing der schwarze Küster des Dorfes und suchte sich seiner als einer Schutzwehr gegen die wild fliegenden Wurfgeschosse aller Art, gegen die unvernünftige Rücksichtslosigkeit der Stuhlbeine, gegen Faustschläge und gegen Fußtritte zu bedienen. Schon mischte sich Wimmern und klägliches Wehgeheul in den Lärm der Schlacht, gellender schallte das Zetern des schönen, auch anderen Geschlechtes durch die stille Sommernacht, und – am stillen Fenster des leeren, öden Tanzsaales im Lamm sprach Christoph Pechlin aus Waldenbuch im Schönbuch mit einem verständnisvollen Blicke auf das dunkelschöne Firmament zu dem mit ihm lauschenden Reisegenossen:
»Hab’ ich nicht recht gehabt? Gelt, hab’ ich nicht recht gehabt? Hörst du – die Geischter sind los; jetzt wird es wieder eine Lust, zu leben! Ich meine, Ferdinando, dass auch unsere Stunde gekommen sei, und schlage vor, dass auch wir jetzt, und zwar ohne jegliches weitere Zögern – noch auf einen Augenblick – in den Ochsen gehen.«
»Ich nicht!« rief der sächsische Baron, mit den ausgesprochensten Zeichen des Haut- und Seelenschauderns vor der Vorstellung vom Fenster zurückfahrend. »Pechle, du wirst doch nicht?! Christoph, ich beschwöre dich, – sei Virgil, soviel du willst – ich bin dir bis jetzt durch alle Kreise der Hölle gefolgt; aber so tief steige ich nicht mit hinunter! Großer Gott, höre sie doch nur! Christoph, Christoph, sie schlagen dich ebenso tot, wie sie sich selber tot schlagen; – nachher bringen sie uns deine Leiche, und dann versetze dich in die Lage der Damen und in meine Lage. Bedenke, dass ich dann die Verpflichtung habe, dich nach Stuttgart zurückzuschaffen, und sage dir selber, was meine Frau unter solchen Umständen sagen würde! Liebster, Bester, ich bin Jurist und habe mehr als einer Sektion beiwohnen müssen als Protokollführer; bleibe bei mir, denn ich habe die vollste Gewissheit, dass ich dich nur als Sektionsobjekt wiedersehen werde, wenn du gehst!«
»O nei!« sagte Pechle gemütlich. »Weischt, i bin a Landesei’geborner und weiß mein Teil auf mich zu nehme und den Überschuss weiter zu gebe. Da sorge dich nicht, Sechserle! Geh du nur ruhig mit mir; ich halte es auch für dich als das Beste, dass du mit mir gehst. Willst du?«
»Unter keiner Bedingung!«
»Gut, dann gehe ich allein und überlasse es dir, hier die Honneurs zu machen. Du hast doch in Tübingen studiert und weißt, dass eine Schlacht, die im Ochsen beginnt, gewöhnlich im Lamm – oder umgekehrt – zu Ende geführt wird. B’hüt di Gott, alter Knabe und halt di gut –«
Er vollendete nicht; denn es hatte in der Tat den Anschein, als ob er nicht nur vollkommen recht habe, sondern es auch sogleich bekommen solle. Der Kampf hatte sich unbedingt bereits auf die Dorfgasse hinausgewälzt, in derselben selbstverständlich immer größere Dimensionen angenommen und schwoll bedrohlich gegen das Wirtshaus zum Lamm heran. Wie der Küster von Hohenstaufen am Rockschoss des englischen Baronets Sir Hugh Sliddery, so hing der deutsche Baron Ferdinand von Rippgen an den Schößen Christoph Pechlins, als ein blondhaariges Schwabenmädchen das liebe freundliche Gesichtle in die Tür steckte und rief:
»Sie! ihr Herra! – de beide Fraue drunte möchte de Herre bei sich habe – den mit dem kleine Bärtle: den andere net! De dicke Frau secht, ihr Ma möcht auf d’r Schtell zu ’r komma, und d’ Dürre liggt in Krämpf.«
Das neunzehnte Kapitel.
Miss Christabel Eddish lag in Krämpfen, und hoffentlich wird die Welt, der diese Mitteilung gemacht werden musste, nicht weniger erschüttert unter dem Eindrucke dieser Nachricht stehen, als die beiden Herren im leeren Tanzsaal des Wirtshauses zum Lamm in Hohenstaufen darunter standen.
Der Baron stieß auf die merkwürdig ruhige Meldung der jungen Dorfmaid nur einen dumpfen unverständlichen Laut hervor; Christoph Pechlin fasste sich schneller und wusste sich verständlicher zu äußern.
Es freut einen immer, wenn man recht behält, vorzüglich wenn man sich recht weitläufig und ausführlich nach irgendeiner beliebigen Richtung hin prophetisch ahnungsvoll bloßgegeben hat. Es kann einem unter Umständen sogar ein sehr schwerer Stein durch solches Rechtbekommen vom Herzen genommen werden; denn wahrlich, nicht jeder ist zu jedem ihm beliebigen Zeitpunkte Vates – ein Seher und Prophet. Pechles Vorhersagung erfüllte sich im vollsten Maße: die Baronin rief bereits nach ihrem Gatten, und der Augenblick, in welchem auch Miss Christabel nach Hilfe rufen musste, war nahe.
Vorerst tat der Exstiftler auf die Meldung der blonden Kellnerin hin drei weite