ALICE IM TOTENLAND. Mainak Dhar
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Читать онлайн книгу ALICE IM TOTENLAND - Mainak Dhar страница 6
Alices Augen weiteten sich, denn anstatt ihr zu Hilfe zu eilen, ging einer der ZEUS-Soldaten in die Knie und zielte mit seinem Gewehr auf sie. Etwas zog sie zur Seite, und Kugeln pfiffen an der Stelle durch die Luft, wo sie noch wenige Sekunden vorher stand. Hasenohr sah sie mit einem durchdringenden Blick an, bevor er sie weiter in die Deckung zog. Die Soldaten schienen nun zu verstehen, was vor sich ging, und die Tatsache, dass ein junges Mädchen von einer Horde Biter gefangen gehalten wurde, ließ sie handeln. Weitere Soldaten seilten sich aus den Helikoptern ab und hielten auf die Mauer zu, hinter der sich Alice nun versteckte.
Hasenohr pfiff, ein ohrenbetäubendes Geräusch, bei dem sich Alice unwillkürlich die Ohren zuhielt. Als sie einen Blick aus ihrer Deckung riskierte, sah sie, was sein Signal bedeutete. Aus allen Richtungen strömten Biter aus den Ruinen heran und umzingelten die Soldaten. Die ZEUS-Trupps eröffneten das Feuer, und Alice sah mehrere Biter fallen, aber die restlichen kamen schnell näher. Ein paar von ihnen wurden von den Snipern in den Helikoptern mit präzisen Kopfschüssen ausgeschaltet.
Alice war beeindruckt. Sie hatte selbst an Dutzenden von Gefechten teilgenommen und mindestens genau so viele als Späher oder im Rahmen ihres Trainings beobachtet. Nie waren ihr Zweifel gekommen, die Biter als etwas anderes zu sehen, als jene grausamen und schrecklichen Gegner, für die sie jeder hielt. Und sie hatte keinen Moment gezögert, ihr gesamtes Magazin dem untoten Weihnachtsmann in den Kopf zu jagen, der ihr bei einer Patrouille über den Weg gelaufen war.
Doch als sie jetzt inmitten der Biter saß und einen Blick darauf erhaschte, wie der Kampf gegen die Menschen aus ihrer Sicht aussah, war die Sache eine andere. Natürlich blieben sie von Nahem betrachtet grauenerregend, mit ihrer Stärke, ihrer Unempfindlichkeit gegen Schmerzen und ihrer unbeirrbaren Gier nach Menschenfleisch. Aber in offenem Gelände wie hier, gegen trainierte Soldaten, waren sie nichts weiter als Kanonenfutter. Sie waren nicht imstande, irgendwelche Waffen zu benutzen, bewegten sich langsamer als Menschen, und ihre Intelligenz reichte nur für rudimentäre Taktiken.
Die etwa zwölf ZEUS-Soldaten bildeten nun, Rücken an Rücken, dicht aneinandergedrängt, eine geschlossene Frontlinie und bewegten sich kontinuierlich auf sie zu. Hin und wieder pickten sie sich einzelne Ziele heraus, überall lagen bereits unzählige Biter am Boden. Und doch drängten immer mehr heran. Alice sah, dass aus wenigstens zwei Löchern im Boden Biter strömten und versuchten, nahe genug an die Soldaten heranzukommen, um ihre Nägel und Zähne in sie vergraben zu können. Es war ein Massaker, und Alice fragte sich, was die Biter damit bezweckten, ihrer sicheren Vernichtung entgegenzueilen. Oder waren sie doch nur hirnlose Marionetten, einzig von ihrer Gier nach Blut angetrieben, ungeachtet der Folgen?
Jemand packte ihren Arm. Hasenohr zerrte sie mit sich. Sie versuchte, sich zu wehren, aber sein Griff war so stark, dass sie ihn nicht abschütteln konnte. Als sie nach ihm trat, stolperte er nach hinten und verpasste ihr eine lässige Ohrfeige. Der Schlag war so hart, dass sie zu Boden ging. Alles drehte sich um sie herum. Hasenohr hob sie auf und warf sie sich über die Schulter. Er stieß ein lautes Kreischen aus, und sofort schoben sich mehrere Biter zwischen sie und die herannahenden Soldaten.
Das Verhalten der Biter hatte Methode. Sie verschafften Hasenohr etwas Zeit, damit er sie wegbringen konnte. Sie verstand nicht, was sie von ihr wollten oder was diese Zeichnung zu bedeuten hatte, aber damit schwand ihre Hoffnung auf Rettung. Die ZEUS-Truppen kamen ins Stocken und traten angesichts der schieren Übermacht von Bitern den Rückzug an. Hasenohr schlüpfte zwischen einigen Ruinen hindurch, und das Letzte, was Alice sah, war, wie sich die Biter kratzend und beißend über den ersten Soldaten her machten.
Der Ort, an dem sie sich befanden, war dunkel, und Hasenohr rannte durch Gänge, die zu einem ehemaligen Amtsgebäude gehörten. Von den Korridoren gingen immer wieder Türen ab, hinter denen sich Biter versteckt hielten. Selbst wenn es die Soldaten bis hierher geschafft hätten, wären sie in der Enge und der Dunkelheit eine leichte Beute für die versteckten Biter geworden. Alice versuchte erneut, sich anhand dessen, was sie erlebt hatte, ein Bild von den Bitern zu machen. Okay, sie waren nicht so schlau wie Menschen, aber sie besaßen die Fähigkeit zur Planung und vorausschauendes Denken – was aber immer noch nicht erklärte, was zur Hölle sie von ihr wollten!
Hasenohr duckte sich unter einem eingestürzten Stützbalken hindurch und hielt schließlich an. Er ließ Alice achtlos auf den Boden plumpsen. Alice überzog ihn mit den wüstesten Beschimpfungen, die sie in der Gesellschaft von Soldaten über die Jahre aufgeschnappt hatte, aber er sah sie nur ausdruckslos aus seinen leeren, geblichenen Augen an. Er wies auf ein Loch in einer Wand und bedeutete ihr, dort hindurchzugehen. Als sie zögerte, schlug er nach ihr, und sie landete wieder auf dem Boden.
»Was ist verdammt noch mal los mit dir? Hör auf, mich zu schlagen, dann überlege ich es mir vielleicht!«
Doch wieder schienen ihre Worte an Hasenohr abzuprallen. Alice sah ein, dass sie kaum eine Wahl hatte und sich auch ihr keine Fluchtmöglichkeit bot, also stieg sie durch das Loch und begann mit dem Abstieg in den Untergrund. Noch vor wenigen Minuten, als sie seit ihrer unüberlegten Verfolgung von Hasenohr das erste Mal wieder Menschen zu Gesicht bekam, hatte sie sich ausgemalt, wie ihre Flucht aussehen könnte. Nun aber war sie wieder fest in den Händen der Biter und wurde tiefer in deren Festung verschleppt.
Sie liefen wenigstens eine Stunde durch totale Dunkelheit, bis Hasenohr in einem größeren Durchgang anhielt, der von einer einzelnen Fackel beleuchtet wurde. Alice hielt sich die Seite. Sie hatte kaum noch genug Kraft, aufrecht zu stehen, geschweige denn, ihm weiter zu folgen.
»Ich brauche Wasser, okay? Ich bin nicht wie ihr. Ich muss essen und trinken.«
Er sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an, und sie deutete Trinkbewegungen mit ihrer Hand an, in der Hoffnung, dass er verstand, was sie von ihm wollte. Als er den rechten Arm bewegte, zuckte Alice zusammen. Sie rechnete damit, wieder geschlagen zu werden. Aber stattdessen hielt er ihr ihren Rucksack hin, den er ihr nach dem Kampf in der Botschaft abgenommen hatte. Sie öffnete ihn, nahm die Wasserflasche heraus und leerte sie bis auf den letzten Tropfen. Als sie die Flasche wieder zurücksteckte, tastete sie kurz in dem Rucksack herum. Sie hatte noch ein Erste-Hilfe-Set und eine Leuchtrakete dabei. Keine Waffen, aber die Leuchtrakete könnte sich nützlich erweisen.
Hasenohr knurrte, und sie gab ihm den Rucksack zurück. Sie war froh, dass er klug genug war, um zu verstehen, was sie wollte, aber auch dumm genug, nicht den Inhalt des Rucksacks zu überprüfen.
Sie folgte ihm tiefer in den Untergrund. Nach mehreren sich immer tiefer abwärts windenden Biegungen erreichten sie eine Tür. Hasenohr stieß diese auf, und Alice erkannte, dass sie eine Art Bunker betraten, der ursprünglich zum Schutz von Menschen gedacht war. Metallene Stockbetten säumten den Raum, in dem es vor Bitern nur so wimmelte. Einige von ihnen zischten sie an und kamen näher, aber Hasenohr stieß ein paar knurrende Warnungen aus, und die Meute zog sich zurück. Er griff ihr Handgelenk und zog sie dicht hinter sich her, wahrscheinlich um sie vor den anderen Bitern zu beschützen. Viele der Biter musterten sie feindselig oder spuckten nach ihr, und Alice zweifelte keine Sekunde daran, dass die Biter sie im Nu in Stücke zerfetzt hätten, wenn es ihren ungewöhnlichen Beschützer in Gestalt eines Bitern mit Hasenohren nicht gegeben hätte.
Vor einer offenen Tür hielten sie an, und Alice erstarrte, als sie aus dem Raum dahinter eine menschliche Stimme hörte. Eine weibliche Stimme, tief, ernsthaft und bedächtig, aber zweifellos menschlich. Das, oder Alice war kurz davor, ihrem ersten Biter zu begegnen, der sprechen konnte.
»Was hast du mir heute gebracht? Lass mal sehen.«
Stöhnen und Kreischen waren als Antwort zu hören, dann fuhr die Stimme fort: »Zwei ZEUS-Soldaten? Was soll ich denn mit denen anfangen? Den Papieren nach zu urteilen sind es junge Rekruten, also ohne jeden Nutzen für mich. Aber wie solltest du etwas davon verstehen, nicht wahr?«
Wieder