Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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Das Läuten des Telefons unterbrach sie. Katja stand auf und meldete sich. Blasser konnte sie kaum noch werden, aber ihre Hand zitterte so stark, dass der Hörer ihr fast entglitten wäre.
»Nein, das erübrigt sich. Wir haben uns nichts mehr zu sagen«, erklärte sie. Dann legte sie den Hörer auf. »Es war Heinz. Er wollte mich sprechen, Mama. Ich fürchte, er wird es immer wieder versuchen.«
»Dann ist es wohl doch besser, wenn du mit ihm sprichst«, sagte Gerlinde gedankenvoll.
»Nein, ich werde mit Jan sprechen«, entgegnete Katja.
Jan kam sehr spät nach Hause. Inzwischen war auch Michael dagewesen und hatte ihr gesagt, dass sie übermorgen schon nach Kanada fliegen würden.
»Ich kann ja nicht so lange wegbleiben, und Mama ist es lieber, wenn sie nicht allein zu fliegen braucht. Es wird sich schon alles einrenken. Für euch wäre es wohl auch besser, wenn ihr ein paar Wochen Tapetenwechsel hättet.«
»Jan kann jetzt nicht fort. Meinst du, dass es gutgehen wird mit Mama?«
»Ich denke schon. Sie ist sanft wie ein Lamm. Überlass sie nur ruhig mir, Katja.«
Jan war ziemlich überrascht, als sie ihm die Neuigkeit berichtete. Die Gedanken hinter seiner Stirn konnte sie nicht lesen. Er sprach auch nicht über seine Auseinandersetzung mit Heinz.
»Es tut mir leid, dass ich mich so wenig um dich kümmern kann, Katja. Dummerweise muss ich morgen auch noch nach Hannover fliegen, weil sich da Unstimmigkeiten ergeben haben, die uns große Schwierigkeiten bereiten können.«
»Hat Heinz das auch eingebrockt?«, fragte Katja gepresst.
Jan sah sie nachdenklich an.
»Was hat Vater mit dir gesprochen?«
»Manches«, erwiderte sie ausweichend. »Es wird wohl alles bei der Testamentseröffnung zur Sprache kommen.«
Es war typisch für ihn, dass er sie nicht bedrängte.
»Es kann aber sein, dass uns sehr große Verluste entstanden sind, die man nicht so schnell ausgleichen kann«, bemerkte er.
»Was bedeutet das?«
»Schlimmstenfalls ein Vergleichsverfahren.«
»Mein Gott! Hat Vater das geahnt?«
»Kaum. Es war nicht zu überblicken. Vielleicht werden wir von meinen Einkünften leben müssen, Katja.«
Sie legte ihre Hände auf seine Schultern.
»So schrecklich das alles für Vater gewesen wäre, ich hätte nichts dagegen, und Vater weiß nichts mehr davon. Jan, ich habe mich auch einmal in Heinz getäuscht.«
»Wer hat das nicht«, sagte er dumpf. »Vater hat großes Vertrauen in seine Geschäftstüchtigkeit gesetzt. Es tut mir so leid, Katja, aber ich muss noch arbeiten, und morgen muss ich schon zeitig starten.«
Stand nicht schon etwas zwischen ihnen, oder war es ihr unruhiges Gewissen, das solche Gedanken heraufbeschwor? Sie konnte wieder nicht mit ihm sprechen. Und damit sie nicht denken musste, nahm sie an diesem Abend eine Schlaftablette.
Irgendwann schrak sie empor, aber sie wurde nicht richtig munter. Sie fühlte warme Lippen auf ihrer Wange, und von weit her drang Jans Stimme an ihr Ohr.
Erst als die Tür ins Schloss fiel, drang es in ihr Bewusstsein, dass er ihr auf Wiedersehen gesagt hatte.
Sie taumelte empor und hinaus, aber sie hörte nur noch seinen Wagen davonfahren. Sie war den Tränen nahe.
»Er wollte dich doch schlafen lassen«, erklärte Malwine tröstend. »Du brauchst den Schlaf so nötig, Kind. Übermorgen ist er ja wieder da.«
»Erst übermorgen?« Katja verbarg das Gesicht in ihren Händen. Die Tränen rannen zwischen den Fingern durch.
»Er muss doch sehen, dass er noch gutmachen kann, was der andere verbrochen hat«, sagte Malwine bitter. »Herrgott im Himmel, warum ist er damals nur gegangen!«
»Ja, warum ist er gegangen. Weißt du es nicht, Lalli?«
»Er wird nicht wollen, dass ich darüber rede.«
»Und wenn ich dich sehr darum bitte?«
»Ach, diese alte Geschichten. Kummer haben sie uns genug gebracht.«
»War es wegen Tina?«, fragte Katja.
Malwine starrte sie an.
»Was weißt du davon?«
»Dass Jan sie heiraten wollte und dass sie sich das Leben genommen hat.«
»Du warst damals noch ein Kind. Wer hat es dir erzählt?«, fragte Malwine.
»Ist das nicht gleich? Warum hat sie sich das Leben genommen?«
»Das sagt man doch bloß. Jan hat damit gar nichts zu tun. Er wollte nur keinen Skandal. Er wollte nicht, dass sein Vater erfährt, dass Heinz …« Sie schlug sich auf den Mund, aber die Worte waren nicht mehr rückgängig zu machen.
»Wieder Heinz«, flüsterte Katja. »Immer wieder Heinz. Ich möchte es wissen, Lalli!«
Malwine schaute unglücklich drein.
»Jan wird es mir nicht verzeihen. Vielleicht hätte er es dir selbst einmal erzählt. Aber er hat bestimmt keine Ahnung, dass du etwas weißt. Für ihn war alles schlimm genug.«
»Hat er sie so geliebt?«, fragte Katja leise.
»Mein Gott, er war zweiundzwanzig, als er sie kennenlernte, und sie war achtzehn, mit Heinz in einer Klasse. Sie standen kurz vor dem Abitur. Heinz brachte sie ein paarmal mit, und da hat Jan sie in den Semesterferien kennengelernt. Er musste dann wieder weg, aber sie blieben in Verbindung, und zwei Jahre später verlobten sie sich. Jan war drei Monate im Ausland, aber sie kam oft. Ich dachte mir nichts dabei. Schließlich wollten sie ja bald heiraten. Der Senior war zur Kur, und Tina war wieder mal hier. Da kam es mir schon spanisch vor. Und überraschend kam Jan dann zurück und erwischte sie mit Heinz.«
»Und warum hat sie sich das Leben genommen?«, fragte Katja tonlos.
»Ach was! Nun kannst du den Rest auch noch wissen. Sie erwartete ein Kind. Nicht von Jan. Und da hat sie dann eine Abtreibung versucht und ist daran gestorben. Ihr Vater war Ministerialdirektor, und natürlich ist alles vertuscht worden. Man sagte, dass sie schon immer unter Depressionen gelitten hätte.«
»Woher weißt du die Wahrheit?«
»Ich habe den Krach zwischen Jan und Heinz miterlebt. Er hat natürlich alles bestritten und Jan verhöhnt. Er sei schließlich mit ihr verlobt gewesen, hat er gesagt. Na ja, Jan ist dann gegangen.«
»Und du hast geschwiegen?«, fragte Katja deprimiert.
»Jan hat mir das Versprechen abverlangt, seinem Vater nichts zu sagen. So ganz gut war sein Herz auch damals schon nicht. Der Name Roden sollte nicht in den Schmutz gezogen