Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Quäl dich doch nicht wieder mit diesen Gedanken, Arndt«, bat sie. »Möchtest du lieber Musik hören?«
»Nein, ich will mit dir sprechen. Du musst es doch erfahren. Meine Frau lebt in einem Nervensanatorium. Aber leben kann man das wohl nicht nennen. Und Schuld kann man ihr auch nicht geben an all dem Unglück. Sie ist schuldlos schuldig geworden, wenn man es so bezeichnen will.« Er machte eine Pause und sah Veronica an.
»Was Steffi betrifft?«, fragte sie beklommen.
»Was weißt du davon?«, erkundigte er sich heiser.
»Ich sagte dir schon einmal, dass ich Steffi in jener Nacht bei mir hatte. Sie hatte Angstträume, und dann sah ich auch die Narbe auf ihrem Rücken. Sie hat auch in der Erregung eine Äußerung getan. Ist es nicht besser, wenn du mir alles erzählst? Es muss doch nicht gleich sein, Arndt. Ich will nicht, dass du so viel grübelst. Du sollst gesund werden.«
»Man kann es nicht aus dem Gedächtnis verbannen, Roni. Ich kann mich und auch dich nicht mehr täuschen. Mit jeder Stunde liebe ich dich mehr und immer mehr.«
Lange Zeit schwiegen sie. Dann begann Arndt wieder: »Ich habe auch Gillian geliebt. Sie war eine zauberhafte Frau.«
»Ja, ich weiß«, bemerkte Veronica. »Ich habe ihr Bild gesehen. Verzeih, Arndt, es war nicht Absicht. Ich suchte eine Steppdecke in jener Nacht, als Steffi bei mir schlief.«
»Sie sieht jetzt nicht mehr so aus«, sagte er. »Diese Krankheit begann ganz seltsam, und auch jetzt wissen die Ärzte nicht, wodurch sie eigentlich entstanden ist.
Unsere Ehe begann glücklich. Ich kann es nicht anders sagen. Gillian freute sich unsinnig, als sie das erste Kind erwartete. Sie wünschte sich einen Sohn. Sie sagte immer, dass sie nur Jungen bekommen würde, aber Steffi wurde ein Mädchen. Eigentlich hätte es ein Stefan werden sollen. Gillian war enttäuscht, aber sie zeigte es noch nicht so deutlich wie beim zweiten Mal. Da wünschte sie sich einen Martin, und es wurde eine Martina. Sie wollte das Kind gar nicht sehen, aber es war so, als wolle sie das Schicksal zwingen. Unbedingt wollte sie einen Sohn haben, obgleich ich selbst zu der Überzeugung gekommen war, dass es besser wäre, wir würden keine Kinder mehr bekommen.
Sie kümmerte sich kaum um die beiden. Wir hatten Kinderschwestern, die Steffi und Tini betreuten. Gillian aber wollte einen Sohn. Ich hatte grauenhafte Angst vor der Geburt des Kindes, obwohl es mir gleich war, ob es ein Junge oder ein Mädchen würde. Ich liebte Steffi und Tini. Sie waren liebe Kinder. Aber ich musste immer öfter sehen, dass Gillian ungerecht war zu den beiden, dass sie sie schlug und für nichtige Dinge strafte.
So was dürfen nur Jungen machen, sagte sie. Wenn ihr Jungen wäret, dürftet ihr das tun. Sie litt unter Zwangsvorstellungen, sie war während der dritten Schwangerschaft noch launischer, manchmal unerträglich. Sie war mir fremd geworden. Ja, manchmal hasste ich sie, auch das darf ich dir nicht verschweigen. Ich konnte das einfach nicht mehr ertragen, und als das Kind dann wieder ein Mädchen war, wagte ich nicht, es ihr zu sagen.
Ich kann dir nicht schildern, was sich dann abspielte, als sie es doch erfuhr. Erspare es mir, Roni. Ich kann es nicht wiedergeben. Sie redete sich schließlich ein, dass Jill ein Junge sei, und dann kam der Tag, als Steffi in ihrer Naivität sagte, dass Jill genauso wie sie und Tini aussehe. Da drehte Gillian durch. Sie hat Steffi gewürgt und ist dann mit einer Schere auf sie losgegangen. Ich kam zum Glück früher als sonst nach Hause.« Er machte eine lange Pause, und dann schloss er: »Danach hat man sie weggebracht. Steffi schwebte in Lebensgefahr, und Gillian siecht jetzt zwischen Traum und Tag dahin. Wie lange noch? Niemand weiß es.«
Veronica umschloss seine Hand mit ihren beiden Händen und legte ihre Lippen darauf.
»Nun weiß ich es, Arndt, und nun wollen wir versuchen, gemeinsam damit fertig zu werden. Steffi soll einmal ein glückliches Kind sein, und dazu möchte ich beitragen. Es sind deine Kinder. Ich liebe sie. Nimm sie mir nicht weg, nur weil du meinst, es wäre eine Last für mich. Und du musst gesund werden und gesund bleiben für deine Kinder.«
»Roni, wie sollen wir das durchstehen?«, fragte er flüsternd.
Wie? Darüber dachte sie nicht nach.
»Wir werden es durchstehen«, sagte sie mutig. »Ich will niemandem etwas wegnehmen. Ich will euch nur alles geben, was sonst doch niemand haben will.«
»Sag das doch nicht!«, bat er flehend.
»Nehmen wir es so, Arndt, dass ihr mir vom Schicksal geschenkt worden seid, als ich an mir selbst verzweifelte. Jetzt wartet wieder eine Aufgabe auf mich, die mich ausfüllt und über die ich alles andere vergessen habe.«
»Das kann nicht genug sein, Roni«, murmelte Arndt.
»Das wollen wir nicht sagen«, flüsterte sie, und dann küsste sie ihn zum ersten Mal auf den Mund.
*
Als die Kinder an diesem Tag heimkehrten, ging Roni ihnen entgegen.
Sie breitete die Arme aus und umfing sie voller Zärtlichkeit, als wären es ihre Kinder.
»Papi geht es besser, hat Dr. Riedel gesagt«, zwitscherte Martina. »Wir haben ihn nämlich getroffen. Aber du musst dich auch ausschlafen, Roni.«
»Ich fühle mich ganz wohl«, behauptete sie und nahm Jill auf den Arm, die sich zärtlich an sie schmiegte und immer wieder beteuerte, dass sie ihre Roni sei.
Was ist sie für ein starker Mensch, sann Rosmarie Rückert. Wer hätte das gedacht, als sie an jenem Tag so niedergeschlagen in die Kanzlei kam, um ihre Zukunft bangend. Jetzt dachte sie nicht mehr an sich, sondern nur noch an diese Kinder und ganz bestimmt auch an deren Vater.
Sie wusste es, als Veronica sagte: »Nun könnt ihr zu eurem Papi gehen.« Unendliche Zärtlichkeit schwang in ihrer Stimme.
Ein paar Tage später war Arndt fieberfrei und konnte auch wieder richtig essen.
Otti bereitete ihm mit viel Liebe leichte und schmackhafte Gerichte, damit sein Magen sich wieder auf regelmäßige Mahlzeiten einstellte. Er stand auch schon auf, wusch und rasierte sich. Nun passte Otti auf, dass er sich nicht gleich zu viel zumutete. So selbstverständlich es für Veronica gewesen war, den kranken, hilflosen Arndt zu pflegen und zu versorgen, so gehemmt war sie jetzt, da er wieder aktiv wurde.
Gillian schien wie ein Schatten zwischen ihnen zu stehen, obgleich sie nicht mehr über sie gesprochen hatten.
Die Kinder leisteten ihrem Papi oft Gesellschaft. Veronica war selten allein mit ihm, und wenn er ihr dann mit einer flüchtigen Zärtlichkeit seine Zuneigung zeigte, fühlte sie dabei Wehmut. Vielleicht war es auch Entsagung, denn der Gedanke, dass ihre Liebe von Anbeginn zum Verzicht verdammt war, ließ sie nicht los.
Es war einfach gewesen, dem kranken Arndt diese Liebe zu gestehen, mit der sie ihm Zuversicht geben wollte und das Gefühl, nicht allein zu sein.
Nun wurde ihr mit jedem Tag mehr bewusst, welch einen dornigen Pfad sie da beschritten hatte, obgleich sie auch wusste, dass sie ihn nicht mehr verlassen konnte und wollte.
*
Eines Morgens – fast vierzehn Tage waren vergangen seit der Nacht, in der Arndt krank zurückgekommen war – traf ein Brief für ihn ein, von dem Veronica mehr