Der Buddhismus. Gottfried Hierzenberger

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Der Buddhismus - Gottfried  Hierzenberger marixwissen

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generell so rigoros, sondern nur gegenüber den Mönchen, die sich dem Ideal eines Arhat (= Heiliger auf dem direkten Weg zur Vollkommenheit) verschrieben haben. Dem normalen Gläubigen (»Adligen, Brahmanen und Haushaltern« = Nicht-Mönchen) gestattet er durchaus ein pietätvolles Verhalten gegenüber den Göttern und Geistern oder gegenüber seinem Leichnam. Das Buddha-Wort »Seht das nicht als erklärt an, was ich nicht erklärt habe; seht das als erklärt an, was ich erklärt habe« (Majjhima-Nikâya), ist zwar überliefert worden, wurde aber nicht beachtet. Ebenso zog man wohl auch aus dem folgenden Vergleich nicht die richtigen Schlüsse:

      Eines Tages hielt sich der Erhabene im Shimshapa-Wald auf, nahm einige Blätter, die von den Bäumen gefallen waren, auf und sagte zu den Mönchen: »Was denkt ihr? Sind diese mehr Blätter. Oder sind die Blätter an allen Bäumen in diesem Wald zahlreicher?« – »Der Erhabene hält nur wenige Blätter in seinen Händen; sehr viele Blätter aber sind an allen Bäumen in diesem Wald.« – »Ebenso, ihr Mönche, habe ich Vieles erkannt; nur Weniges habe ich euch gelehrt. Ich habe jedoch nicht gehandelt wie jene Lehrer, die ihre Fäuste schließen und ihre Geheimnisse für sich behalten, denn ich habe euch die Vier Wahrheiten gelehrt. Sie sind es, was von Nutzen ist; sie sind die Prinzipien des religiösen Lebens; sie führen zur Abwendung vom Weltleben, Entsagung, Erlöschung, Frieden, höherer Geisteskraft, vollkommener Erleuchtung, zum Nirvāna. Darum habe ich sie euch gelehrt.« (Samyutta-Nikâya)

      Der Buddha verurteilte auch den Wunderglauben und das Wunderwirken, das manche Yogis und Fakire zu seiner Zeit praktizierten, um ihre herausragenden übernatürlichen Kräfte zu zeigen, und untersagte dies den Mönchen ausdrücklich.

      Durch solche Gedanken und Äußerungen bekommen auch die anderen Weltreligionen einen wichtigen Ansatzpunkt, der ihnen bei ihrer Selbstkontrolle, bei ihrem kritischen Prüfen, bei einer tatsächlichen Erneuerung des Glaubens an den Einen, Absoluten, Transzendenten als eine Art Stachel im Fleisch und damit auch bei einem konstruktiven Dialog der Religionen behilflich sein könnte. Die vorhandenen Ansätze (vgl. z. B. die Initiative Hans Küngs, in Tübingen ein »Gespräch der Weltreligionen« in Gang zu bringen) kranken noch an der Bereitschaft zu jenem radikalen Infragestellen, das Buddha an den Tag legte und das hie und da auch ein christlicher, islamischer, jüdischer oder taoistischer Mystiker erkennen lässt. Diese werden aber sehr oft von beamteten »Glaubenswächtern« behindert, verfolgt, zum Schweigen verurteilt oder mit totaler Missachtung bestraft. Ein konsequent betriebenes Grundwissen Religion könnte im Sinne von Hans Waldenfels (siehe seinen Band »Christus und die Religionen«, Taschenbuchreihe Topos plus Bd. 433) das nötige Basis-Wissen für die Vermeidung der in allen großen Religionen und ihren Theologien feststellbaren Ideologisierungstendenz bereitstellen.

      Die 45-jährige Lehrtätigkeit des Buddha begann in Benares im sogenannten »Gazellenhain« vor jenen fünf Asketen, die er aus der Zeit seiner extremen Askese kannte. Sie begegneten ihm zuerst mit Misstrauen, erfassten dann aber rasch, dass er mittlerweile zum Tathāgata (= von Gott erleuchteter Lehrer von Göttern und Menschen) geworden war, und wurden seine ersten Jünger.

      Die Kernsätze dieser berühmten Predigt von Benares enthielten jene »Vier Wahrheiten«, von denen oben gerade die Rede war; sie wurde zum Modell der buddhistischen Unterweisung im Dharma:

      Zwei Enden gibt es, ihr Mönche, denen muss, wer dem Weltleben entsagt hat, fernbleiben. Welche zwei sind das? – Hier das Leben in Lüsten, der Lust und dem Genuss ergeben: das ist niedrig, gemein, ungeistlich, unedel, nicht zum Ziel führend. Dort Übung der Selbstquälerei: die ist leidensreich, unedel, nicht zum Ziel führend. – Von diesen beiden Enden, ihr Mönche, sich fernhaltend, hat der Vollendete den Weg, der in der Mitte liegt, entdeckt, der Blick schafft und Erkenntnis schafft, der zum Frieden, zum Erkennen, zur Erleuchtung, zum Nirwana führt… der Edle Achtfältige Pfad, der da heißt: rechtes Glauben, rechtes Entschließen, rechtes Wort, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sichversenken …

      Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit vom Leiden. Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, mit Unlieben vereint sein ist Leiden, von Lieben getrennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden; kurz, die fünferlei Objekte des Ergreifens sind Leiden. Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit von der Entstehung des Leidens: Es ist der Durst, der zur Wiedergeburt führt, samt Freude und Begierde, hier und dort seine Freude findend: der Lüstedurst, der Werdedurst, der Vergänglichkeitsdurst. Dies, ihr Mönche, ist die Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: die Aufhebung dieses Durstes durch restlose Vernichtung des Begehrens, ihn fahren lassen, sich seiner entäußern, sich von ihm lösen, ihm keine Stätte gewähren. Dies, ihr Mönche, ist die edle Wahrheit vom Wege zur Aufhebung des Leidens: es ist dies der Edle Achtfältige Pfad, der da heißt: rechtes Glauben, rechtes Entschließen, rechtes Wort, rechte Tat, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sichversenken … Und solange ich, ihr Mönche, nicht von diesen vier edlen Wahrheiten wahrhafte Erkenntnis und Schauen in voller Klarheit besaß, solange, ihr Mönche, hatte ich auch nicht das Bewusstsein, in der Welt Brāhmas die höchste Erleuchtung gewonnen zu haben … Erkenntnis ging mir auf und Schauen ging mir auf; unverlierbare Erlösung des Geistes ist mein; dies alles ist die letzte Geburt; nicht gibt es hinterher Wiedergeburt.« So sprach der Erhabene. Und mit Freude begrüßten die fünf Mönche des Erhabenen Rede. (Mahāvagga)

      Neben den fünf ersten Jüngern bildete sich im Laufe der Jahre eine richtige Mönchsgemeinde (bhiksu) aus, die durch die Lehrtätigkeit des Buddha im Gebiet des Mittleren Ganges beständig wuchs. Neben den Eingeweihten, welche die Mönchsgelübde ablegten und den Kern des buddhistischen Ordens (Sangha) bildeten, der nach dem Vorbild in Indien bestehender religiöser Gemeinschaften organisiert war, gab es auch eifrige Haushalter (= Laien; upāsaka), die zwar die buddhistische Lehre übernahmen, aber ihr Leben in der Welt (Beruf, Familie usw.) weiterführten – und für das leibliche Wohl der Mönche zu sorgen hatten.

      Der Buddha war streng zu den Fortgeschrittenen (arhats), aber zugleich tief durchdrungen von der Überzeugung, dass die Menschen entsprechend ihrer Wesensart und des Stadiums ihrer geistigen Reife einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen. »Viele unterwies er nur in der Lehre von der karmischen Vergeltung, forderte sie auf, ein sittliches Leben zu führen, und verhieß ihnen als Lohn dafür die Wonnen der Himmelswelt oder eine gute Wiedergeburt auf Erden. Denen, die er dafür geeignet hielt, machte er das Elend der Begierden klar und pries ihnen die Vorzüge der Entsagung. Aber nur Auserwählte, denen er die moralische Kraft zu Einhaltung der Mönchsregeln zutraute, nahm er in seinen Orden auf … Der Erhabene hat nie geglaubt, dass alle Menschen der Welt entsagen und asketisch leben könnten.« (Glasenapp)

      Der Buddha schickte die Mönche einzeln zum Predigen aus. Er selbst bekehrte z. B. die drei Brüder Kāsyapa und rund tausend ihrer Schüler, zwei bedeutende Brahmanen, Sāriputra und Maudgalāyana, und den Asketen Mahākāsyapa, die alle drei in der weiteren Geschichte des Buddhismus eine große Rolle spielten. Er kam auch der Bitte seines Vaters nach und lehrte in Kapilavastu, wo er zahlreiche Wunder wirkte und den größten Teil seiner Verwandtschaft bekehrte – unter ihnen Ananda, seinen wichtigsten »dienenden Schüler« und seinen damals bereits 20jährigen Sohn Rāhula sowie seinen Cousin Devadatta (der später sein Rivale wurde, eine Spaltung verursachte, die Leitung der Gemeinschaft beanspruchte und sogar mehrere Anschläge auf das Leben des Buddha unternahm).

      Seit sich Bimbisāra, der König von Magadha, und sein Sohn Ajātashatru zur neuen Religion des Buddha bekannten, verbreitete sich seine Lehre besonders in diesem Teil von Indien. Und bald wurden auch Frauen in den Orden aufgenommen (bhiksunī).

      Der Buddha setzte sich auch mit den vielen spirituellen Lehrern seiner Zeit auseinander, die jeweils Schüler um sich scharten, z. B. mit den Nigrantha (= ohne Ort) des Mahāvira, die man später Jainas (= Sieger) nannte und die ebenfalls die Entwicklung

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