PLÖTZLICH ZAUBERER. Scott Meyer
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Читать онлайн книгу PLÖTZLICH ZAUBERER - Scott Meyer страница 6
Er hatte angenommen, dass er besser aussah.
Für einen Moment starrten sie sich gegenseitig an. Schließlich sprach Martin, der Zeitreisende: »Ich sagte, du sollst in der Zeit zurückreisen und nicht vorwärts.«
Der originale Martin war momentan viel zu sehr damit beschäftigt, durchzudrehen, anstatt zuzuhören, und bekam deshalb gar nicht mit, was Martin aus der Zukunft zu ihm gesagt hatte.
»Was?«, fragte er verwirrt und riss sich zusammen.
Martin aus der Zukunft schüttelte den Kopf. »Großartig. Jetzt bin ich verwirrt.«
»Du bist verwirrt?«
Martin aus der Zukunft sah irritiert aus. Er nuschelte etwas im Flüsterton, während er auf dem Smartphone herumtippte. Noch einmal schaute er auf, stellte Blickkontakt zum originalen Martin her und verschwand einfach.
Martin ging zu der Stelle, wo gerade noch sein Doppelgänger gestanden hatte. Keine Brandflecken oder etwas in der Art waren dort zu sehen. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, was mit der Stelle passierte, an der ein Zeitreisender auftauchte und wieder verschwand. Er wusste aber, dass er mehr erwartet hatte als … nichts.
Martin blickte auf sein Handy und sah das Feld mit der Zeitangabe in der Datei. Die Sekunden tickten. Schnell zog er dreißig Sekunden von der Zeit ab und drückte auf Enter.
Die Welt um ihn herum machte eine ziemlich schnelle Überblendung von jetzt zu der verstaubten Erinnerung an die Welt vor dreißig Sekunden. Er sah Martin aus der Vergangenheit in der Mitte des Zimmers stehen. Seine ganze Aufmerksamkeit hatte er auf den Handybildschirm gerichtet und er machte irgendwie einen ziemlich enttäuschten Eindruck.
Martin aus der Vergangenheit atmete einmal tief ein und aus und sagte dann: »Wahrscheinlich ist es besser so.«
Ihm tat der Martin aus der Vergangenheit leid. Ich sehe so traurig aus, dachte er.
»Versuch, in der Zeit zurückzureisen, und nicht vorwärts«, schlug er hilfsbereit vor.
Martin aus der Vergangenheit war ziemlich entsetzt. Mit echter Panik in den Augen sah er zu ihm. Er schaute erst ungläubig, dann überrascht und zu Martins immer noch währender Bestürzung auch enttäuscht.
Na großartig, dachte Martin. Ich sehe pummelig aus und man kann mir all meine Emotionen im Gesicht ablesen.
Martin beschloss, es noch einmal zu versuchen: »Ich sagte, du sollst in der Zeit zurückreisen und nicht vorwärts.«
Martin aus der Vergangenheit öffnete und schloss den Mund ein paar Mal. Schließlich schaffte er zu fragen: »Was?«
Martin war nicht sonderlich beeindruckt von sich selbst. »Großartig. Jetzt bin ich verwirrt.«
Der Martin aus der Vergangenheit sah nun wirklich beleidigt aus. »Du bist verwirrt?«
Martin gab auf. »Fantastisch«, murmelte er, während er die Zeit wieder zurücksetzte. »Ich bin der erste Mensch in der Geschichte, der sich selbst trifft, und dann erfahre ich, dass ich ein hässlicher Idiot bin.«
Martin drückte wieder auf Enter und sah zu, wie sein früheres Selbst verschwand, während er zu dem Moment zurückkehrte, an dem er gegangen war.
Das ist ja nicht so gut gelaufen, dachte er. In der Rückschau hätte er das ahnen können. Erste Treffen waren immer heikel, selbst wenn man sich selbst traf. Nächstes Mal würde es bestimmt besser laufen. Denn dann habe ich ja schon eher eine Ahnung, wie ich mich verhalten und wie ich reagieren soll.
Martin hörte nun ein leises »Ähm«, das von rechts kam. Er schaute in die Richtung und war nicht überrascht, sich selbst lächelnd dort stehen zu sehen.
»Ich bin du, und zwar in einer Stunde«, sagte er. »Willst du vielleicht ein bisschen Poker spielen?«
Kapitel 4
Am nächsten Morgen erwachte Martin mit einem Kater. Dabei hatte gar nicht viel getrunken, während er mit sich selbst Poker gespielt hatte. Nur ein paar Bier.
In der ersten Runde, als er Martin aus der Vergangenheit gewesen war, hatte er verloren. Dann war er in der Zeit zurückgereist und hatte als Martin aus der Zukunft alles noch mal durchgespielt. Um ehrlich zu sein, war er zunächst nicht so begeistert von einer zweiten Runde gewesen und hauptsächlich aus Pflichtgefühl zurückgekehrt, um eine Revanche anzubieten.
Dann hatte er allerdings angefangen zu gewinnen, weil er sich daran erinnert hatte, was Martin aus der Vergangenheit auf der Hand gehabt hatte.
Jedes Spiel macht mehr Spaß, wenn man gewinnt, auch wenn es in diesem Fall am Ende gerade so null zu null ausging. Dann war er ins Bett geschlurft und müder als jemals zuvor in seinem Leben gewesen, doch sein Hirn hatte immer noch auf Hochtouren gearbeitet. Er hatte darüber nachgedacht, was passiert wäre, wenn er die erste Pokerrunde gewonnen hätte, dann zurückgekommen wäre und wieder gewonnen hätte. War das überhaupt möglich? Und wenn ja, woher wären die Gewinne dann gekommen? Konnte er unendlichen Reichtum schaffen, indem er gegen sich selbst im Poker verlor? Natürlich konnte er auch so unendlichen Reichtum erschaffen, indem er einfach eine Dezimalstelle in einer Datei verschob.
Schließlich erkannte er, dass er, wenn er überhaupt noch etwas Schlaf bekommen wollte, das Ende erzwingen musste. Also trank er seinen allnächtlichen Cocktail: zwei Schlaftabletten in einem Schuss billigem Bourbon aufgelöst.
Nun war es Morgen und er hatte einen Kater.
Martin saß an seinem Schreibtisch, aß Toast und trank Kaffee, während er wieder mal auf die Datei starrte. Die Nacht zuvor war eine überwältigende Achterbahnfahrt voller Entdeckungen gewesen, aber der Morgen danach war wie gewöhnlich harte Schufterei, ein ständiges hin- und herspringen in der Realität.
Er hatte nun bewiesen, dass die Datei ein Werkzeug war, welches jeden Aspekt seines Lebens verbessern konnte. Doch seine schmerzenden Füße, seinen verdrehten Knöchel und die verstauchten Handgelenke sowie seine ruinierten Socken und die verwirrte Nachbarin, bewiesen eindeutig, dass er sein Leben auch ruinieren konnte, wenn er weiterhin einfach handelte, ohne vorher groß darüber nachzudenken.
Martin hatte bereits beschlossen, dass er seinen Körper nicht mehr verändern wollte. Denn solange er die Datei nicht besser verstand, war das viel zu gefährlich. Es war viel besser, erst einmal einfach Geld zu erschaffen und eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zu kaufen, oder, wenn nötig, auf plastische Chirurgie zurückzugreifen. Er hatte außerdem entschieden, dass er gelegentlich kleinere Mengen Geld auf sein Bankkonto schaffen würde, statt einer riesigen Summe auf einmal. Martin hoffte, dass er auf diese Art nicht entdeckt werden würde.
Und er hatte es geschafft, dass er kurz fliegen konnte. Wirklich, er konnte sich selbst für einen Moment mitten in der Luft platzieren, bevor er wieder zu Boden fiel. Er hatte bereits eine Idee, wie man das optimieren könnte, aber das besaß für ihn erst einmal keine Priorität.
Außerdem konnte er sich jetzt teleportieren. Das war erstaunlich, aber auch sehr gefährlich. Glücklicherweise war seine Kleidung mit ihm teleportiert worden. Darum schlussfolgerte er, dass die Datei – oder das