PLÖTZLICH ZAUBERER. Scott Meyer
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Zu guter Letzt könnte er dann in der Zeit reisen und zu seinem Startpunkt zurückgehen, aber er konnte nicht darüber hinaus gehen. Er überlegte, dass es wohl daran lag, dass die Vergangenheit ein bekannter Zustand, die Zukunft aber noch nicht geschehen war. Man konnte sie nicht kennen und sie war auch nicht greifbar. Mit Sicherheit wusste er das zwar nicht zu sagen und würde es wahrscheinlich auch nie können. Fakt war aber, dass er in der Zeit zurückgehen und dann wieder zur Gegenwart zurückkehren konnte. Im Grunde teleportierte er sich also nur in eine andere Zeit sowie an einen anderen Ort. Also waren die benötigten Parameter, die er brauchte: Längengrad, Breitengrad, Höhenmeter, Einsamkeit und … Zeit.
Der einzige Weg, wie er all das beeinflussen konnte, war auf die Datei zuzugreifen. Er konnte das von seinem Computer aus tun und mittlerweile auch von seinem Smartphone. Öffentliche Computer kamen hingegen nicht infrage. Denn dort könnte er die Software nicht installieren, die er brauchte, um auf den Remotecomputer mit der Datei zuzugreifen. Es schien so, als wäre sein Handy von jetzt an sein wichtigster Zugang zur Datei. Also musste er sicherstellen, dass er sich nicht aus Versehen irgendwohin teleportierte, wo das Handy nicht funktionierte, denn dann würde er dort festsitzen. Martin öffnete nun eine Landkarte, auf der die Netzabdeckung seines Telefonanbieters ersichtlich war. Jetzt war es nicht nur eine Karte, die einen zuverlässigen High-Speed-Datenzugang für ihn darstellte, sondern auch die Orte, an denen Martin gottgleiche Kräfte über Zeit und Raum besaß. Das sollte sich eigentlich nicht wie eine Einschränkung anfühlen, aber genau das tat es.
Ich kann jetzt sofort überallhin auf dieser Karte der Vereinigten Staaten reisen, wohin ich möchte, dachte er, solange dort einer dieser roten Flecken ist. Die dunkelroten Flecken. Denn die Helleren sind mir zu fraglich.
Zum ersten Mal, seit er die Datei gefunden hatte, dachte Martin Banks erst einmal darüber nach, bevor er handelte. Er machte eine Liste von Dingen, die er brauchte, damit er weitermachen konnte. Dann brachte er diese in eine logische Reihenfolge und begann, die Liste abzuarbeiten.
Er durchsuchte die Datei nach der Seriennummer und dem Modellnamen seines Handys. Er war erleichtert, als er beides fand. Irgendwie hatte er Angst gehabt, dass die Datei nur Menschen abdecken würde, aber das war offensichtlich nicht der Fall. Die Datei war riesig (viel gewaltiger als die tatsächlich eingetragene Größe) aber nicht unendlich.
Martin war sich nicht sicher, ob sie für alle Menschen und alle Gegenstände groß genug war, aber immerhin: Da war er, der Eintrag für sein Handy, der jedenfalls nicht sehr umfangreich war. Er nahm an, dass Massenartikel wie Handys nicht jedes Mal aufs Neue detailliert beschrieben werden mussten, genau, wie es bei den Menschen der Fall war. Stattdessen hatte jede Kopie einen Eintrag, der beschrieb, inwiefern sie sich von anderen Gegenständen seiner Art unterschied. Die vollständige Beschreibung, was dieses Gerät zu einem Handy machte, musste sich also wahrscheinlich irgendwo anders in einer separaten Datei befinden.
Er verbrachte einige Zeit damit, eine rudimentäre Smartphone-App zu erstellen, mit der man die Datei automatisch bearbeiten konnte. Er fand sogar den Akkustand des Handys. In der Datei war er präzise in fünf Dezimalstellen dargestellt. Auf dem Handy war er hingegen vollkommen ungenau, es sei denn, man installierte eine separate App. Doch auch bei dieser konnte man nur ganze Zahlen ablesen. Er überprüfte, dass es sich auch wirklich um den Akkustand handelte, indem er die Datei mit der App verglich. Dann spielte er fünf Minuten lang ein Spiel, das besonders viel Akkuleistung verbrauchte. Danach überprüfte er den Akkustand erneut und war nun sicher, dass er tatsächlich das richtige Feld gefunden hatte. Er stellte die experimentelle App so ein, dass sie im Hintergrund lief und den Akkustand alle zehn Sekunden auf einhundert Prozent zurücksetzte. Dann spielte er das Spiel weitere fünf Minuten. Danach war der Akku immer noch voll.
Eine Stunde lang hieß es jetzt suchen und Copy&Paste. Doch dann hatte er sein Handy so modifiziert, dass immer genau dreiundsiebzig Prozent der Akkuleistung verblieben (einhundert Prozent hätte nämlich verdächtig ausgesehen). Nun würde es ihm endlich erspart bleiben, einen Haufen Ersatzakkus wie Chewbacca in einem Patronengurt mit sich herumzuschleppen.
Außerdem brachte er sein Handy dazu, immer aus einem Gebiet zu senden, das von drei separaten Mobilfunkmasten und zwei Stromverteilern abgedeckt wurde, egal, wo das Handy sich tatsächlich befand. Dieser Gedanke war ein intuitiver Sprung, aber Martin verstand jetzt, dass die Funkwellen, die vom Handy produziert wurden, genau so unecht waren wie alles andere. Darum konnten auch sie manipuliert werden. Und wenn er konkretisieren könnte, woher das Signal kam, könnte er auch festlegen, wann es gesendet wurde. Im Grunde genommen war die Zeit also nur eine weitere Zahl in der Datei.
Er hatte immer noch große Schwierigkeiten damit, die Umstände einer Reise durch die Zeit vernünftig zu beurteilen. Im kalten Licht des Tages wurde ihm klar, dass es unglaublich leichtsinnig von ihm gewesen war, das Reisen durch die Zeit auch nur zu versuchen. Außerdem hatte er unglaublich viel Glück gehabt. Theoretisch würden nämlich stets zwei Kopien von ihm zur selben Zeit in der Datei auftauchen, wenn er zurückging. Man müsste annehmen, dass es dadurch zu einer Art Fehlermeldung kommen würde, was natürlich sehr ungünstig wäre. Zum Glück war dies aber nicht passiert. Martin schloss daraus, dass es irgendwo ein Programm gab, das auf die Datei zugriff und sie nutzte, um die Welt zu rendern. Jeder Moment, den er augenblicklich durchlebte, war exakt ebenso weit entwickelt wie dieses theoretische Programm.
Was Reisen in die weiter zurückliegende Vergangenheit anbelangte, waren diese, wenn die Wirklichkeit tatsächlich ein Computerprogramm war, schon immer möglich gewesen. Das bedeutete, dass die Datei schon immer existiert hat. Es war seltsam, sich vorzustellen, dass die Datei älter war als die Erfindung der Computer, aber sie war ja auch älter als die menschliche Erfindung von Computern. Wer oder was auch immer die Datei erschaffen hatte, hatte Computer bereits erfunden, lange bevor das Programm, das Martin jetzt erlebte, geschrieben worden war.
Wenn die Datei schon immer existiert hatte, dann hatte alles, was in der Datei stand, in gewissem Sinne ebenfalls schon immer existiert. Also war der einzige Grund, warum Martin nicht die gesamte Geschichte durchlebt hatte, der, dass das Programm keinen Grund sah, ihn dorthin zu rendern. Nun aber wusste Martin, wie er ihm diesen Grund geben konnte.
Er konnte nichts über die Existenz des Dateispeicherortes hinaus beweisen, aber das war auch nicht wichtig. Zum millionsten Mal dankte er sich selbst dafür, dass er gelernt hatte, Computer zu programmieren.
Als das Wochenende vorbei war, befand er die App als vorerst praktikabel.
Die App hatte nun drei Reiter. Auf dem ersten Reiter war ein Dollarzeichen. Es zeigte ihm seinen Kontostand an und erlaubte ihm, diesen schnell zu ändern. Die App machte die notwendigen Änderungen in der Datei automatisch.
Das Symbol des zweiten Reiters war ein Kompass. Er nutzte die Programmierschnittstelle eines beliebten Kartenprogramms, um eine Satellitenkarte der Erde darzustellen. Dort konnte er hineinzoomen, um sich ein Gebiet anzusehen und eine Stelle auszuwählen. Die App würde die Koordinaten und den Höhenmeter in die Datei eingeben. Nur einen Herzschlag später würde er dann vor Ort sein. Es gab auch ein Dialogfeld, in das er ein Datum und eine Uhrzeit eintragen konnte. Wenn er das Datum und die Uhrzeit nicht präzisierte, hielt ihn die App in der Gegenwart fest. Es gab auch eine Taste, die ihn dorthin zurückbrachte, wo und wann auch immer er bei seiner letzten Zeitreise gewesen war. Und eine Taste, mit der man alles wieder rückgängig machen konnte, wenn man es wollte.