Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters. Reinhard Pohanka
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Augustinus stammte aus einer gemischt-religiösen Familie. Sein Vater Patricius war Bauer und Regierungsbeamter und Anhänger des römischen Götterglaubens, seine Mutter Monnica war strenggläubige Christin. Geboren am 13. November 354 in Thagaste, einer kleinen Stadt in der römischen Provinz Numidien, die sich im 4. Jahrhundert noch immer einer gewissen Ruhe und Wohlstandes erfreute, erhielt er eine gründliche Ausbildung in Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik in Karthago, musste aber sein Studium mit 16 Jahren aus Geldmangel unterbrechen. Ein Jahr später konnte er nach Karthago zurückkehren und ein Studium der Rhetorik beginnen. Hier dürfte er auch eine Beziehung mit einem Mädchen begonnen haben, das für 15 Jahre an seiner Seite blieb und ihm sein einziges Kind, den Sohn Adeodatus, schenkte.
Augustinus kannte die Bibel, fand sie aber primitiv und fühlte sich weit mehr von dem in Mode stehendem Manichäismus angezogen, der eine strenge Teilung der Welt in Gut und Böse lehrte.
Ab 375 unterrichtete Augustinus Rhetorik in Thagaste. In dieser Zeit versuchte er seine Familie zum Manichäismus zu bekehren, wandte sich aber nach einer Begegnung mit dem manichäistischen Bischof Faustus von Mileve, von dem er intellektuell enttäuscht war, davon wieder ab. 383 berief man ihn nach Rom als Professor für Rhetorik. Hier trennte er sich unter dem Einfluss seiner Mutter von seiner Geliebten und lernte den Mailänder Erzbischof Ambrosius kennen, der ihn faszinierte. 386 hatte er ein Erweckungserlebnis, das ihn zum Christentum brachte, als er eine Kinderstimme hörte, die zu ihm »tolle lege« (Nimm und lies) sagte, was er als Aufforderung, sich der Bibel zuzuwenden, verstand.
387 ließ er sich und seinen Sohn Adeodatus in der Osternacht taufen. Augustinus verließ Rom, kehrte nach Thagaste zurück und zog sich für drei Jahre in die von ihm gegründete klösterliche Gemeinschaft der »servi dei« zurück, die als Urform des abendländischen Mönchtums angesehen werden kann. 390 starb sein Sohn Adeodatus. 391 wurde Augustinus zum Priester geweiht und vier Jahre später zum Bischof von Hippo Regius ernannt. Als Bischof, der sich staatlicher Gewalt in der Verfolgung der Manichäer, Donatisten und Pelagisten bediente, betonte er auch der Kirche in Rom gegenüber die Eigenständigkeit der nordafrikanischen Kirche.
In den nächsten Jahren wirkte er als Bischof und schrieb jene religiösen und philosophischen Werke, die ihn zu einem der größten Theologen der Kirchengeschichte machen sollten und die das Bild und die Ideen der Kirche bis heute prägen.
Augustinus starb 430, als Hippo durch die Vandalen, die nach ihrer Vertreibung aus Italien nach Nordafrika übergesetzt waren, belagert wurde. Im 8. Jahrhundert wurden seine Gebeine von den Langobarden nach Italien gebracht. Sie befinden sich heute in der Kirche San Pietro in Ciel d’Oro in Pavia in Norditalien.
Augustinus ist der »Kirchenvater« schlechthin. Seine Lehren wirken in der Kirche nach und hatten wesentlichen Einfluss auf Martin Luther und Johannes Calvin. Seine »philosophische Karriere« ist erstaunlich. Ursprünglich ein Anhänger des Manichäismus, wandte er sich der Skepsis und schließlich dem Neuplatonismus zu, ehe er sich zum Christentum bekehrte, in das er Ideen Platos einbrachte. Man hat ihm auch eine frühe Art des Existenzialismus zugeschrieben.
Als sein bekanntestes Werk gelten die »Confessiones« (Bekenntnisse), die er um 390 verfasste und in denen er sein frühes Leben und seine Suche nach Wahrheit und Bekehrung beschrieb, die erste Autobiografie der Literaturgeschichte.
Zwischen 413 bis 426 verfasste er sein bedeutendstes Werk »De Civitate Dei« (Vom Gottesstaat) als Antwort auf die Eroberung Roms durch die Vandalen im Jahre 410. Hier postulierte er den Unterschied zwischen dem weltlichem und dem kirchlichen Reich und sah den göttlichen Heilsplan auch durch den Fall Roms nicht in Gefahr. Seiner Ansicht nach ist die Weltgeschichte ein stetig fortlaufender Prozess, der nur ein Ziel haben kann, die Vollendung in Gott. In weiteren Werken beschäftigte er sich mit dem freien Willen des Menschen, mit der christlichen Lehre, mit der Dreieinigkeit Gottes, mit der Taufe, der Erbsünde, der Hölle und dem Fegefeuer sowie mit seinem Kampf gegen die Donatisten.
In der Philosophie ist die Selbstgewissheit des Denkens sein Ausgangspunkt. Selbst wenn ich an allem zweifle, so kann ich nicht bezweifeln, dass ich zweifle, also bin ich. Die Wahrheit liegt für ihn in den ewigen Ideen in Gottes Geist, verfügbar für den Menschen wird sie nur in der vermittelten Erkenntnis des Geistes durch Gott. In der Religion lehnt er die Unterordnung Christi unter Gott Vater ab. Für ihn ist Jesus Gott und Mensch zugleich, der Geist kommt aus Vater und Sohn hervor. Damit steht er im Gegensatz zur griechischen Lehre, bei der der Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgeht. Für ihn besteht Gott aus drei gleichrangigen Personen, in jeder Person ist der ganze Gott anwesend.
Für die Dauer der Welt rechnete er mit einer Zeitspanne von 1000 Jahren zwischen Jesus und dem Jüngsten Gericht, was im Jahre 1000 zur europaweiten Furcht vor dem Ende der Welt führte und danach von der Kirche mühsam uminterpretiert werden musste.
In seiner Lehre von der Prädestination ist der Mensch zum ewigen Leben oder zur ewigen Verdammnis von Gott vorbestimmt. Der einzelne Mensch kann für ihn nur durch Gehorsam der Kirche gegenüber der Hölle entfliehen. In dieser Interpretation verschaffte er im Mittelalter der Kirche ungeheure Macht über das Leben der Gläubigen.
Augustinus ist der Erfinder der Erbsünde, die von Geburt aus auf den Menschen übertragen ist und der man nur durch die Hilfe der Kirche entkommen kann. Alle anderen, auch diejenigen, die versuchen, christlich zu leben, ohne der Kirche angeschlossen zu sein, sind zur ewigen Verdammnis verurteilt. Damit verknüpfte er die Lehre von einer Hölle, in der man endlose Qualen erleiden muss, und er dachte sich das Fegefeuer aus. Augustinus ist Antijudaist, für ihn sind die Juden bösartig, wild und grausam, sie sind Sünder und Mörder. Er legt ihnen als erster Theologe die Schuld am Tode Christi zur Last, ein Gedanke, der das ganze Mittelalter durchzieht und immer wieder in den Begründungen für Judenhass und Pogromen erscheint.
Gegen Häretiker und Schismatiker erlaubt er die Anwendung von Gewalt und empfiehlt die »Bekehrung durch heilsamen Zwang«. Dies war eine willkommene Rechtfertigung für die Handlungen der späteren Inquisition und auch der Eroberungen und Zwangstaufen der Konquistadoren und Kolonialisatoren des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Seine Lehre vom »gerechten Krieg«, den die »Guten« gegen die »Bösen« führen dürfen, wurde bis in jüngste Vergangenheit als Rechtfertigung für Kriege herangezogen.
Neben seinem theoretischen Werk schuf er die ersten Regeln für das Klosterleben, die später durch die Regeln des Benedikt von Nursia ersetzt wurden, aber noch im Hochmittelalter bei den Bettelorden und den Augustiner Chorherren Beachtung fanden.
Augustinus blieb zeit seines Lebens vom Manichäismus beeinflusst, überall in seinem Werk herrscht der Dualismus von Gut und Böse, alles ist ein Kreislauf. Für ihn ist die Masse der Menschen von Geburt an verdammt. In seinem Gottesbild herrschen Strafen und Verdammnis vor. Gott ist grausam und nicht verzeihend, Christus ist nicht der »Freund der Sünder«. Seine Meinung, dass es ohne Kirche kein Heil geben kann und man dieses Heil auch gewaltsam den Menschen vermitteln kann, darf und muss, haben Millionen Menschen mit Qualen und dem Tode bezahlt.
Dennoch ist Augustinus eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die das Mittelalter beeinflusst haben. Ohne ihn ist die mittelalterliche Kirche mit ihren Lehren, ihrem Machtanspruch und ihren Konflikten mit der Weltlichkeit nicht erklärbar.
ROGER BACON
(1214–1292)
Die römische Kirche und ihre klösterlichen Orden hatten