Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters. Reinhard Pohanka

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Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters - Reinhard  Pohanka marixwissen

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Weg des Wissens und der Lehre halten wollten oder konnten, zum Schweigen zu bringen. Das hat auch Roger Bacon erfahren, der zweimal in seinem Leben in ein Kloster verbannt wurde, weil sich seine Lehren und Ansichten, besonders seine Erkenntnisse auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, nicht mit der kirchlichen Doktrin vereinbaren ließen.

      Roger Bacon wurde 1214 als Sohn einer reichen englischen Familie bei Ilchester in Somerset geboren. Einer seiner Brüder wurde Ritter, ein anderer Lehrer. Bacon selbst gibt an, dass er, bevor er dem Orden der Franziskaner beitrat, etwa 2000 Pfund für Bücher und Experimente ausgegeben hat. Das war eine gewaltige Summe zu seiner Zeit, man kann also annehmen, dass seine Familie reich gewesen ist. Wenngleich sie es nicht für immer sein sollte, denn in der stürmischen und bewegten Regierungszeit von Heinrich III. von England mit den Auseinandersetzungen zwischen den Baronen und dem König um die Macht verlor sie einen Großteil des Besitzes, und zahlreiche Familienmitglieder wurden in die Verbannung geschickt.

      Roger Bacon studierte in Oxford, das sich unter dem Einfluss von Robert Grosseteste zu einer der führenden Universitäten in Europa entwickelte, blieb aber beim Studium der freien Künste und beschäftigte sich kaum mit der Theologie, welche die besten Karrierechancen versprach. Er verachtete die Theologie, weil sie sich kaum mit der Philosophie und den Wissenschaften beschäftigte, die seiner Meinung nach notwendig waren, um die Theologie als Ganzes zu verstehen.

      Bacon wirkte bis 1241 als Lehrer in Oxford, dann ging er an die Universität Paris, wo er über Aristoteles lehrte, den man damals in Paris kaum kannte. Um 1250 kehrte er nach Oxford zurück und trat 1252 in den Orden der Franziskaner ein. Dies muss als eine seltsame Entscheidung eines Freigeistes wie Bacon betrachtet werden, der kaum an die strenge Disziplin der Mönche gewöhnt war. Aber für ihn mögen das ruhige Leben in einem Orden und die Möglichkeit, mit Robert Grossetestes Bibliothek in Oxford arbeiten zu können, den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben haben.

      Roger Bacon ging nun daran, eine Zusammenschau aller wissenschaftlichen Erkenntnisse zu schaffen, was seit Aristoteles niemand zuvor gewagt hatte. Er lernte dazu Griechisch, vertiefte sich in Mathematik, Physik, Chemie und Alchemie, beschäftigte sich mit Geografie und führte chemische, physikalische und optische Experimente durch. Sein Ziel war es, mit all dem gesammelten Wissen die Theologie zu reformieren, vielleicht hatte er, beeinflusst von Joachim von Fiore, auch Angst, dass der Antichrist bald auf der Welt erscheinen würde, und sah seine Studien als Weg, der Kirche ein neues Arsenal an wirksamen theologischen Waffen in die Hand zu geben. Er verachtete seine theologischen Kollegen wie den berühmten Franziskaner Alexander von Hales, die allein theoretisch arbeiteten und deren Schriften er als wertlos und ignorant bezeichnete.

      Bis zu einem gewissen Punkt konnten die Franziskaner mit seinen Meinungen mitgehen, aber Bacon wagte sich zu nahe an die Häresie heran. 1257 verbannte man ihn in einen Franziskanerkonvent bei Paris und unterwarf seine Werke einer strengen Zensur. Bacon durfte ohne die Genehmigung der Kirche nicht mehr publizieren.

      Roger Bacon gab aber nicht auf. Er bekam Kontakt zu Kardinal Guy le Gros de Foulques, der sich für seine Ideen interessierte und ihn bat, eine Zusammenschau all seines Wissens zu verfassen. Bacon zögerte zunächst, aber 1265 wurde der Kardinal zum Papst Klemens IV. gewählt und forderte Bacon auf, das Publikationsverbot der Franziskaner zu umgehen und heimlich seine Bücher für ihn zu schreiben.

      1267 sandte Bacon sein erstes Werk, das »Opus Maius«, an den Papst, in dem er sich mit den Wissenschaften auseinandersetzte. 1268 folgte das »Opus Minus« und 1269 das »Opus Tertium«, das aber den Papst, der kurz vorher gestorben war, nicht mehr erreichte.

      Bacon sah ein, dass sein Versuch, eine umfassende Enzyklopädie zu schreiben, nicht mehr realisierbar war, einen zweiten Papst Klemens, der sein Vorhaben unterstützte, würde er nicht mehr finden. Er einigte sich mit seinen Ordensoberen, durfte nach England zurückkehren und weiter lehren und forschen. 1278 fiel er abermals in Ungnade und wurde in Ancona inhaftiert, weil er sich zu intensiv mit der arabischen Alchemie beschäftigt hatte und all die Jahre immer wieder seinen Protest in theologischen Fragen und gegen die Ignoranz und die Unmoral des Klerus eingelegt hatte. Bacon verbrachte zehn Jahre in Abgeschiedenheit und starb 1292, noch immer mit seinen Studien beschäftigt. Da er keine Schule seiner Lehren gründen konnte und kaum Schüler hatte, war er bald nach seinem Tode vergessen.

      Roger Bacon hatte das Anliegen, sich von der Scholastik, die den geistigen Fortschritt allein in der Diskussion überlieferter Texte sah, abzuwenden und neue Erkenntnisse aus den Originalschriften der Antike, wozu er auch die Bibel zählte, und aus wissenschaftlichen Experimenten zu gewinnen. Dazu sollten auch die Theologen Hebräisch und Griechisch beherrschen, weil er gesehen hatte, dass viele der antiken Texte durch schlechte Übersetzungen verfälscht waren, und er meinte, dass jeder Theologe auch Kenntnisse in den Naturwissenschaften erwerben sollte. Aus seinen Studien der Mathematik und der Optik hat er erstaunliche Vorhersagen getroffen, so konnte er sich vorstellen, dass es einmal Mikroskope, große Teleskope, Dampfmaschinen, Fluggeräte und pferdelose Wagen geben würde. Er verfügte über erste Kenntnisse von Schießpulver, konnte aber noch nicht das genaue Mischungsverhältnis angeben. Er schrieb über die Fehler des Julianischen Kalenders und beschäftigte sich mit Astrologie und Astronomie.

      Roger Bacon ist einer der ersten Wissenschafter gewesen, der die Prinzipien des Wissenschaftsbetriebes anwenden und beschreiben konnte. In den Jahren nach seinem Tode fast vergessen, wuchs sein Einfluss in den folgenden Jahrhunderten stetig, und er gilt heute als einer der Begründer der modernen Wissenschaftstheorie und als grundlegender Schöpfer wissenschaftlicher Methodik.

      THOMAS BECKET

      (1118–1170)

      Selten hat ein Mann der Kirche seinem weltlichen Souverän so viel Widerstand entgegengesetzt wie Thomas Becket dem englischen König Heinrich II. Lange Zeit Freunde, wurden sie über die Frage, wieweit der König das Leben der Kirche in England mitbestimmen kann, zu erbitterten Feinden, bis Thomas Becket ermordet auf den Stufen der Kathedrale von Canterbury liegen blieb.

      Thomas Becket stammte aus einer einfachen Familie, die einige Jahre vor seiner Geburt 1118 aus der Normandie nach England gekommen war. Der Legende nach war seine Mutter eine Sarazenin. Seine Eltern dürften begütert gewesen sein, denn der junge Thomas bekam eine ausgezeichnete Erziehung. Er wurde in Merton Abbey unterrichtet und dann zum Studium nach Paris geschickt. Zurück in England fand er eine Anstellung als Sekretär, und um das Jahr 1141 trat er in die Dienste Theobalds, des Erzbischofs von Canterbury. Dieser erkannt das Potenzial in Thomas und sandte ihn nach Bologna und Auxerre, wo er Zivil- und Kirchenrecht studierte. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Diakon geweiht und Erzdiakon von Canterbury.

      Im Jahr 1154 war König Stephan von England gestorben, und sein Cousin und Nachfolger Heinrich II. sah sich nach einem geeigneten Kanzler um, den er in »Thomas von London«, wie Becket genannt wurde, fand. Beide harmonierten ausgezeichnet, hatten Gefallen an Pomp und Luxus, liebten die Jagd und die höfischen Vergnügen und zogen gemeinsam in den Krieg. Becket setzte Reformen im Königreich durch und war als reisender oberster Richter im Königreich unterwegs. 1159 unternahm Heinrich, der als der größte König Englands im Mittelalter angesehen wird und neben Schottland, Irland, England, Wales auch Teile von Frankreich beherrschte und durch seine Heirat mit

Eleonore von Aquitanien auch Herrscher des angevinischen Reiches war, einen Kriegszug gegen Toulouse. Zu dessen Finanzierung griff er tief in die Taschen des Klerus, der bisher von der Besteuerung ausgenommen war. Thomas nahm aktiv am Feldzug teil, kämpfte mit Feuer und Schwert und fand nichts dabei, weite Landstriche Frankreichs zu verwüsten. Privat blieb er bescheiden und vermied all jene Ausschweifungen wie Trinken, Fluchen und den Umgang mit leichten Mädchen, wie er in allen Armeen der Welt vorkommt.

      1161 starb Erzbischof Theobald, und Heinrich wollte Becket an die Spitze der englischen Kirche setzen. Dieser sah aber

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