Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters. Reinhard Pohanka

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Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters - Reinhard  Pohanka marixwissen

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erreicht werden soll. Der Mensch muss erst leer werden und sich dann mit der Liebe Gottes erfüllen lassen.

      Bernhard war von der Idee des Kreuzzuges besessen. Zwar befand sich zu seinen Lebzeiten das Heilige Land noch in christlichen Händen, Edessa war aber 1144 an Sultan Zengi gefallen, und die christlichen Staaten waren von ihren muslimischen Nachbarn bedroht. Der 1. Kreuzzug, der zur Eroberung Jerusalems geführt hatte, war schon fast ein halbes Jahrhundert vorbei. Zwar gingen noch immer die nicht erbberechtigten Söhne der europäischen Ritter ins Heilige Land, um dort ihr Glück zu machen, die große Euphorie des ersten Kreuzzuges hatte sich aber abgeschwächt. Bernhard setzte seine ganze Begabung als Prediger dazu ein, den Kreuzzugsgedanken neu zu entfachen. Jahrelang durchzog er Frankreich und predigte einen neuen Kreuzzug. »Selbst wenn Vater und Mutter dich auf Knien bitten, nicht ins Heilige Land auf Kreuzzug zu gehen, missachte sie und stoße sie zur Seite«, predigte er, denn: »Hier für Christus grausam zu sein ist die höchste Stufe der Seeligkeit.« In seiner »Predigt von Vézeley« 1146 konnte er den französischen König Ludwig VII. und den deutschen Kaiser Konrad III. für seine Idee begeistern, die 1147 zum 2. Kreuzzug aufbrachen.

      Der Kreuzzug war ein Misserfolg. Zwar gelangte ein großes Heer deutscher und französischer Ritter ins Heilige Land, der parallel dazu laufende Volkskreuzzug wurde aber von den Seldschuken aufgerieben. Nach schweren Niederlagen bei Doryleion und Laodikeia konnten die Kreuzfahrer zwar bis Damaskus vorstoßen und die Stadt drei Wochen lang belagern, mussten sich aber wieder zurückziehen. 1149 löste sich das Kreuzfahrerheer auf, ohne Wesentliches bewirkt zu haben.

      Bernhard hat diesen Misserfolg niemals überwunden. Er hatte in seinen Predigten den Aufruf zum 2. Kreuzzug mit Wundern begründet, der Misserfolg, den er nicht verursacht oder zu verantworten hatte, fiel aber nun auf ihn zurück. Er schrieb eine Entschuldigung an Papst Eugen III., und in seinem »Buch über die Betrachtung« nennt er die Gründe für das Versagen des Kreuzzuges, die er nicht in der Uneinigkeit von Ludwig VII. und Konrad III. sah, sondern in den Sünden der Kreuzfahrer und der Juden in Palästina.

      Bernhard starb am 20. August 1153 in seinem Lieblingskloster Clairvaux und wurde in der Abtei von Cluny begraben. Sein Kopf gelangte als Reliquie nach Troyes und befindet sich dort im Domschatz. Er hatte zahlreiche Klöster in ganz Europa gegründet und die Zisterzienser neben den Benediktinern zur größten Ordengemeinschaft in Europa gemacht. Seine besondere Liebe galt der Verehrung Marias, auf ihn geht daher die Weihung aller Zisterzienserkirchen an Maria zurück. 1174 wurde er von Papst Alexander III. heilig gesprochen und 1830 zum Kirchenlehrer ernannt.

      Bernhard blieb sein ganzes Leben ein einfacher Abt, nach höheren Würden hat er nicht gestrebt, obwohl man ihm mehrmals die Bischofswürde angetragen hat. Seine Bedeutung lag im Vorbild, in seiner asketischen Lebensweise, die es ihm ermöglichte, unbeeinflusst zum Ratgeber der höchsten weltlichen und kirchlichen Würdenträger aufzusteigen. In seinem Herzen trug er zeit seines Lebens das klösterliche Ideal, man nannte ihn einen ungekrönten König und den Papst des Zeitalters. Als Ratgeber und Entscheidungsträger hatte er unglaublichen Einfluss, er brachte fast alleine den 2. Kreuzzug auf den Weg, und seine Predigten über das Hohelied sind eine der Hauptquellen der mittelalterlichen Mystik. Bernhard hatte nie die Ämter und Würden der ersten Reihe inne, aber aus seiner Position zu Seiten der Mächtigen prägte er ein Jahrhundert.

      GIOVANNI BOCCACCIO

      (1313–1375)

      Giovanni Boccaccio ist der Begründer der europäischen Prosa-Erzähltradition, der die Gesellschaft des 14. Jahrhunderts mit Witz, Satire und Schärfe, aber auch Liebe und Genauigkeit dokumentierte. Ebenso war er Forscher und Übersetzer und brachte eine Reihe von verloren geglaubten antiken Werke in das Bewusstsein Europas zurück.

      Dabei sollte der Lebensweg Giovanni Boccaccios völlig anders verlaufen. Sein Vater, Giovanni war der uneheliche Sohn des Florentiner Kaufmanns Boccaccio di Chellino aus Certaldo, hatte für den 1313 in Florenz oder Certaldo geborenen Giovanni eine Kaufmannskarriere vorgesehen. Giovanni wuchs in einem Handelshaus in Florenz, der Compagnis di Bardi, auf und wurde mit 14 Jahren nach Neapel in eine Bank zur Lehre geschickt.

      Hier blieb er bis 1340, studierte wenig und beschäftigte sich mehr mit der Literatur. Er fand Gefallen am höfischen Leben in Neapel, das unter Robert von Anjou zu einem Hort der schönen Künste wurde. 1340 kehrte er nach Florenz zurück. Um ein gesichertes Einkommen zu haben, trat er in den Staatsdienst ein, 1345 finden wir ihn in Ravenna und 1347 in Forli, wo er verschiedene Ämter in der Verwaltung innehatte.

      Die Stadt und der Städter als neue Lebensform waren die wichtigsten Inspirationsquellen für Boccaccio. Es muss ihn hart getroffen haben, als 1348 die Pest Italien erfasste, ein Drittel der Bevölkerung auslöschte und besonders die Städte hart traf. In den fünf Jahren nach der Pest schrieb er unter ihrem Eindruck sein Hauptwerk, das Decamerone.

      Hier schildert er die Seuche und den Beschluss von sieben jungen Damen und drei Aristokraten, sich vor der Pest am Lande in Sicherheit zu bringen. Zwei Wochen lang erzählen sie sich jeden Tag zehn Geschichten, ernste, heitere, erbauliche und manchmal auch leicht anrüchige kleine Novellen. Boccaccio hat diese Geschichten nur zum Teil frei erfunden, er greift auch antike, orientalische und mittelalterliche Stoffe auf. Als das Decamerone 1353 erscheint, ist es sofort ein Erfolg, ein erster Druck erfolgte 1470 in Venedig.

      Das Decamerone machte Boccaccio berühmt und Italien auf ihn aufmerksam. Florenz betraute ihn mit diplomatischen Missionen, und er lernte

Francesco Petrarca kennen, der sein weiteres literarisches Wirken entscheidend beeinflussen sollte. Petrarca machte Boccaccio mit den klassischen Texten der Antike vertraut, gemeinsam schufen sie einen Zirkel von Intellektuellen, die sich der Erforschung der griechischen Literatur widmeten. Daneben entdeckte Boccaccio auch
Dante Alighieri für sich, dessen erste Biografie er 1353 verfasste und damit die Begeisterung für Dante in Italien auslöst.

      1360 begann Boccaccio mit dem Studium des Altgriechischen und übernahm einen Auftrag der Universität Florenz, die Ilias und die Odyssee des Homer ins Lateinische zu übersetzen.

      Nach einem 1361 gescheiterten Umsturzversuch in Florenz, bei dem viele Freunde und Bekannte Boccaccios ins Exil getrieben oder hingerichtet wurden, trat er in den Stand der niederen Geistlichkeit ein und wollte seine noch nicht publizierten Werke als zu profan verbrennen, was von Petrarca verhindert wurde.

      Giovanni Boccaccio erkrankte um 1374 schwer durch seine Fettleibigkeit an der Wassersucht. Er musste seine laufende Arbeit, die öffentliche Lesung von Dantes »Göttlicher Komödie« und deren Kommentar an der Universität Florenz, die dem verarmten Dichter einen Dante-Lehrstuhl eingerichtet hatte, abbrechen. Er zog sich nach Certaldo zurück und ist dort 1375 gestorben.

      Giovanni Boccaccio führte die Tradition der hochmittelalterlichen Geschichtenerzähler, die an die Adelshöfe abgewandert waren, weiter. Er wandelte dieses Bild und wurde im Decamerone zum urbanen Schriftsteller, der in Vulgare, der Sprache des Volkes, schreibt. Im Zusammenwirken mit Petrarca wurde er zu einem der ersten Humanisten Europas, er begeisterte sich für die antike Kunst und war einer der Vorreiter der Renaissance in Europa.

      GEOFFREY CHAUCER

      (1340/1345–1400)

      Er ist der Gigant der frühen englischen Literatur und Sprache und erneuerte sie nach einer langen Periode der französischen Dominanz. Seine »Canterbury Tales« sind ein frühes Beispiel einer Erzählform, die er aus Italien von

Boccaccio

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