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»Das kannst du nicht verstehen, Friedel. Mich kannst du nicht verstehen. Das liegt aber nicht an dir – oder es liegt doch an dir, weil du ein Mann bist. Vergessen wir das Ganze, sonst muß ich früher gehen. Wenn du mir weiterhin nachstellst, dann reise ich ab.«
Friedels Griff lockerte sich. Er schaute sie traurig an.
Martina nahm ihr Buch und ging auf ihre Kammer. Sie legte sich auf das Bett und weinte sich in den Schlaf. Es war schon dunkel draußen, als sie aufwachte.
*
In der Küche saß Gertrud Sommerhalder und strickte an einer Trachtenweste.
»Hast lange geschlafen, Tina.«
»Es tut mir leid, Bäuerin. Habt ihr schon gegessen?«
»Nein! Der Friedel ist net da. Der hat mir einen Zettel hingelegt, daß er rauf auf die Berghütte ist. Er wird erst morgen wieder zurück sein. I hab’ mit dem Essen auf dich gewartet. Setz dich!«
»Wenn der Friedel auf die Berghütte ist, dann kann er morgen früh nicht den Stall machen und die Kühe melken. Dann mache ich das, Bäuerin.«
»Wir werden das zusammen machen, Tina. Für dich allein is des zuviel. Tust sehr viel arbeiten, Tina. Selbst heute an deinem freien Tag hast du drauf bestanden, das Mittagessen zu kochen.«
»Das hat mir Spaß gemacht, Bäuerin. Wenn es nicht so wäre, hätte ich es nicht getan.«
»I weiß, Tina, i weiß! Trotzdem machst du zuviel. Du bist net von hier. Du bist die schwere Arbeit net gewöhnt. I will net, daß du krank wirst. Na, vielleicht ist es auch meine Schuld, daß ich dir zuviel zugemutet habe. Siehst richtig blaß aus die letzten Tage, Tina.«
»Mir geht es aber gut, Bäuerin. Mußt dir keine Sorgen machen.«
»Tina, ich bin eine alte Frau. Ich könnte gut deine Mutter sein. Weißt, ich war schon über dreißig, als ich hier als Magd auf den Hof gekommen bin. Dann hat das noch mal drei Jahre gedauert, bis ich Friedels Vater, den jungen Bauern, geheiratet habe. Jetzt ist der Friedel auch schon dreißig Jahre alt. Kannst dir jetzt ausrechnen, wie alt i bin. Mein Mann war viel älter als i, bald zwanzig Jahr. I dacht’ mir, des macht nix. Sein Vater war noch mal zwanzig Jahre älter und noch rüstig und gut beisammen. Doch dann is mein guter Mann noch vor seinem eigenen Vater gestorben. Dann bin i dagestanden mit dem Friedel, dem großen Hof und einem alten Mann, der Pflege brauchte. Da bin i durch eine harte Schule des Lebens gegangen. Was i dir damit sagen will, Tina. I weiß Bescheid, daß es da drinnen ganz anders aussehen kann, wie es außen ausschauen tut. I hab’ Lebenserfahrung – und i sag dir jetzt was. Wenn du mal Kummer hast, dann red’ mit mir. I weiß zwar auch net auf alle Fragen eine Antwort, aber vielleicht hab’ i ja eine Antwort, die dir helfen tut.«
Martina schaute die Bäuerin an und errötete.
»Du trägst doch einen stillen Kummer mit dir rum, Tina. Was ist es?«
»Da ist nichts, Bäuerin«, log Martina die Bäuerin an, ohne ihr dabei in die Augen zu schauen. »Mir geht es gut. Ich war vielleicht heute nachmittag zu lange in der Sonne. Deshalb habe ich so lange geschlafen. Sorgen brauchst dir keine zu machen. Es geht mir gut. Mir gefällt es auf dem Hof. Ich mache die Arbeit gern.«
Die Sommerhalder-Bäuerin sagte nichts mehr. Sie erinnerte sich an die Worte von Anna. Hatte diese damals nicht auch gesagt, daß sie so ein Gefühl hatte? Ein Gefühl, daß etwas mit Tina nicht stimmte. Die Bäuerin erkannte deutlich, daß Martina nicht glücklich war. Sie sagte nichts mehr, nahm sich aber vor, so bald wie möglich einmal mit Anna zu sprechen. Vielleicht wußte Anna doch mehr, als sie damals gesagt hat. Anna war im gleichen Alter wie Martina. Vielleicht gab es die Möglichkeit, daß Anna einmal mit Martina sprach.
*
Anna und Toni saßen zusammen mit dem Alois beim Abendessen, als Friedel auf die Berghütte kam. Er hatte einen hochroten Kopf und war durchgeschwitzt. Anna reichte ihm als erstes klares, kaltes Quellwasser.
»Das tut gut. I bin spät losgegangen in Waldkogel. Da mußt i mich beeilen. Is doch ein weiter Weg hier herauf zur Berghütte. Wollt net in die Dunkelheit kommen.«
»Setz dich, Friedel«, lud ihn Toni ein.
Anna legte noch ein Gedeck auf.
»Wir freuen uns, daß du uns mal besuchst. Sag mal, wie geht es Tina? Wie gefällt es ihr denn bei euch auf dem Hof? Ich habe gedacht, daß sie mal raufkommt.«
»Tina gefällt es gut. Meine Mutter ist ganz glücklich mit ihr. Die beiden verstehen sich gut. Die Tina ist nur a bissel komisch. Aus dem Madl werd i net schlau. Ich wollt sie heut mit ins Forsthaus nehmen. Sie ist aber net mit mir gegangen. Und wandern! Wandern tut sie auch net mehr. Entweder sie sucht sich Arbeit im Haus oder im Stall oder Garten. Tina ist immer beschäftigt. Auch dann, wenn sie ihren freien Tag hat wie heute. Des ist ein sonderbares Madl. Und mir geht sie aus dem Weg.«
Friedel trank einen Schluck Bier.
»Entweder spricht sie nix oder sie ist komisch. I weiß net, woran i bei ihr bin. Grob kann die sein, richtig grob.«
Antonius Baumberger lachte.
»I glaub, die Tina is in dich verliebt, Friedel«, bemerkte Toni.
»Des denk i auch. I hab’ auch schon mit ihr darüber gesprochen. Heut! Aber da kam nix dabei raus. Nur Unsinn hat sie geschwätzt. Davon, daß es im Leben Situationen gäbe, da könnte man net so, wie man wollte und sie wollte mich nicht bloßstellen. Es wäre net gut für mich, wenn man uns zusammen sehen würde. Dann könnte i wieder zum Gespött der Leute werden, wie damals, als mir die Braut fortgelaufen ist. So ein Schmarrn! Und immer wieder betont sie, daß sie wieder geht. Sie muß gehen, des sagt sie immer wieder. Dabei bin i überzeugt, daß sie mich auch ein bissel mag.«
Es war ganz still in der Berghütte. Nur das Knistern des Feuers im Kamin war zu hören. Hilflos schaute Friedel in die Runde. Sie aßen weiter.
»I hab’s daheim einfach nimmer ausgehalten. I dacht’, ich schau mal rauf. Die Tina war doch ein paar Tage hier oben. Könnt ihr denn nix über sie sagen?«
Toni und der alte Alois schauten Anna an.
»Mir kam es auch hier schon so vor, als bedrücke Martina ein stiller Kummer. Erzählt hat sie nichts. Sie war nur viel stiller als junge Frauen so sind. Ich meine im Vergleich zum Beispiel mit Sue, meiner Freundin, oder auch meinen alten Arbeitskolleginnen. Mußt Geduld haben, Friedel. Vielleicht wird das besser mit ihr.«
»Des glaub i net. I mußt ihr versprechen, daß i sie net mehr anschauen tu. So ein Schmarrn, wo wir doch unter einem Dach leben. Sie hat gedroht, daß sie sonst vorzeitig fortgeht.«
Friedel trank einige tiefe Züge aus dem Bierglas. Er wischte sich den Schaum von den Lippen.
»Leut’, i will es euch sagen. Ich bin ganz vernarrt in die Tina. Des ist a prima Madl. Die hat eine ganze liebe Art. Wenn da net was wäre, was sie so komisch sein läßt, dann wär’ des eine gute Sache mit uns. I lieb die Tina wirklich. Meine Mutter kann sie auch sehr gut leiden. I denk’, daß sie auch ganz glücklich auf dem Hof ist. Sie macht ihre Arbeit richtig mit Hingabe und denkt mit, als gehöre sie zur Familie. Doch sie will von mir nix wissen. So sagt sie jedenfalls. Dabei bin ich mir sicher, daß sie mich auch sehr gut leiden kann. Da bin ich mir absolut sicher.«