Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde - Оскар Уайльд

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für angebracht, daß du endlich die schrecklichen Dinge erfährst, die über dich in London geredet werden.«

      »Ich will nicht das mindeste davon wissen. Ich habe Tratsch über andere Leute recht gern, aber Tratsch über mich interessiert mich ganz und gar nicht. Es hat nicht mal den Reiz der Neuheit.«

      »Es muß dich interessieren, Dorian. Jeder anständige Mensch ist an seinem guten Ruf interessiert. Du darfst doch nicht die Leute von dir reden lassen, wie von einem gesunkenen und abscheulich lasterhaften Menschen. Natürlich hast du deine Stellung, deinen Reichtum und all dergleichen. Aber Stellung und Reichtum sind nicht alles. Auf mein Wort, ich glaube von diesen Gerüchten nichts. Wenigstens kann ich ihnen nicht glauben, wenn ich dich sehe. Die Sünde steht jedem Menschen auf der Stirn geschrieben. Man kann sie nicht verhehlen. Die Menschen schwatzen manchmal von geheimen Lastern. So etwas gibt es nicht. Wenn ein unseliger Mensch ein Laster hat, so zeigt sichs in den Linien seines Mundes, in seinen herabgesunkenen Augenlidern, selbst in der Form seiner Hände. Jemand – ich will seinen Namen nicht nennen, aber du kennst ihn – kam voriges Jahr zu mir und wollte sich malen lassen. Ich hatte ihn nie vorher gesehen und damals nie etwas von ihm gehört, seitdem aber hat man mir eine Menge von ihm erzählt. Er bot mir einen fabelhaften Preis an. Ich habe abgelehnt. An der Form seiner Finger war etwas, das mir ekelhaft war. Jetzt weiß ich, daß ich mit meiner Vermutung über ihn ganz recht hatte. Sein Leben ist fürchterlich. Aber von dir, Dorian, mit deinem reinen, leuchtenden, unschuldigen Gesicht und deiner wunderbaren unberührten Jugend – ich kann nicht das Häßliche glauben, das man gegen dich vorbringt. Und doch, ich sehe dich jetzt so selten, und du kommst gar nicht mehr in mein Atelier, und wenn ich nicht mit dir zusammen bin und alle die abscheulichen Dinge höre, die sich die Leute über dich zuflüstern, dann weiß ich nicht, was ich sagen soll. Woher kommt es, Dorian, daß ein Mann wie der Herzog von Berwick aufsteht und das Klubzimmer verläßt, wenn du eintrittst? Warum wollen so viele Männer in London nicht zu dir kommen und dich niemals zu sich einladen? Du warst doch mit Lord Staveley befreundet. Ich traf ihn vorige Woche bei einem Diner. Dein Name tauchte zufällig im Gespräch in Verbindung mit den Miniaturen auf, die du der Dudley-Ausstellung hergeliehen hast. Stavelen verzog die Lippen und sagte, es mag ja sein, daß du einen äußerst künstlerischen Geschmack habest, aber du seist ein Mann, den kein reines Mädchen kennenlernen solle und mit dem keine anständige Frau im selben Zimmer sein dürfe. Ich gab ihm zu verstehen, daß ich dein Freund sei, und fragte ihn, was er damit meine. Er sagte es mir. Er sagte es mir vor allen Leuten geradeheraus. Es war scheußlich! Warum ist deine Freundschaft für junge Männer solch ein Unglück? Da war der unselige Bursch in der Leibgarde, der Selbstmord begangen hat. Du warst sein bester Freund. Da war Sir Henry Ashton, der England mit einem besudelten Namen verlassen mußte. Du und er, ihr beide wart unzertrennlich. Wie ist es mit Adrian Singleton bestellt und seinem furchtbaren Ende? Was war das mit dem einzigen Sohn Lord Kents und seiner Karriere? Ich traf seinen Vater gestern in St. James Street. Er schien vor Schande und Herzleid gebrochen. Was hattest du mit dem jungen Herzog von Perth? Was für ein Leben führt er jetzt? Welcher Gentleman wollte noch mit ihm Umgang haben?«

      »Hör auf, Basil, du sprichst von Dingen, von denen du nichts weißt«, sagte Dorian Gray, der sich auf die Lippen biß und in seine Stimme einen Ton unsäglicher Verachtung legte. »Du fragst mich, warum Berwick aus dem Zimmer geht, wenn ich eintrete. Er tut das, weil ich sein Leben durch und durch kenne, nicht weil er etwas von mir wüßte. Wie könnte er bei dem Blut, das in seinen Adern rollt, nicht viel auf dem Kerbholz haben? Du fragst mich nach Henry Ashton und dem jungen Perth. Habe ich dem einen seine Laster, dem anderen seine Ausschweifungen beigebracht? Wenn sich Kents schwachköpfiger Sohn sein Weib von der Straße holt, was gehts mich an? Wenn Adrian Singleton den Namen seines Freundes auf einen Wechsel schreibt, bin ich sein Hüter? Ich weiß, wie die Leute in England klatschen. Die Mittelklassen spreizen sich bei ihren endlosen Diners mit ihren moralischen Vorurteilen und munkeln von etwas, das sie die Ausschweifungen derer nennen, denen es besser geht, und um sich damit zu brüsten, daß sie in der feinen Gesellschaft verkehren und intim mit den Leuten sind, die sie durchhecheln. Bei uns zulande genügt es, daß einer Vornehmheit und Geist hat, damit sich jede gemeine Zunge an ihm wetzt. Und was für eine Art Leben führen denn diese Menschen selber, die sich so auf die Moral hinausspielen? Mein lieber Junge, du vergißt, daß wir in der Heimat der Heuchelei leben.«

      »Dorian,« rief Hallward, »darum handelt sich's nicht. Wie schlecht es um England bestellt ist, weiß ich selbst und wie die englische Gesellschaft verrottet ist. Gerade deshalb wünsche ich, daß du gut bleibst. Du bist nicht gut geblieben. Man hat ein Recht darauf, einen Menschen nach der Wirkung zu beurteilen, die er auf seine Freunde ausübt. Deine Freunde scheinen alles Gefühl für Ehre, für Anstand, für Reinheit zu verlieren. Du hast sie mit einer wahnsinnigen Genußsucht erfüllt. Sie sind tief gesunken. Ja: und du hast sie da hinabgeführt, und doch kannst du lächeln, und du lächelst jetzt noch. Und es gibt noch viel Schlimmeres. Ich weiß, du und Harry seid unzertrennlich. Schon aus diesem Grunde, wenn aus keinem anderen, hättest du den Namen seiner Schwester nicht zum Spott machen dürfen!«

      »Nimm dich in acht, Basil. Du gehst zu weit.«

      »Ich muß sprechen, und du mußt mich hören. Als du Lady Gwendolen kennenlerntest, hatte sie noch nicht der leiseste Hauch übler Nachrede berührt. Gibt es jetzt eine einzige anständige Frau in London, die mit ihr im Park spazieren fahren würde? Ja, nicht einmal ihre Kinder dürfen bei ihr wohnen. Dann gibt es andere Geschichten – Geschichten, daß man dich gesehen hat, wie du in der Dämmerung aus schrecklichen Häusern herausgeschlichen bist, daß du dich verkleidet in den niederträchtigsten Kneipen Londons herumtreibst. Ist das wahr? Kann das wahr sein? Als ich das erstemal so etwas hörte, lachte ich. Jetzt höre ich es mit Schaudern. Wie steht es mit deinem Landhause und dem Leben, das dort geführt wird? Dorian, du weißt nicht, was man über dich spricht. Ich will dir das nicht vorhalten, ich will dir keine Predigt halten. Ich erinnere mich, daß Harry einmal gesagt hat, jeder Mensch, der sich als Moralprediger versuchen will, fängt damit an, daß er sagt, er wolle nicht predigen und dann sein Wort bricht. Ich will dir also eine Predigt halten. Ich möchte dich ein solches Leben führen sehen, daß die Welt Achtung vor dir haben soll. Ich will, daß du einen reinen Namen und einen guten Ruf hast. Ich will, daß du dich von den gräßlichen Menschen losmachst, mit denen du jetzt fraternisierst. Zucke nicht mit den Achseln. Sei nicht so gleichgültig. Du hast einen mächtigen Einfluß. Laß ihn zum Guten und nicht zum Bösen wirken. Man sagt, du verderbest jeden Menschen, mit dem du intim wirst, und es sei völlig hinreichend, daß du ein Haus betrittst, damit dir Schande irgendeiner Art auf dem Fuße folge. Ich weiß nicht, ob dem so ist oder nicht. Wie sollte ich's auch wissen? Aber man sagte es von dir. Man sagte mir Dinge, die ich unmöglich länger anzweifeln kann. Lord Gloucester war einer meiner liebsten Freunde in Oxford. Er hat mir den Brief gezeigt, den ihm seine Frau geschrieben hat, als sie allein in ihrer Villa in Mentone auf dem Sterbebette lag. Dein Name war da in die fürchterlichste Beichte verwickelt, die ich je gelesen habe. Ich sagte ihm, daß es Tollheit wäre, daß ich dich durch und durch kennte und daß du zu irgend etwas Derartigem unfähig wärest. Kenne ich dich? Ich frage mich, kenne ich dich? Bevor ich darauf antworten kann, müßte ich deine Seele sehen.«

      »Meine Seele sehen«, murmelte Dorian Gray, stand vom Sofa auf und wurde beinah weiß vor Angst.

      »Ja,« antwortete Hallward ernst und ein tiefschmerzlicher Klang zitterte in seiner Stimme – »deine Seele sehen. Aber das kann nur Gott.«

      Ein bitter-höhnisches Gelächter brach aus dem Munde des Jüngeren. »Du sollst sie selbst sehen, noch heute nacht!« rief er aus und nahm eine Lampe vom Tisch. »Komm: sie ist das Werk deiner eigenen Hand. Warum solltest du es nicht sehen? Du kannst nachher aller Welt davon erzählen, wenn du willst. Niemand würde dir glauben. Wenn sie dir glaubten, haben sie mich deswegen nur um so lieber. Ich kenne unsere Zeit besser als du, obwohl du darüber so langweilig faseln kannst. Komm, sag' ich dir. Du hast genug über Verderbnis geschwatzt. Jetzt sollst du sie von Angesicht zu Angesicht sehen.«

      In jedem Wort, das er sprach, klang der Wahnsinn des Hochmuts. Er stampfte in seiner knabenhaften, dreisten Art mit dem Fuß auf die Dielen.

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