Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit. Norbert Wolf
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FIN DE SIÈCLE UND JUGENDSTIL (UM 1900)
Jahrhundertende, Jahrhundertbeginn: Geburt eines neuen Stils. »Jugendstil« nannte man ihn in Deutschland, »L’Art Nouveau« in Frankreich und Belgien, »Modern Style« in England, »Stile Liberty« in Italien, »Stile moderniste« in Spanien, »Sezessionsstil« sagte man in Österreich. Eine internationale Rebellion der späten achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts war es gegen die erstarrten Traditionen der Kunstakademien. Neue, fließende, organisch geschwungene Formen, der Natur abgeschaut und dann dekorativ stilisiert, neue Inhalte, auf menschliche Kreativität bezogen, die Verschmelzung von Kunst, Industrie, Handwerk und Leben – das waren die Ziele von jungen Malern, Grafikern und Architekten. Das alle Gattungen übergreifende Gesamtkunstwerk wurde zu ihrer Leitvorstellung: Von der Baukunst über die Malerei zu Graphik, zu Plakat und Buchkunst, von Möbeln und sonstigen Inneneinrichtungen bis zu Mode und Schmuck erstreckte sich das Repertoire. Deswegen suchte man die Aufhebung der Grenzen von Kunsthandwerk, Design und »hoher« Kunst.
Die Jugendstil-Malerei (zum Beispiel Gustav Klimt in Wien oder der freilich auch dem Symbolismus zugerechnete einflussreiche Franz von Stuck in München, ebenfalls der auch als Maler tätige belgische Architekt und Designer Henry van de Velde) und -Graphik, die sich, oft in enger Verwandtschaft mit dem Symbolismus, in den Neunzigerjahren rasch ausbreitete, hielten bei allen Unterschieden im Einzelnen in der Regel an der Flächigkeit des Bildaufbaus, der Betonung der Silhouettenwirkung, der Vereinfachung der Formen, der Reduzierung des Kolorits auf wenige klare Töne und an der Dominanz der Linie fest. Viele dieser Merkmale gingen in der Moderne des 20. Jahrhunderts fast nahtlos in den frühen abstrakten Expressionismus eines Kandinsky über und mündeten vor allem in das Art Déco der Zwanziger- und Dreißigerjahre.
DER FAUVISMUS (1905–1911)
1905 provozierte eine Schar junger Künstler das inzwischen an Impressionismus und Pointillismus gewöhnte Pariser Publikum. Ein Kritiker nannte sie »les Fauves«, die »Wilden«; allen voran Henri Matisse, Georges Rouault, Maurice Vlaminck und André Derain. Ein Jahr später komplettierten unter anderen Georges Braque und Raoul Dufy den freilich recht kurzlebigen Fauvismus.
Die Eigenheit der Fauves darf man zusammenfassen als eine farbenreiche, großflächige und aufs abstrahierende Vereinfachen bedachte Malerei. Zumeist ist das aus ungemischten Tönen zusammengesetzte Kolorit von höchster Intensität. Die Farbe ist nicht länger an die Aufgabe naturalistischer Dingbeschreibung gebunden und vermag deshalb die Kraft ihres Ausdrucks ungeheuer zu steigern. Manchmal fassen straffe Linien die Farbflächen zusammen, oft verlaufen sie aber locker und approximativ, so dass nicht immer eine systematische Umrandung entsteht: Sie dienen eher der markanten Hervorhebung als der Isolierung. Die Faszination, die die schwarzafrikanische und ozeanische Kunst auf die Repäsentanten dieses Stils ausübte, bestärkte die Fauves in dem Ziel, mit scheinbar einfachsten Mitteln dekorative Reize zu erzeugen. Wenn der Bildrhythmus es notwendig machte, griff man zur Deformation, gleichermaßen zur »Irrealität« von Raumbeziehungen.
DER EXPRESSIONISMUS (1905ff.)
1905 gründeten Fritz Bleyl, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff in Dresden die Künstlergruppe »Die Brücke«. 1906 schloss sich Max Pechstein der Gruppe an sowie Emil Nolde, der aber nach eineinhalb Jahren wieder austrat. 1910 stieß Otto Mueller hinzu. Sie alle gaben sich vor allem postimpressionistischen und fauvistischen Eindrücken hin und solchen, die sie vor mittelalterlichen Holzschnitten gewannen. Und sie alle waren fasziniert von der Kunst der Südseevölker und Schwarzafrikas. Die massiven Konturen, der eckige Figurentypus, die maskenhaften Gesichter und die lebhafte Haltung der Gestalten in ihren Bildern rühren zum Teil daher. 1911 ging die Gruppe nach Berlin. Herwarth Walden hatte hier eben die Galerie »Sturm« gegründet und mit der Herausgabe der gleichnamigen Zeitschrift begonnen. Einer der Redakteure war Oskar Kokoschka, der, zusammen mit Egon Schiele, maßgeblich den österreichischen Expressionismus repräsentiert.
Die süddeutsche Version des Expressionismus bildete der »Blaue Reiter« in München, der sich 1911 um Wassily Kandinsky und dessen Freundin Gabriele Münter, um Franz Marc und den Grafiker Alfred Kubin gruppierte. Auch August Macke beteiligte sich. In Marcs Artikel »Die neue Malerei«, erschienen im März 1912 in der Zeitschrift »Pan«, ist die Forderung erhoben, die innere, geistige Seite der Natur malerisch aus den Fesseln des Sichtbaren zu lösen. Es war Kandinsky, der dies tat, indem er als einer der ersten europäischen Künstler den Weg zur Abstraktion einschlug.
1924 schlossen sich Lyonel Feininger, Kandinsky, Paul Klee und Alexej von Jawlensky zur Gruppe »Die Blauen Vier« zusammen, die Ideen aus der Münchner Zeit an das »Bauhaus« weiterreichten. Zwar war der Expressionismus in erster Linie der kardinale Beitrag der deutschen Kunst zur Moderne, seine Tendenzen fanden aber durchaus auch in Belgien und den Niederlanden und mit den Malern Georges Rouault und Chaim Soutine auch in Frankreich Parallelen.
Aus den »Stahlgewittern« des Ersten Weltkrieges ging nicht der vom Expressionismus ersehnte »neue Mensch« hervor, vielmehr zog eine geschlagene Armee heimwärts in eine durch Hunger und Inflation erschütterte Republik. Otto Dix, Max Beckmann und George Grosz, die alle vom Expressionismus ausgingen, um sich dann dem Dadaismus, schließlich dem Verismus zuzuwenden, setzten sich intensiv und stets gegenstandsbezogen mit der schockierenden Realität der menschlichen Wracks, der Kriegskrüppel und Kriegsgewinnler, der Huren und neuen Demagogen auseinander.
KUBISMUS UND ORPHISMUS (1907ff.)
Den Auftakt zum Kubismus gab, so zumindest die verbreitete Ansicht, ein einziges Bild: Pablo Picassos 1907 vollendetes Schlüsselwerk der Moderne Les Demoiselles d’Avignon (New York, Museum of Modern Art). Es zerstörte nicht nur radikal alle bisherigen Sehgewohnheiten, es bot über alle Provokation hinweg auch die programmatische Möglichkeit, innovative Formprobleme anzugehen. 1907 lernte Picasso Georges Braque kennen. Dieser stellte 1908 in der Pariser Galerie Kahnweiler geometrisch vereinfachte Bilder aus, für die ein Kritiker die Bezeichnung »Cubes« verwendete. Der Kubismus hatte seinen Namen gefunden.
Der bis 1912 dauernde sogenannte »Analytische Kubismus« verschmolz in einer von mehreren Seiten zugleich gebotenen Ansicht der Dinge Form und Raum zu einem System aus Facetten, das das Gegenständliche schon weitgehend auflöste und abstrahierte. An die Stelle früherer Perspektivik trat ein Gefüge einander sich durchdringender und überschneidender Flächen. Die Farbe verzichtete auf atmosphärische Wirkungen und beschränkte sich auf eine braun-grau-blaue Grundskala. 1911 fügten Picasso und Braque auch Zahlen, Wortfragmente usw. in ihre Kompositionen ein.
Die Fortsetzung des analytischen, der »Synthetische Kubismus«, begann 1912. Seine wichtigste Innovation betraf die Anwendung der Collage: Braque klebte 1912 erstmals ein »papier collé«, ein Tapetenstück, als Realitätsfragment in ein Früchtestillleben ein. Die mit Abstand wichtigsten Künstler, die inzwischen zu den Kubisten gestoßen waren, sind Juan Gris und Fernand Léger.
Schon 1911 war jedoch eine weitere Version des Kubismus ins Leben getreten, der Orphismus von Robert Delaunay. Der für die Klassische Moderne so immens einflussreiche Delaunay ging vom Kubismus aus, doch störte ihn das Marginale der Motive, an denen dessen Formzersplitterung exemplifiziert wurde. Ihn zogen die Bewegungsstrukturen der Großstadt, ihre Simultaneität, das elektrische Licht, neue Zeit- und Raumperspektiven in Bann, die er in eine dynamische, exquisite, zunehmend abstrahierte Farbmalerei einfließen ließ.
DER FUTURISMUS (1909ff.)
Auch der italienische Futurismus liebte die Straße,