Quer durch Afrika. Gerhard Rohlfs

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Quer durch Afrika - Gerhard  Rohlfs Edition Erdmann

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Regen- und Schneezeit – Schnee ist nämlich in einer Höhe von dreitausend Fuß im Winter nichts Seltenes – gefüllt und nachher sorgfältig verschlossen gehalten werden, damit das Wasser nicht von Unbefugten vergeudet wird.

      Von Ksebah aus folgten wir dem Lauf eines Uadi, des Sseggiatel-fers, dann ging es erst in südöstlicher, hierauf in südlicher Richtung stark bergab. Wir befanden uns im Quellgebiet des bedeutenden Flusses Sufedjin, der einen großen Teil der Gewässer des Ghorian-Gebirges in seinem Bett sammelt und zur Syrte hinabführt. Die ganze Landschaft heißt Gedama. Ihr Boden ist großenteils kulturfähig, da er in der Regenzeit geackert werden kann.

      Einen seltsamen Aberglauben der Kameltreiber sollte ich am selben Abend kennenlernen. Sie gebärdeten sich wie außer Sinnen vor Freude, da ein kleiner Vogel in mein Zelt geflogen kam und sich mir zutraulich auf die Schulter setzte. »Es ist ein Marabut«, riefen sie, »auch du musst ein Marabut sein, du verstehst sicher wie unser gnädiger Herr Sliman (Salomon) die Sprache der Tiere.« Die Ursache dieser außergewöhnlichen Zutraulichkeit erklärte sich indes auf ganz natürliche Weise: Das arme Vögelchen litt heftigen Durst, es war fast verschmachtet, und sobald es von dem ihm vorgesetzten Wasser gierig genippt hatte, flog es scheu wieder auf und davon. In der Sahara folgen häufig kleine Vögel, namentlich Sperlinge, tagelang einer Karawane, um die Brosamen und Speisereste aufzupicken und an den Tropfen einer Girba (Wasserschlauch) ihren Durst zu löschen. Kommen einem nach langer Wüstenwanderung Sperlinge oder Schwalben entgegen, so ist sicher eine Oase nicht mehr fern, und man kann bald wie der Schiffer auf hohem Meer rufen: »Land! Land!«

      Wir überschritten ein kleines Flussbett, dessen Name mir entfallen ist, und zogen durch den Chorm el-Bu-el-Oelk. Alle Namen haben hierzulande irgendeine Bedeutung; dieser würde auf Deutsch lauten: »Engpass des Vaters der Blutegel«. Ich erkundigte mich, weshalb man dem Engpass einen Namen gegeben, mit dem sich doch notwendig die Vorstellung von Wasser verknüpft, da Blutegel nicht zwischen heißem Gestein ihren Aufenthalt haben; aber niemand konnte mir die Frage beantworten.

      Fünf Kilometer östlich von dort ist der Brunnen Kischa, mit recht gutem Trinkwasser; wir hatten jedoch noch mehrere Schläuche voll Wasser, brauchten daher nicht vom Weg abzuweichen. Wir passierten ferner den Chorm el-Orian (nackter Engpass) und langten endlich, nachdem wir noch verschiedene Rinnen des Sufedjin durchschritten hatten, um drei Uhr nachmittags vor Misda an.

      Misda besteht aus zwei nur durch einige Hundert Schritte voneinander getrennte Ortschaften: Misda fukani, das obere im Westen gelegene, und Misda tachtani, das untere im Osten gelegene. Beide Ortschaften sind klein und zählen nach eigenen Angaben nicht mehr als je hundert waffenfähige Männer, also höchstens je fünfhundert Einwohner. Ihr hauptsächlichster Erwerbszweig ist der Karawanenbetrieb auf den Straßen nach Rhadames einerseits und nach Mursuk andererseits, besitzen sie doch in den reichlichen Weiden, welche der Sufedjin bietet, die Mittel zu einer guten und ausgiebigen Kamelzucht. Der Mietpreis für die Kamele wird hier nicht wie in Tuat und den westlichen Teilen der Sahara nach dem Gewicht der Ladung berechnet, sondern man mietet einfach so und so viele Kamele für die bestimmte Tour. In der Regel kostet ein Kamel nach Fesan sieben Mahbub, nach Rhadames fünf Mahbub. Die Miete nach letzterem Ort ist deshalb verhältnismäßig teurer, weil auf der ganzen Strecke zwischen Misda und Rhadames sich sehr wenig Wasser befindet, die Tiere also viel zu leiden haben.

      Einige kleine Gärten um Misda liefern Zwiebeln, Tomaten, roten Pfeffer, Kürbisse und Wassermelonen; doch ist im Ganzen der Boden wegen seines allzu großen Kalkgehalts eben nicht sehr zur Gartenkultur geeignet, auch die wenigen Palmen, die um Misda herum wachsen, sehen traurig aus.

      Gleich bei meiner Ankunft gab es ärgerliche Händel. Einer meiner Diener war vorausgelaufen, und während er aus einem Brunnen trank, hatte ein in der ganzen Gegend berüchtigter Räuber namens Omar-Bu-Cheil sich herangeschlichen und ihm sein Doppelgewehr, das er aus der Hand gelegt hatte, entwendet. Dieser Räuber nebst einem Spießgesellen wurde zu der Zeit von den Misdani beherbergt und verpflegt, wogegen seine Bande, welche das Gebiet zwischen dem Gebirge und Ghorian mit ihren Überfällen heimsuchten, den Ort verschonen musste. Vergebens hatte die türkische Regierung einen Preis auf seinen Kopf gesetzt, vergebens mehrere Male Soldaten ausgeschickt, um ihn zu fangen oder zu töten; denn die Gebirgsbewohner wagten nicht, die verborgenen Schlupfwinkel des Gefürchteten zu verraten. So zog er sich auch jetzt unangefochten mit der gestohlenen Flinte in die Moschee des unteren Ortes zurück, wo er sein Quartier aufgeschlagen hatte, während seine zwanzig Mann starke Bande irgendwo auswärts mit einem Raubzug beschäftigt war. Ich schickte meinen Diener Hammed zu ihm und ließ ihm sagen, die Flinte gehöre mir, er solle sie sofort herausgeben. Er verlangte aber ein Lösegeld von fünf Talern. Es blieb mir also nichts übrig, als mich an die Medjeles (die Rats- oder Vorsteherversammlung) des Ortes zu wenden und ihnen zu erklären, sie seien haftbar für die Sicherheit meines Eigentums, und falls sie mir die Flinte nicht zurückschafften, würde ich Soldaten vom Kasr Ghorian kommen lassen; der Ort würde dann dafür büßen müssen, dass er einem notorisch bekannten Räuberhauptmann Schutz gewährt habe. Das wirkte. Aber erst nachdem sie ihrerseits bis zum Abend mit Omar-Bu-Cheil verhandelt und ihm schließlich drei Taler bezahlt hatten, gab er die Flinte heraus. Der Räuber war frech genug, anderntags selbst in mein Zelt zu kommen und mir anzubieten, wenn ich noch zwei Taler hinzufügte, könnte ich ganz sicher die Gegend bis Rhadames mit meiner Karawane durchziehen. Ohne ein Wort zu erwidern, zeigte ich ihm meine Waffen; ein Lefaucheux mit achtzehn Schuss und ein Stutzen mit neun Schuss machten denn auch den beabsichtigten Eindruck auf ihn. Übrigens ersetzte ich, nachdem mein Zweck erreicht war, den Misdani die bezahlten drei Taler und machte außerdem dem frommen Chef ein Geschenk, damit kein Zweifel an meiner Rechtgläubigkeit aufkam.

      Noch eine andere große Unannehmlichkeit hatte ich in Misda zu bestehen. Ich musste hier frische Kamele mieten, und da die Besitzer keine Konkurrenz zu fürchten hatten, forderten sie die unverschämtesten Preise. Es war, als ob sich alle gegen mich verschworen hätten. Glücklicherweise fand ich in dem Mudir (Ortsvorsteher) einen vernünftigen Mann, der seine Mitbürger endlich bewegte, auf den üblichen Preis von fünf Mahbub (ein Mahbub ist etwas mehr als ein Taler) herabzugehen. Nun erhoben sie aber wieder neue Einwände. Sie behaupteten, die Ladungen seien zu schwer, und ich konnte ihren Nörgeleien nur dadurch ein Ende machen, dass ich einiges von dem Gepäck auf meine eigenen Kamele überlud.

      Am 2. Juni um fünf Uhr nachmittags verließen wir Misda, legten aber bis zum Abend nur noch zwei Stunden zurück und lagerten, in einer reichlich mit Kamelfutter bestandenen Gegend, mitten im Flussbett des Sufedjin. Ich musste nachts im Freien schlafen, denn der Lehmboden war, obschon bewachsen, von der Sonnenhitze so hart gebrannt, dass die eisernen Pfosten meines Zeltes sich nicht tief genug hineintreiben ließen.

      Früh um fünf Uhr zogen wir weiter. Schon um neun Uhr vormittags nötigte uns die furchtbare Hitze, Rast zu machen; weder die Kamele noch die Treiber konnten der Sonnenglut länger widerstehen. Meinem weißen Araberhund, einem Spitz, mussten wegen des brennend heißen Erdbodens Sandalen angelegt werden: Eine ebenso schwierige wie gefahrvolle Operation, da er äußerst bissig war und sich von niemand berühren ließ; nur mit List gelang es endlich, ihm das Maul zuzubinden, worauf die Sandalen an seinen Beinen befestigt wurden. Später brachte ich ihn dahin, dass er während des Marsches auf dem Rücken eines Kamels Platz nahm. Er war außerordentlich wachsam, sowohl bei Tag wie bei Nacht, und deshalb unentbehrlich für unsere Karawane.

      Bis halb drei Uhr »gielten« wir – ich bediene mich dieses undeutschen Ausdrucks und werde ihn noch öfters brauchen müssen, weil es für das arabische »geila«, d. h. während der heißesten Tageszeit lagern, kein Wort in unserer Sprache gibt –, dann wurde der Tagesmarsch in Richtung 200 Grad fortgesetzt. Beim Austritt aus dem Uadi Fessano gelangt man auf ein ausgedehntes Plateau mit derselben Vegetation wie in den Tälern. Hier wohnen die Uled Mschaschia, welche Schaf- und Kamelzucht treiben. Die Gegend ist reich an Gazellen, Hasen, Kaninchen, auch Schakalen und Hyänen, und im Gebirge Kaf-Masusa, das wir südöstlich in etwa fünfzehn Kilometer Entfernung erblickten, sollen noch viele Antilopen hausen. Wir kamen an einem großen Duar (Zeltdorf) der Uled Mschaschia vorbei und wurden von den Bewohnern gastfreundlich

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