G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

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G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон

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dieser Absicht zielte er weniger auf den Körper des Marquis und mehr gegen seinen Hals und Schädel. Anderthalb Minuten später – fuhr seine Spitze dem andern in den Hals unter der Kinnlade. Und – – kam ohne einen Tropfen Blut heraus. Halb verrückt stieß er noch einmal zu und erzielte etwas, das eine große blutige Schramme auf der Wange des Marquis machen sollte. Und dann war – – absolut nichts von einer großen blutigen Schramme.

      Für einen Augenblick wurde der Himmel für Syme wieder einmal schwarz von außernatürlichen Schrecken. Dieses Menschen Leben war behext – behext! Aber dieser neue Geisterschreck war ein viel scheußlicherer als jene kleine Geisterkasperliade vom Paralytiker als Polizeihund. Der Professor war bloß ein Kobold gewesen, dieser Mann aber war ein Teufel – und am Ende gar der Teufel in Person! Auf jeden Fall stand dieses fest, daß dreimal eine menschliche Klinge ihn tief durchbohrte und dennoch kein einziges Mal ein Zeichen hinterließ. Wie Syme sich das so dachte, stand etwas auf in ihm und reckte ihn hoch, und alles Gute in ihm, das sang hell auf, so wie ein Wind hell im Baume singt. Und er dachte fest an alle natürlichen Dinge in diesem seinem Abenteuer – an die chinesischen Laternen in Saffron Park, an das rote Haar der Schwester im Garten, an die ollen ehrlichen biertrinkenden Seeleute unten bei den Docks und an seine treuen Kameraden, die ihm zur Seite standen. Vielleicht war er von all jenen frischen und kindlichen Dingen zum Kämpen auserwählt – nun eine Klinge zu kreuzen mit dem Feind aller Schöpfung. »Schließlich und endlich«, sprach er bei sich selber, »bin ich mehr als ein Teufel; denn ich bin ein Mensch. Und kann ein Ding tun, das Satan selber nie zu tun vermöchte – kann sterben« – und wie ihm diese Worte durch den Kopf sangen, hörte er mit einemmal ein schwaches fernes Geheul – – der Pariser Zug!

      Und er fiel neu aus und focht mit einer übernatürlichen Leichtigkeit – gleichwie ein Mohammedaner, der nach dem Paradiese lechzt. Und wie der Zug jetzt nah und näher und immer näher kam, bildete er sich ein, er sähe, wie man zu Paris Blumenpforten aufbaue … und das Näherbrausen wurde ihm zur Glorie der großen Republik, deren Eingang er (mit flammendem Schwert) gegen die Hölle verwahrte. Und der vielträchtige Bauch seiner Phantasie schwoll und schwoll just in dem Maße, in dem der Zug donnernd und donnernder anfuhr – und all das endigte und krönte sich so herrlich in einem langen durchdringenden Pfiff – – der Zug hielt.

      Und plötzlich – zum hellsten Entsetzen jedermanns – sprang der Marquis weit aus allem Gefechtsfeld und schmiß seinen Degen weg. Und der Sprung, der war ein wundervoller, und nicht zum wenigsten wundervoll, indem Syme einen Moment vorher seine Klinge in des Mannes Oberschenkel versenkt hatte.

      »Halt!« rief der Marquis mit einer Stimme, daraus eine augenblickliche Unterwerfung flehte. »Ich möchte etwas sagen.«

      »Was ist los?« fragte Colonel Ducroix und starrte ihn an. »War da ein regelwidriger Stoß?«

      »Ja, da war irgend etwas wider die Regel«, sprach Dr. Bull – und war ein wenig blaß. »Unser Duellant hat den Marquis wenigstens viermal verwundet, und es ist gerad als wär gar nichts gewesen.«

      Der Marquis hob die Hand auf – mit einer plötzlichen grausigen Duldermiene.

      »Bitte, ich will sprechen«, sprach er. »Und zwar etwas einigermaßen Bedeutsames. Mr. Syme«, fuhr er fort und wandte sich an seinen Gegner, »wir kämpfen heute, weil Sie (wenn ich mich recht erinnere) einen Wunsch ausdrückten (den ich für albern hielt), nämlich diesen: mich an der Nase zu ziepen … Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mich jetzt so schnell wie möglich an der Nase ziepen wollten. Ich muß nämlich – – noch einen Zug erreichen.«

      »Ich protestiere. Das ist sehr wider die Regel«, sprach Dr. Bull entrüstet.

      »So was ist gewiß noch nicht dagewesen«, sprach Colonel Ducroix und sah gedankenvoll auf seinen Duellanten. »Es ist ja wohl, denk ich, ein Fall (Kapitän Bellegard und Baron Zumpt) denkwürdig, bei dem die Waffen mitten im Zweikampf auf Verlangen des einen der Kombattanten gewechselt wurden. Aber eine Nase kann man schwerlich eine Waffe nennen.«

      »Wollen Sie mich nun an der Nase ziepen oder nicht?« sprach der Marquis in höchster Erbitterung. »Kommen Sie, kommen Sie doch, kommen Sie, Mr. Syme! Sie wollten es tun – also tun Sie es jetzt! Sie haben keine Ahnung, wie wichtig das für mich ist! Seien Sie doch nicht so egoistisch! So ziepen Sie mich doch endlich an der Nase, wenn ich Sie darum bitte!« Und er beugte sich leicht vorwärts – und lächelte dazu ein faszinierendes Lächeln. Der Pariser Zug aber, der stöhnte und heulte herzzerreißend derweil auf der kleinen Station hinter dem Nachbarhügel.

      Syme hatte, wie schon oft unter all diesen Abenteuern, das Gefühl: eine fürchterliche, ungeheuere himmelanstürmende Woge ginge über ihn hin. Und so tat er denn in eine Welt hinein, die er nur zur Hälfte begriff, zwei Schritt und faßte diese römische Nase dieses ehrenwerten Edelmanns an. Zog fest daran – – und sie ging ab und blieb in seiner Hand – – –

      Und so stand er da. Augenblicke lang. Närrisch, steif, zum Totlachen feierlich. Die Nase aus Pappendeckel immer noch in der Hand. Und starrte sie an. Und die Sonne, und die Wolken, und die bewaldeten Hügel – alle sie sahen diesem blödsinnigen Schauspiel zu.

      Dann rief der Marquis voller Lustigkeit in diese Stille:

      »Falls irgendwer für meine linke Augenbraue Verwendung hätte«, sprach er, »bitte, der mag sie haben. Colonel Ducroix, würden Sie meine linke Augenbraue von mir annehmen? Sie könnten sie eines schönen Tages wirklich nötig haben –« und er riß sich würdevoll eine seiner schwarzbraunen assyrischen Brauen aus – nur daß dabei die Hälfte wohl von seiner braunen Stirn mitging – und bot sie höflich dem Colonel an, der hochrot und sprachlos vor Wut dastand. »Wenn ich gewußt hätte«, blubberte der, »daß ich einer Memme Zeuge sein würde, die sich zum Fechten ausstopft – –«

      »Ich kann mirs denken, ich kann mirs wohl denken – oh!« sprach der Marquis, und warf rücksichtslos das und das und das von sich selber – ganz unterschiedliches rechts und links weit in die Wiese, »aber Sie sind im Irrtum, oh – Sie irren sich sehr! Ich kanns Ihnen jetzt nur nicht erklären – – und kann Ihnen nur sagen, daß der Zug in der Station steht!«

      »O ja«, sprach Dr. Bull grimmig, »und der Zug – der Zug soll nur aus der Station wieder hinausfahren! Der soll nur hübsch machen, daß er weiter kommt! Aber ohne Sie – verstanden! Sie kommen uns da nicht mit! Nee, mein Junge! Das wolln mir mal sehen! Wir wissen genau, zu welchem Teufelswerk – –«

      Der mysteriöse Marquis hob – beschwörend – seine Hände. Und war eine richtige Vogelscheuche, wie er stand, sein altes Gesicht halb abgepellt und darunter schon halb ein neues hervorstarrend und grinsend.

      »Wollen Sie mich wahnsinnig machen?« schrie er. »Der Zug – –«

      »Der Zug geht ohne Sie! Sie kommen um keinen Preis mit!« behauptete Syme und unterstützte die Behauptung, indem er seinen Degen schwang. Das halbirre Gesicht fuhr zu Syme herum, und darin werkte und werkte es, sekundenlang, auf das Verzweifeltste, eh es zu sprechen imstande war – »Sie großer, dicker, abscheulicher, triefäugiger, blödsinniger, entsetzlicher, von Gott verlassener, flachshaariger, verfluchter Narr Sie!« sprach er, ohne ein einziges Mal Atem zu holen. »Sie Riesentrottel, Sie Blinzelidiot, Sie Wergschöpfiger, Sie weiße Rübe Sie! Sie – –«

      »Sie kommen doch nicht mit dem Zug mit!« wiederholte Syme.

      »Und warum bei allen rotglühenden Teufeln«, brüllte der andere, »soll ich wollen, daß ich mit dem Zug mitkomme?«

      »Wir alle wissen«, sprach der Professor finster, »daß Sie nach Paris wollen – eine Bombe werfen!«

      »Jabbern Sie doch

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