Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman. Marie Francoise
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»Sie wuchsen auf in dem festen Glauben, daß alles, was sich unterhalb der Gürtellinie befindet, nicht wert ist, um darüber zu sprechen«, fuhr Pfarrer Wenninger fort.
Michaelas Röte vertiefte sich noch, doch sie zwang sich zu nicken.
Pfarrer Wenninger seufzte. »Es ist wirklich unfaßbar, was manche Eltern ihren Kindern im Namen der Kirche antun. Sehen Sie, Frau Kraus, ich bin Geistlicher, und selbstverständlich würde ich das, was in der Bibel steht, niemals in Frage stellen. Sicher kennen Sie das Zitat Gottes: ›Seid fruchtbar und mehret euch‹. Er hat aber nicht gesagt, daß der Körper einer Frau etwas Unanständiges ist. Sicher steht in der Bibel nichts von Lust und Leidenschaft, aber ich für meinen Teil bin der Meinung, daß nichts Verwerfliches oder Sündiges dabei ist, die Liebe zu genießen. Und damit meine ich alle Arten der Liebe… die geistig-seelische wie auch die körperliche. Und ob das mit oder ohne Trauschein geschieht, darf heute nicht mehr ganz so eng bemessen werden. Wichtig ist, daß die körperliche Vereinigung aus Liebe geschieht und nicht aus Berechnung oder Lust an der Abwechslung.«
Voller Bewunderung war Dr. Daniel diesem langen Monolog gefolgt, und unwillkürlich dachte er, daß sich das, was Pfarrer Wenninger da gesagt hatte, durchaus für eine Predigt eignen würde. Vielleicht würden dann einige der besonders streng denkenden Eltern ihre Kinder anders erziehen.
Auch Michaela hatte den Worten des Pfarrers interessiert gelauscht, und dabei hatte sie sich mehr und mehr entspannt.
»Ich habe das Gefühl, als könnten Sie in Zukunft über vieles ein wenig freier und offener denken«, meinte Dr. Daniel, der Michaelas Veränderung bemerkt hatte. »Trotzdem möchte ich an dieser Stelle etwas loswerden. Nach allem, was ich während unserer Gespräche über Sie erfahren habe und was Hochwürden Wenninger gerade gesagt hat, finde ich es dringend erforderlich, daß Sie mit Ihrem Mann darüber sprechen. Die Erziehung, die Ihre Eltern Ihnen angedeihen ließen, ist nichts, wofür Sie sich schämen müßten. Und ich bin sicher, daß Ihr Mann auch verstehen wird, weshalb Sie ihm jahrelang etwas vorgespielt haben. Aber meines Erachtens können Sie die eheliche Gemeinschaft nur dann wirklich genießen, wenn Sie und Ihr Mann sich das besondere Gefühl füreinander gemeinsam erarbeiten.«
Pfarrer Wenninger nickte zustimmend. »Damit hat Dr. Daniel sicher recht. Und ich möchte hinzufügen, daß ich Ihnen jederzeit mit meinem Rat zur Seite stehe.« Er schwieg einen Moment. »Sie sind hier in Steinhausen beileibe nicht die einzige junge Frau, die mit derartigen Problemen zu kämpfen hat. Deshalb wurde auf meine Initiative hin eine Selbsthilfegruppe gegründet. Wenn Sie Interesse haben, dann kommen sie doch mal. Den Termin für die nächste Gruppenstunde habe ich im Moment zwar nicht im Kopf, aber wenn Sie zu mir ins Pfarrhaus kommen, kann ich Ihnen Auskunft geben. Und ich möchte Ihnen zwei Bücher ans Herz legen, mit denen junge Frauen in Ihrer Situation schon viel geholfen wurde. Das eine wurde von einem katholischen Religionspädagogen geschrieben und setzt sich mit dem Problemkreis Lust und Moral auseinander, das andere enthält verschiedene Übungen, mit denen man lernt, seinen Körper anzunehmen. Die genauen Titel sowie Autoren und Verlag habe ich leider ebenfalls nicht im Kopf, aber auch das können wir klären, wenn Sie zu mir ins Pfarrhaus kommen.«
Voller Dankbarkeit sah Michaela erst den Pfarrer, dann Dr. Daniel an.
»Ich bin so froh, daß ich zu Ihnen gekommen bin, Herr Doktor«, erklärte sie. »Und ich bin froh, daß ich zugestimmt habe, Sie, Hochwürden, in dieses Gespräch mit einzubeziehen. Mir ist plötzlich so leicht wie nie zuvor in meinem Leben, und ich bin sicher, daß ich das intime Zusammensein mit meinem Mann irgendwann werde genießen können – auch wenn vielleicht noch ein weiter Weg vor mir liegt.«
*
Cornelia Schalk war erschöpft. Seit einer Woche lag sie nun schon in der Thiersch-Klinik und mußte alle möglichen Untersuchungen über sich ergehen lassen. Doch das war ja nicht das Schlimmste. Die Ungewißheit, der sie unterlag, machte ihr weit mehr zu schaffen.
Der Stationsarzt Dr. Gerrit Scheibler war zwar sehr rücksichtsvoll, und Cornelia konnte ihn gut leiden, aber wie alle anderen in der Klinik hüllte sich auch Dr. Scheibler in absolutes Schweigen, was die Untersuchungsergebnisse betraf.
Heute stand – wie jeden Morgen – die große Visite an, und Cornelia hatte sich fest vorgenommen, keinesfalls lockerzulassen, bis man ihr endlich sagte, was mit ihr los war. Doch als Professor Thiersch mit forschem Schritt ins Zimmer trat, sank ihr Mut wieder.
Mit gerunzelter Stirn besah sich der Professor die Eintragungen in der Krankenakte, dann wandte er sich Dr. Scheibler zu, sprach kurz mit ihm, wobei er überwiegend lateinische Ausdrücke gebrauchte, und drehte sich schließlich wieder zu Cornelia um.
»Heute steht die Darmspiegelung an«, erklärte er in seiner barschen Art. »Dr. Scheibler wird sie durchführen, aber ich werde ebenfalls zugegen sein.«
Cornelia schluckte. Diese Aussicht war nicht gerade verlockend, zumal sie vor dieser Untersuchung ohnehin schon große Angst gehabt hatte. Nun sollte ihre Furcht vor Professor Thiersch also noch dazukommen.
»Bis morgen früh sind die Untersuchungsergebnisse komplett«, fuhr Professor Thiersch fort und riß Cornelia aus ihren Gedanken. »Dann werden wir über die weitere Vorgehensweise entscheiden.«
»Heißt das… ich habe Krebs?« brachte Cornelia ihre größte Angst zum Ausdruck.
»Das heißt gar nichts!« wies der Professor sie scharf zurecht. »Gleichgültig, was es ist – Ihre Beschwerden müssen schließlich behandelt werden, oder nicht?«
»Doch, natürlich«, gab Cornelia kleinlaut zu.
»Na also«, knurrte Professor Thiersch, zögerte einen Moment und trat dann näher zu ihr. In einer für ihn ganz untypischen, sanften Art berührte er sekundenlang Cornelias Arm, während er mit gedämpfter Stimme hinzufügte: »Machen Sie sich keine zu großen Sorgen, Frau Schalk. Bis jetzt sieht es gar nicht so schlecht aus.« Als täten ihm diese fürsorglichen Worte schon wieder leid, fuhr er in barschem Ton fort: »In einer Stunde werden Sie zur Darmspiegelung geholt.«
»Er hat schon eine ganz besondere Art, mit Patienten umzugehen«, meinte Cornelias Bettnachbarin Bettina Klein, als der Professor mit seinem Ärztestab das Zimmer wieder verlassen hatte.
Cornelia nickte. »Das kann man wohl sagen.« Sie zögerte ein wenig, bevor sie gestand: »Ich habe ein bißchen Angst vor ihm.«
»Da sind Sie nicht allein«, meinte Bettina. »Ich glaube, es gibt niemanden, der vor Professor Thiersch keine Angst hat – seine Ärzte und Schwestern eingeschlossen.«
Cornelia seufzte. »Und nun ist er auch noch bei dieser verdammten Darmspiegelung dabei. Ich habe sowieso schon solche Angst davor.«
»Bekommen Sie so etwas zum ersten Mal?« fragte Bettina.
»Ja«, antwortete Cornelia leise. »Und keiner sagt mir, ob es weh tut oder nicht. Dr. Scheibler spricht immer von unangenehmen Untersuchungen, aber was heißt schon unangenehm? Im Grunde sind Schmerzen ja auch nichts anderes als unangenehm.«
Bettina mußte lächeln. »Da haben Sie recht.« Dann wurde sie wieder ernst. »Wird bei Ihnen nur der Enddarm angeschaut?«
Mit großen Augen starrte Cornelia ihre Bettnachbarin an. »Sie scheinen sich ja gut auszukennen.«
Bescheiden zuckte Bettina die Schultern. »Ich habe schon etliche solche Untersuchungen hinter