Jesus. Timothy Keller

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Jesus - Timothy  Keller

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und das aus guten Gründen. In der heutigen Welt wird viel Gewalt verübt von Menschen, die tief religiös sind. Und selbst wenn wir diese Extremisten beiseitelassen – fast jeder von uns kennt doch (persönlich oder vom Hörensagen) Menschen, die sehr religiös sind und gleichzeitig sehr verurteilend, selbstgerecht, ja sogar beleidigend. Die meisten unserer Zeitgenossen sehen die Religion als ein Spektrum, an dessen einem Ende die Menschen sind, die sich für religiös halten, aber eigentlich nicht an die Lehren ihrer Religion glauben, und am anderen Ende sind die Fanatiker, die Leute, die zu religiös sind und es mit ihrem Glauben übertreiben. Wie löst man dieses Problem? Viele würden sagen: „Warum treffen wir uns nicht in der Mitte? Alles mit Maß! Nicht zu eifrig und nicht zu lasch. Die goldene Mitte halt.“

      Funktioniert das Christentum so? Sagt Jesus: „Alles mit Maß“? Schauen wir uns eine andere Stelle an, wo es um die Nachfolge geht. Im Lukasevangelium sagt Jesus vor einer großen Menschenmenge: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lukas 14,26, LÜ). Klingt das nach goldener Mitte? Jesus sagt: „Wenn jemand zu mir kommt ...“ Er sagt seinen Zuhörern nicht: „Die meisten von euch dürfen gerne gemäßigt bleiben, aber ein paar bräuchte ich schon, die ganze Sache damit machen, mir nachzufolgen.“ Nein, er benutzt das allgemeine „jemand“, das jeden meint. Es gibt nicht zwei verschiedene Klassen von Christen. „Wenn irgendjemand etwas mit mir zu tun haben will, muss er seinen Vater und seine Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben hassen, sonst kann er nicht mein Jünger sein.“ Das bedeutet es, Jesus nachzufolgen.

      Aber wie meint er das mit dem „Hassen“? An mehreren anderen Stellen sagt Jesus doch, dass man niemanden hassen darf, noch nicht einmal seine Feinde. Und jetzt sollen wir plötzlich unsere eigenen Eltern hassen? Aber Jesus ruft hier nicht zu einem aktiven Hassen auf, sondern zu einem „vergleichsweisen“ Hassen. Er sagt: „Ich möchte, dass ihr mir so völlig, so intensiv und dauerhaft nachfolgt, dass alle anderen Bindungen dagegen wie Hass aussehen.“ Wenn ich sage: „Ich will Jesus gehorchen, wenn es in meinem Beruf klappt, wenn ich gesund bin, wenn meine Familie nicht zerbricht“, dann ist das, was auf das Wenn folgt, mein eigentlicher Herr, mein wirkliches Ziel. Aber Jesus weigert sich, als Mittel zum Zweck missbraucht zu werden. Wenn er uns in die Nachfolge ruft, muss er selber der Zweck und das Ziel sein.

      Also doch Fanatismus? Nicht, wenn wir den Unterschied zwischen Religion und Evangelium begriffen haben. Wir erinnern uns: Religion sagt mir, wie ich zu leben habe, um mir den Zugang zu Gott zu verdienen. Meine Aufgabe besteht darin, diese Anweisung nach besten Kräften zu befolgen. Wenn ich das tue und es nicht übertreibe, bin ich gemäßigt religiös. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass ich meine Religion so treu befolge wie sonst keiner, werde ich mir bald einbilden, dass ich mir den Zugang zu Gott durch meinen richtigen Lebensstil und Glauben erarbeitet habe, und werde auf all die, die den „falschen“ Lebensstil und Glauben haben, herabsehen. Und dann gibt es bald kein Halten mehr: Weil ich auf sie herabsehe, halte ich sie mir vom Leib, und das wiederum macht es einfacher, sie zu hassen, auszuschließen und schließlich zu unterdrücken. Es gibt durchaus Christen, die so sind – aber nicht, weil sie zu weit gegangen sind mit ihrer Hingabe an Jesus, sondern weil sie nicht weit genug gegangen sind. Sie sind nicht so fanatisch demütig und sensibel oder so fanatisch verständnisvoll und großherzig, wie Jesus es war. Und warum sind sie das nicht? Weil sie den christlichen Glauben immer noch als Rezept zum richtigen Leben sehen, und nicht als gute Nachricht.

      Das Evangelium dreht sich nicht um gute Ratschläge. Es ist die frohe Botschaft, dass ich mir meinen Weg zu Gott nicht verdienen muss, denn das hat Jesus schon für mich getan. Es ist ein Geschenk, das ich durch reine Gnade empfange – durch Gottes völlig unverdientes Wohlwollen. Wenn Sie dieses Geschenk ergreifen und festhalten, wird der Ruf von Jesus Sie weder zu einem Fanatiker noch zu einem Lauwarmen machen. Sie werden Jesus leidenschaftlich zu Ihrem höchsten Gut und absoluten Zentrum Ihres Lebens machen, aber wenn Sie jemandem begegnen, der andere Prioritäten oder einen anderen Glauben hat, werden Sie ihn nicht für einen Menschen zweiter Klasse halten. Sie werden ihn nicht unterdrücken, sondern ihm dienen. Warum? Weil es im Evangelium nicht darum geht, Regeln und Gesetze zu befolgen, sondern einem König nachzufolgen, der uns gerufen hat. Und dieser König ist nicht irgendein Jemand, der die Macht und Autorität hat, uns zu sagen, was wir zu tun haben, sondern er ist der Eine, der die Vollmacht hat, selber zu tun, was getan werden muss, und der es uns dann als frohe Botschaft anbietet.

      Wo sehen wir diese Vollmacht? Bereits die Taufe von Jesus ist von übernatürlichen Zeichen begleitet gewesen, die seine göttliche Vollmacht unter Beweis stellen. Dann sehen wir, wie Simon, Andreas, Jakobus und Johannes Jesus unverzüglich folgen; sein Ruf selber hat also Autorität. Markus führt dieses Thema fort:

      Nun kamen sie in die Stadt Kapernaum. Am nächsten Sabbat besuchte Jesus die Synagoge und sprach dort zu den Menschen. Die Zuhörer waren sehr beeindruckt von dem, was er lehrte. Denn anders als ihre Schriftgelehrten redete Jesus mit einer Vollmacht, die Gott ihm verliehen hatte. (Markus 1,21-22)

      Hier benutzt Markus zum ersten Mal das Wort Vollmacht. Das im Urtext verwendete Wort kann auch mit Autorität wiedergegeben werden. Es meint die Freiheit, die Fähigkeit und das Recht, etwas, das man sagt, auch zu tun. Jesus machte nicht einfach etwas klarer, das die Menschen schon wussten, er legte die heiligen Schriften nicht so aus, wie die Schriftgelehrten dies taten. Seine Zuhörer spürten, dass hier jemand vor ihnen stand, dessen Worte Autorität über die Wirklichkeit hatten, und das machte sie sprachlos. Doch Markus ist noch nicht fertig mit dem Thema „Vollmacht“:

      Nachdem Jesus die Synagoge verlassen hatte, ging er mit Jakobus und Johannes in Simons Haus, in dem auch Andreas wohnte. Dort erfuhr er, dass Simons Schwiegermutter mit hohem Fieber im Bett lag. Er ging zu ihr, nahm ihre Hand und richtete sie auf. Sofort war das Fieber verschwunden. Sie konnte sogar aufstehen und für ihre Gäste sorgen. (Markus 1,29-31)

      Diese Heilung zeigt, dass Jesus nicht nur König über die geistliche Welt ist, sondern auch über die physische. Hier behauptet Jesus nicht nur, dass er Vollmacht hat (wie in der Berufung der Jünger und der vollmächtigen Lehre), sondern er stellt sie praktisch unter Beweis und übt diese Vollmacht aus. Er demonstriert, dass er reale Macht über Krankheit hat. Eine Berührung und das Fieber ist weg. Und so etwas geschieht wieder und wieder. Drei Verse später berichtet Markus, dass Jesus Scharen von Kranken heilte. Ein paar Tage später heilt seine Berührung einen Aussätzigen. Im 12. Vers des 2. Kapitels staunen alle nur und sagen: „Wir haben so etwas noch nie gesehen.“ Die Tauben hören, die Blinden sehen, die Lahmen gehen. Die Evangelien berichten uns von dreißig Heilungen, die alle demonstrieren, dass Jesus Macht über Krankheit hat. Und in den ersten Kapiteln seines Evangeliums arbeitet Markus eine Ebene des Beweises nach der andern ab, um zu zeigen, dass die Autorität von Jesus sich auf alle Bereiche des Lebens erstreckt.

      Folge mir nach, sagt Jesus. „Folge mir, weil ich der König bin, auf den du wartest. Folge mir, weil ich die Macht über alles und mich doch für dich erniedrigt habe. Folge mir, weil ich am Kreuz für dich starb, obwohl du weder den richtigen Glauben hattest noch richtig lebtest. Folge mir, weil ich dir eine Botschaft bringe und nicht kluge Ratschläge. Folge mir, weil ich deine wahre Liebe bin, dein wahres Leben – folge mir.“

      Dem Faden folgen

      Vor etwa 150 Jahren schrieb George MacDonald ein Kinderbuch mit dem Titel Die Prinzessin und der Kobold. Die Heldin, Irene, ist acht Jahre alt und wohnt in einem großen, weitläufigen Haus. In diesem Haus gibt es eine Mansarde, in der zuweilen Irenes Elfen-Großmutter erscheint. Wenn Irene dorthin geht, um sie zu besuchen, ist sie oft nicht da, doch manchmal kommt sie, um sich mit Irene zu unterhalten. Irene liebt ihre Elfen-Großmutter, die ihr eine weise Ratgeberin ist. Eines Tages schenkt die Großmutter ihr einen Ring, an dem ein Faden befestigt ist, der in einem Knäuel endet. Sie erklärt ihr, dass sie das Knäuel selber behalten wird.

      Irene sagt, dass sie den Faden nicht sehen kann. Die Großmutter erklärt: „Der Faden ist so fein, dass du ihn nicht sehen kannst.

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