Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Patricia Vandenberg Im Sonnenwinkel Staffel

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rief er gedehnt. »Gott bewahre! Wozu habe ich denn geheiratet? Ich will doch meine Frau nicht mit Gott und der Welt teilen.«

      »Vielleicht will es ihr Mann auch nicht«, stellte sie nachdenklich fest.

      Er gab ihr einen zärtlichen Kuss. »Ich bin nur froh, dass deine Talente auf einem ganz anderen Sektor liegen«, seufzte er. »Aber kommen wir mal zu unseren Problemen. Was wird aus Ulla?«

      »Weiß ich noch nicht«, erwiderte sie gedankenverloren. »Sandra will morgen mit ihren Eltern sprechen.«

      »Vielleicht sollte ich sie unterstützen«, meinte er.

      »Das würdest du tun?«, staunte sie.

      »Immerhin geht es um Rickys Freundin, um ein junges Menschenkind, das leider keine verständnisvollen Eltern hat. Wenn ich nun auch so ein Vater wäre!«

      »Dann hätte ich dich nicht geheiratet.«

      »Als du mich geheiratet hast, wusstest du aber nicht, was ich für ein Vater werde«, konterte er.

      »Doch, das wusste ich«, stellte sie innig fest.

      *

      Sandra hatte ein unbehagliches Gefühl, wenn sie an die Unterredung mit Ullas Vater, dem Oberstudiendirektor Lamprecht und seiner Frau dachte, und sie war froh, dass Werner Auerbach ihr seine Unterstützung anbot. Ulla hatte die Nacht in der Stadt mit ihren Eltern verbringen müssen, und sie konnte sich vorstellen, in welcher Verfassung das junge Mädchen war.

      »Sie können doch nicht so unbarmherzig sein«, sagte Marianne von Rieding zu ihrer Tochter. »Ulla ist so sensibel. Ich fürchte das Schlimmste, Sandra. Soll ich nicht lieber auch mitkommen?«

      »Du regst dich viel zu sehr auf, Mutti. Professor Auerbach wird es schon hinbiegen.«

      Als sie zu ihrem Wagen ging, stand dort, klein und verloren, Manuel. »Fährst du schon wieder weg, Sandra?«, fragte er traurig.

      »Ich muss, Manuel. Es handelt sich um Ulla.«

      »Du fährst nicht mit Herrn Heimberg?«, fragte er zuversichtlicher.

      Sie drückte ihn leicht an sich. »Was hast du eigentlich gegen ihn, Spatz?«, fragte sie verwundert.

      »Er ist so oft bei euch. Papi kommt morgen. Teta hat es mir gesagt.«

      Sandra errötete. »Da freust du dich aber«, stellte sie mit belegter Stimme fest.

      »Du nicht auch?«, fragte er leise.

      Wie Schuppen fiel es ihr plötzlich von den Augen. Sie erkannte jäh, welche Sehnsucht in Manuels kleinem Herzen keimte. Es war auch ihre eigene Sehnsucht. Wie gern wollte sie dieses scheue Kind als ihr eigenes betrachten und ihm alle Liebe geben, auf die Manuel verzichten musste. Wie sehr sehnte sie sich nach Felix Münster, und wie oft dachte sie an die Küsse, die sie in einer Spätsommernacht getauscht hatten.

      »Ja, ich freue mich auch, Manuel«, sagte sie wie unter einem Zwang.

      »Werden wir dann auch gemeinsam spazieren gehen?«, fragte er. »Papi bleibt diesmal länger.«

      »Sicher werden wir das.«

      »Darf ich es ihm auch sagen, dass du dich freust?«

      Sie hob ihn empor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Du darfst, Spatz. Und jetzt gehst du zu Tante Marianne und isst tüchtig Apfelkuchen. Wenn Papi morgen kommt, musst du runde Bäckchen haben, sonst meint er gar, wir sorgen nicht richtig für dich.«

      Seine Arme schlangen sich um ihren Hals. »Ich hab dich so lieb, Sandra. Ich habe solche Angst, dass Herr Heimberg dich uns wegnimmt.«

      »Liebe Güte«, entfuhr es ihr, »das brauchst du weiß Gott nicht zu fürchten. Er sitzt doch nur so gern bei meiner Mutter, bei Tante Marianne!«

      Sie wusste selbst nicht, warum sie das sagte, aber es stimmte sie, trotz ihrer Sorgen, heiter. Gut, dass Mutti es nicht gehört hat, dachte sie vergnügt, und sie musste lachen, als Manuel sagte: »Zu Tante Marianne passt er auch viel besser.«

      Sie lächelte noch immer vor sich hin, als sie vor Auer­bachs Haus hielt. Inge kam heraus und begrüßte sie herzlich, und gleich darauf erschien auch der Hausherr.

      »Na, meine gnädige Frau, ich glaube, wir fahren lieber mit meinem Wagen«, meinte er skeptisch.

      »Sie haben aber auch gar kein Vertrauen zu Gustav«, erwiderte sie, »dabei ist er so zuverlässig, wenn er auch Asthma hat. Wir können uns einfach nicht von ihm trennen.«

      »Ich will Gustav durchaus nicht kränken, aber …«, sie winkte ab. »Ich verstehe schon. Ist ja auch besser, wenn wir mit einem soliden Auto bei Herrn Oberstudiendirektor Lamprecht aufkreuzen.«

      Inge sah ihnen nach, bis die Rücklichter verschwanden. Hoffentlich bringen sie Ulla mit, dachte sie beklommen. Dann schweifte ihr Blick über die Landschaft, die den Zauber des Sommers schon verloren hatte. Wie sehr wir schon miteinander verbunden sind, überlegte sie, wie alle die Sorgen aller mittragen. Wie schön das doch ist. Schnell hatten sie alle Wurzeln geschlagen hier im Sonnenwinkel.

      *

      Für Henrike war dies ein schwerer Schultag. Sie war selbst in der Englischstunde bei Dr. Fabian Rückert zerstreut und unaufmerksam. Ihre Gedanken weilten bei ihrer Freundin Ulla. Jetzt würden ihr Vater und Sandra mit den Lamprechts sprechen und die Entscheidung treffen, ob sie hierbleiben durfte oder ob man etwas anderes mit ihr vorhatte.

      Dr. Rückert beobachtete sie unauffällig. Es fiel ihm heute doppelt schwer, eine unbeteiligte Miene zu zeigen. Am liebsten hätte er sie tröstend in die Arme genommen. Niemand hatte bisher bemerkt, dass zwischen dem jungen, gut aussehenden Lehrer und seiner Schülerin Henrike Auerbach eine tiefe Zuneigung keimte. Sie hüteten ihre Gefühle und verstanden es, sie zu verbergen. Nichts sollte störend in diese junge Liebe eingreifen, von der jedoch beide Eltern wussten. Fabian und Henrike zählten die Wochen und ersehnten den Tag, an dem dieses Versteckspiel ein Ende haben sollte.

      Sie lasen heute Hamlet, und Henrike war die Rolle der Ophelia zugefallen, aber als sie an der Reihe war, brachte sie kein Wort über die Lippen.

      »Ophelia schläft«, sagte Conny von Rosch spöttisch.

      Dr. Rückert warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Henrike«, sagte er dann eindringlich, aber diesmal musste wohl doch ein besonderer Ton in seiner Stimme geschwungen haben, denn einige blickten ihn verwundert an, Conny von Rosch wachsam und mit einem boshaften Ausdruck.

      Henrike zuckte erschrocken zusammen, als sich ein Finger in ihren Rücken bohrte, und plötzlich stürzten Tränen aus ihren Augen. Verwirrt blickte sie sich um, dann stürzte sie aus dem Klassenzimmer.

      »Die liebe Henrike scheint Liebeskummer zu haben«, sagte Conny von Rosch anzüglich.

      »Mäßigen Sie sich, Rosch«, fuhr ihn Fabian Rückert an.

      »Sie macht sich Sorgen wegen Ulla«, sagten mehrere gleichzeitig.

      »Setzen Sie die Lektüre fort«, erklärte Dr. Rückert beherrscht. Dann ging er zur Tür.

      Conny

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