Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Arnold oder einen anderen – ja, ich denke, dass man sich entscheiden muss für das eine oder das andere. Vor allem, wenn man Kinder hat und diese Kinder dem Vater auch noch wegnehmen will. Ich möchte es dir einmal sagen, Georgia, dass ich damit nicht einverstanden bin.«
»Du kannst ja bei ihnen bleiben, wenn du willst«, sagte Georgia unbeherrscht.
Nonna runzelte die Stirn. »Du willst auch die Kinder aufgeben?«, fragte sie bestürzt.
»Arnold wird sie mir kaum lassen.«
»Nun, dann werde ich bei ihnen bleiben«, sagte die alte Dame würdevoll, um aber sogleich, wie immer, wenn sie erregt war, einen italienischen Wortschwall über ihre Tochter zu ergießen, der sicher alles andere als freundlich war. In der deutschen Sprache konnte sie ihrem Temperament die Zügel nicht so schießen lassen.
»Genug, genug«, rief Georgia und hob abwehrend die Hände »Du willst also, dass ich vor ihm zu Kreuze krieche – und das tue ich nicht! Ich kann es nicht. Ich habe auch meinen Stolz.«
»Stolz, was ist da Stolz! Du steigerst dich in deine Rolle als Märtyrerin hinein, aber hier stehst du nicht auf der Bühne, und mir imponierst du damit nicht. Vielleicht musste es so kommen, damit du erkennst, dass es auch noch etwas anderes gibt als Erfolg – und dass Gott die Bäume nicht in den Himmel wachsen lässt«, fügte sie leise hinzu.
Georgia schloss den Flügel so heftig, dass die Saiten klangen. »Und nun brauchst du nur noch zu sagen, dass ich Frank hinauswerfen soll!«, stieß sie hervor.
»Das wäre sicher das allerbeste«, erwiderte Nonna gleichmütig.
Frank Hessler kam glücklicherweise erst am Nachmittag. Georgia hatte die Kinder wieder von der Schule abgeholt und noch einige Einkäufe getätigt, da sie genau wusste, dass ihre Mutter nicht kochen würde, wenn Frank da war. Sie konnte verflixt störrisch sein, so gütig sie sonst auch war. Wohl fühlte sich Georgia nicht bei dem Gedanken, dass Frank mit dem Vorsatz kam, einige Tage zu bleiben. Die Jungen würden es ihr auch übel nehmen.
Früher hatte sie über solche Dinge nicht nachgedacht. Jäh wurde es ihr bewusst, wie sehr ihre Gedanken immer nur auf ihre Karriere ausgerichtet gewesen waren und mit welcher Selbstverständlichkeit sie ihrer Mutter die Sorge für die Kinder überlassen hatte.
Die umschwärmte, beneidete und vielbewunderte Georgia Minetti – was würde davon bleiben? Wenn sie in ihrem Trotz verharrte, nicht einmal eine Frau Ullrich!
Sie dachte an den Tag, an dem sie Arnold Ullrich kennengelernt hatte. Kühl, selbstbewusst und durchaus nicht unterwürfig hatte er sie betrachtet.
»Ich verstehe nichts von Musik«, hatte er mit einem ironischen Lächeln erklärt. »Sie sind eine bezaubernde Frau und gefallen mir sehr. Wollen Sie mich heiraten?«
So war Arnold. Er traf seine Entscheidungen aus dem Stegreif, berufliche und private, aber man musste ihm lassen, dass er unglaublich konsequent war und eigentlich niemals Rückschläge hatte hinnehmen müssen.
Es hatte ihr gefallen, dass er ihr nicht nachlief wie andere Männer. Er schickte keine Blumen, er schickte ihr sogleich einen Ring. Einen überaus kostbaren Ring, den sie auch heute noch trug. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, diesen abzulegen. Es würde ihr etwas fehlen.
Aber es war nicht nur der Ring, es war auch er selbst, der ihr fehlte. Mit jedem Tag, der dahinschwand, wurde es ihr mehr bewusst. Er war ein ganzer Mann, keiner von den Charmeuren, denen die Komplimente leicht über die Lippen kamen. Er hatte früh lernen müssen, Verantwortung zu tragen, und er hatte seine eigenen Begriffe von Ehre.
Ritter ohne Furcht und Tadel hatten ihn ihre Kollegen ironisch genannt, und doch war es das größte Kompliment, das man ihm machen konnte, wenngleich er darauf nichts gab.
Dies alles ging ihr durch den Sinn, als sie heimwärts fuhren. Die drei Jungen verhielten sich still. Nicht einmal über Schulerlebnisse redeten sie.
Im Sonnenwinkel angekommen, bedankte sich Hannes höflich. »Gehen wir nachher mal zur Felsenburg?«, fragte er die Zwillinge.
»Klar«, erwiderten diese wie aus einem Mund. »Wenn Herr Hessler da ist, sind wir sowieso überflüssig.«
»Musstet ihr diese Bemerkung machen?«, erwiderte Dirk. »Vati würde es nicht passen, dass er gleich angerollt kommt. Du wolltest doch Ruhe haben, Muni.«
Einen solchen Vorwurf hätte sie früher ebenfalls überhört. Jetzt traf jedes Wort sie wie ein Schlag. Es machte ihr bewusst, wie sehr die beiden an ihren Vater dachten und wie herb sie wohl manches kritisierten, was sie tat.
»Was will er überhaupt hier, wenn du doch sowieso nicht mehr singen kannst?«, fuhr Dirk mit schmerzhafter Aufrichtigkeit fort.
Der etwas feinfühligere Claas stieß ihn in die Seite, aber Dirk sagte nur: »Ist doch so …, oder? Wozu muss Muni singen? Vati verdient doch genug Geld.«
Wortlos ging Georgia ins Haus. Ich darf es ihm nicht übel nehmen, dachte sie. Warum sollen die Kinder nicht auch ihren Standpunkt vertreten.
»Mit dem Holzhammer brauchtest du es Muni auch nicht gerade zu geben«, brummte Claas.
»Nonna sagt, man soll aus seinem Herzen keine Mördergrube machen«, erwiderte Dirk gelassen. »Mir wäre es eben lieber, wenn sie eine Mutter wie Frau Auerbach wäre.«
»Aber früher hat es dir auch gefallen, wenn sie alle gesagt haben, dass wir die Söhne von der berühmten Minetti sind«, meinte Claas.
»Früher, pah, wenn sie nicht mehr singen kann, ist sie bald vergessen«, erklärte Dirk drastisch. »Aber dann haben wir sie für uns.«
Claas schüttelte den Kopf. »Mir ist komisch. Ich glaube, etwas stimmt nicht mehr zwischen Vati und ihr. Und dann …« Mit gesenktem Kopf ging er ins Haus, ohne den Satz zu vollenden.
»Das werden wir schon sehen«, ereiferte sich Dirk. »Schließlich haben wir auch noch ein Wörtchen mitzureden. Jedenfalls machen wir uns aus dem Staub, wenn der dämliche Hessler kommt. Ich kann den Kerl nicht ausstehen.«
Dieser Meinung war Claas auch, aber er äußerte sie nicht so lautstark, denn er war ganz sicher, dass ihre Mutter sie hören konnte.
Aber nicht nur Georgia hatte sie gehört, sondern auch Frank Hessler, der doch schon früher gekommen war. Unwillige Röte kroch in sein hübsches, etwas weichliches Gesicht.
»Deine Söhne haben ja eine drastische Ausdrucksweise, Georgia«, sagte er gekränkt.
»Sie sind Kinder. Außerdem wissen sie nicht, dass du schon da bist«, erwiderte sie unerwartet aggressiv. »Verlange bitte nicht, dass ich sie zur Rede stelle. Sie sehen alles mit anderen Augen und vielleicht auch falsch.«
»Und wie siehst du mich?«, fragte er drängend.
»Wir werden später Gelegenheit haben, uns zu unterhalten«, wich sie aus. »Jetzt wollen wir essen.«
Aber weder Nonna, noch die Zwillinge waren geneigt, sich mit Frank Hessler an einen Tisch zu setzen. Nonna erklärte, dass sie bereits gegessen hätte, und die Zwillinge sagten, dass sie lieber in der Küche essen wollten. Georgia war ebenfalls der