Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch. Arthur Conan Doyle

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch - Arthur Conan Doyle страница 26

Автор:
Серия:
Издательство:
Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch - Arthur Conan Doyle

Скачать книгу

er zwischen den steilen Felswänden aufwärts mit seiner Last. Der Pfad lag im tiefsten Dunkel, denn der Mond war noch nicht aufgegangen, und Jefferson strauchelte oft auf dem rauhen Wege; doch der Gedanke, daß er mit jedem Schritt seiner geliebten Lucy naher kam, trieb ihn rastlos weiter; auch brachte er ja genug Vorrat mit, um sie während der ganzen Dauer der Flucht vor Mangel zu schützen. Auf der Höhe angekommen, ward er zu seiner Freude gewahr, daß er von der Stelle, wo er seine Schutzbefohlenen verlassen hatte, nicht mehr allzufern sei; schon erkannte er, trotz der Finsternis, die schwachen Umrisse der Felsspitzen am Eingang der Schlucht. Fast fünf Stunden war er fortgeblieben – mit wie banger Sehnsucht mochten sie ihn erwarten. Um seine glückliche Rückkehr zu verkünden, rief er ein lautes Hallo! in die Berge hinein. Dann stand er lauschend da, ob keine Antwort käme, aber nur der Ton seiner eigenen Stimme schallte in vielfachem Wiederhall von den Bergen; sonst blieb alles still. Noch stärker und dringender ertönte jetzt sein Ruf, aber kein Laut aus geliebtem Munde hieß ihn willkommen. Von unbestimmter Angst ergriffen, ließ er die schwer errungene Beute zu Boden fallen und stürmte wie rasend vorwärts.

      Jetzt bog er um die Ecke und vor ihm lag der Platz, wo er das Feuer angezündet hatte. Noch glühte der Aschenhaufen, aber man hatte kein Holz zugelegt und die Flamme war erloschen. Ringsumher herrschte Todesschweigen. Seine Furcht ward zur Gewißheit; nirgends ließ sich ein lebendes Wesen erblicken – die Pferde, das Mädchen, der Alte, waren spurlos verschwunden. Das Unheil mußte während seiner Abwesenheit urplötzlich hereingebrochen sein, zu ihrer aller Verderben.

      Verwirrt und betäubt von dem schweren Schicksalsschlag, der ihn so unvermutet traf, stützte sich Jefferson auf sein Gewehr, sonst wäre er umgesunken. Doch rasch überwand er diesen Anfall von Schwäche, denn er war seiner ganzen Natur nach ein Mann der That. Mit bebender Hand zog er ein erst halbverkohltes Holzstück aus der Asche, blies die glimmenden Funken zur Flamme an und untersuchte mit Hilfe dieser Leuchte den Lagerplatz. Der Boden war nach allen Seiten hin von Pferdehufen zerstampft, ein Beweis, daß die Flüchtlinge durch eine große Schar Berittener eingeholt worden, welche dann, wie die vorhandenen Spuren vermuten ließen, die Richtung nach der Salzseestadt eingeschlagen hatten. Waren Vater und Tochter in ihre Hände gefallen und beide von ihnen mit fortgeschleppt worden? – Jefferson Hope mochte dies zuerst geglaubt haben, allein plötzlich fuhr er zusammen, und das Blut erstarrte ihm in den Adern. Etwas abseits von dem Lagerplatz sah er einen frisch aufgeworfenen Haufen rötlicher Erde, der vorher sicherlich nicht dagewesen war. Hatte man dort ein Grab gegraben? – Der junge Jäger trat naher hinzu – im Boden steckte ein Stab, an dem ein Blatt Papier befestigt war. Es trug eine kurze, aber bedeutsame Inschrift:

      »John Ferrier aus der Salzseestadt,

       gestorben den 4ten August 1860.«

      Der wackere, alte Mann, den er vor wenigen Stunden erst in der Fülle der Kraft verlassen, war also tot und dies seine ganze Grabschrift. Jefferson sah sich mit wilden Blicken nach einem zweiten Hügel um, aber ein solcher war nicht zu entdecken. Die Unmenschen mußten Lucy mit sich geführt haben, um sie dem Sohn des Aeltesten zu übergeben, damit sie das ihr bestimmte Geschick erfülle und ihm als Frau in seinen Harem folge. Als Jefferson erkannte, wie völlig machtlos er sei, dies Schicksal von ihr abzuwenden, da schien ihm im ersten Augenblick der alte Ferrier beneidenswert, der da unten den stillen Schlaf des Todes schlief. Doch nicht lange überließ er sich seiner dumpfen Verzweiflung. War ihm nichts anderes geblieben, so konnte er wenigstens sein Leben der Rache weihen.

      Während er starren Auges dastand und in die Asche blickte, fühlte er, daß es für seinen Schmerz keine Linderung gab, bevor er nicht mit eigener Hand blutige Wiedervergeltung an seinen Feinden geübt hätte.

      Neben unermüdlicher Geduld und Ausdauer lag in Jeffersons Charakter eine nicht zu bezähmende Rachsucht, die er vielleicht von den Indianern gelernt hatte, unter denen er solange gelebt. Sein starker Wille, seine rastlose Thatkraft sollten jetzt nur noch das eine Ziel verfolgen, das war sein fester Entschluß. Mit bleicher, ingrimmiger Miene kehrte er nach der Stelle zurück, wo seine Jagdbeute noch am Boden lag, darauf blies er das Feuer an und bereitete sich Speise für die nächsten Tage. Dann brach er auf, ohne seiner Ermüdung zu achten, um der Spur der Würgengel durch das Gebirge zu folgen.

      Fünf Tage lang pilgerte er mit wunden Füßen durch die Schluchten und Hohlwege zurück, welche er vor kurzem hinaufgeritten war. Bei Einbruch der Nacht warf er sich unter einem Felsvorsprung nieder, um ein paar Stunden zu ruhen, und sobald der Morgen graute, begann er seine Wanderung von neuem. Als er am sechsten Tage erschöpft und abgemattet die Adlerschlucht erreichte, von wo aus ihre unheilvolle Flucht den Anfang genommen, sah er die ›Stadt der Heiligen‹ weit ausgebreitet zu seinen Füßen liegen. In ohnmächtigem Zorn schüttelte er drohend die geballte Faust gegen den Wohnplatz der Uebelthäter. Aber halt – was hatte das zu bedeuten? – In den Hauptstraßen sah er Fahnen von den Dächern wehen und festlichen Schmuck an den Häusern. Während er noch darüber nachsann, schallte der Hufschlag eines Pferdes und ein Reiter kam herangetrabt. Jefferson kannte den Mann, es war der Mormone Cowper, dem er früher manchen Dienst erwiesen hatte; von ihm durfte er hoffen, Nachricht über Lucys Schicksal zu erhalten.

      Der Mormone sah Jefferson zuerst mit ungläubigen Blicken an, als ihm dieser in den Weg trat und seinen Namen nannte. Wer hatte auch in dem verwilderten und zerzausten Wanderer mit den unheimlich rollenden Augen und der bleichen Miene den früher so schmucken jungen Jäger erkennen sollen? – Sobald Cowper jedoch wußte, wen er vor sich hatte, erschrak er heftig.

      »Seid Ihr rasend, daß Ihr Euch hierher wagt?« rief er. »Wenn man mich hier im Gespräch mit Euch sieht, ist mein eigenes Leben verwirkt. Wißt Ihr nicht, daß die ›heiligen Vier‹ einen Haftbefehl gegen Euch erlassen haben, weil Ihr den Ferriers zur Flucht behilflich gewesen seid?«

      »Ich fürchte weder die Schurken noch ihren Haftbefehl,« rief Jefferson entrüstet. »Cowper,« fuhr er dann, seine Erregung bezwingend, fort, »wir sind immer Freunde gewesen – bei allem, was Euch teuer ist, beschwöre ich Euch, mir eine Frage zu beantworten. Um Gottes willen, verweigert mir die Antwort nicht.«

      »Was wünscht Ihr zu wissen?« fragte der Mormone, sich ängstlich umblickend; »redet schnell, hier hat alles Augen und Ohren, auch die Felsen und Bäume.«

      »Was ist aus Lucy Ferrier geworden?«

      »Man hat sie gestern dem jungen Drebber zur Frau gegeben. – Faßt Euch, Mann, faßt Euch – Ihr werdet ja bleich wie der Tod.«

      Jefferson war auf den nächsten Felsblock niedergesunken, seine Lippen bebten. »Drebbers Frau, sagt Ihr?« stammelte er mit brechender Stimme.

      »Ja, seit gestern – deshalb seht Ihr auch die Stadt noch im Fahnenschmuck. Drebber und Stangerson, die jüngeren, stritten sich um ihren Besitz. Bei der Verfolgung, an der sich beide beteiligt hatten, war ihr Vater von Stangersons Hand gefallen, was diesem ein größeres Vorrecht zu geben schien. Als jedoch die Frage vor die Ratsversammlung gebracht wurde, war Drebbers Anhang stärker und der Prophet entschied zu seinen Gunsten. Es wird sie aber keiner lange sein eigen nennen, sie sieht geisterbleich aus und der Tod stand ihr schon gestern im Gesicht geschrieben. – Wollt Ihr jetzt fort?«

      »Ja, ich gehe,« sagte Jefferson, sich mühsam erhebend; sein Antlitz war bleich und starr, wie aus Marmor gemeißelt, nur in seinen Augen glühte ein wildes Feuer.

      »Wo wollt Ihr hin?«

      »Fragt mich nicht,« erwiderte er und hing sich die Flinte über die Schulter. Dann schritt er die Schlucht hinab und vergrub sich tief in den Bergen, wo nur Bären und Wölfe hausten; aber keines der reißenden Tiere war grimmiger und blutdürstiger als er.

      Was der Mormone vorausgesagt hatte, ging nur zu bald in Erfüllung. War es der Schmerz über den plötzlichen Tod ihres Vaters, was der armen Lucy am Lebensmark zehrte, oder

Скачать книгу