Gesammelte Werke. Aristoteles
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276.Ich verstehe das so, daß einer auf grund seiner vermeintlich unverwüstlichen Gesundheit alles durch einander ißt und so gleichsam durch die Gesundheit selbst dazu kommt, krank zu werden. Anders ist es mit dem vorausgehenden Beispiele. Der Reichtum des Verräters ist Frucht des Verrates und so vom Bösen. Die Auslegung bei Thomas v. Aquin, der Reichtum in der Hand des Verräters sei nicht gut, weil er ihm die Anrichtung von Schaden erleichtere, ist übrigens ebenso annehmbar.
277.In der Physik.
278.αισθήσεως πάσης πρὸς τὸ αισθητὸν ενεργούσης heißt nicht, wie eine lateinische Übersetzung hat: quum omnis sensus agat in suum sensile, und heißt nicht, wie Stahr hat: jede Empfindung wirkt auf das Empfindbare tätig ein; denn es ist grade umgekehrt: das Empfindbare wirkt auf die Empfindung ein; sondern es heißt: die Wahrnehmung geschieht mit Rücksicht oder im Verhältnis zu dem Objekte der Wahrnehmung. Wie das Objekt so die Wahrnehmung, und je vollkommener es ist und je besser wahrnehmbar, desto besser und vollkommener ist die Wahrnehmung. Ist z. B. das Auge gesund und der sichtbare Gegenstand vollkommen beleuchtet, so ist die Gesichtswahrnehmung in ihrer Art vollkommen.
279.Die Lust ist um so reiner, je weiter das Tätige und seine Tätigkeit sich von der Materialität entfernt. Die geistige Lust steht darum hoch über aller Sinnenlust. Aber auch im sinnlichen Bereich gibt es Unterschiede, und je mehr hier die Materialität überwunden wird, desto reiner und gleichsam geistiger ist die aus der Sinnestätigkeit entspringende Lust. Die gröbsten Sinne sind Gefühl und Geschmack. Sie erheischen die unmittelbare Verbindung des Sinnes mit dem Objekt und ihre Wahrnehmungen sind mit der stärksten Alteration des Sinnesorgans verbunden. Gesicht und Gehör sind geistiger. Sie nehmen durch ein Medium wahr und werden, namentlich das Gesicht, weniger bei der Wahrnehmung alteriert. Darum hat auch das Auge die vollkommenste und reichste Tätigkeit und nutzt sich über derselben am wenigsten ab. Den Geruch stellte Ar. auch deshalb über das Gefühl und den Geschmack, weil er annahm, die duftenden Objekte bewegten aus der Ferne das Medium, die Luft und das Wasser, und berührten so, ähnlich wie Farbe und Klang, nur durch die Vermittelung des Mediums das Organ.
280.Heraklits 9. Fragment bei Diels.
281.Ar. führt uns fast unvermerkt von der Lust zur geistigen Tätigkeit als menschlicher Bestimmung. Die Lust ist das Verlangen aller Wesen, weil sie alle nach Tätigkeit begehren. Die Tätigkeit ist die natürliche Vollendung des Tätigen, weil sie alles, was es der Anlage nach in sich hat, zur Entfaltung bringt. Darum schöpft alles aus der Tätigkeit Lust, weil es sich seiner natürlichen Vollendung freut. Und darum begehrt alles, Mensch und Tier, nach Lust, Ende des 4. und Anfang des 5. Kapitels. Es gibt aber Unterschiede in den Lüsten je nach der Bestimmung der einzelnen Wesen, weil nach der Bestimmung sich die Tätigkeit richtet, die jegliches zur Vollendung bringt, und nach der Tätigkeit die Lust. So gilt es denn die Tätigkeit zu ermitteln, die den Menschen zur Vollendung bringt. Sie wird seine Bestimmung ausmachen und ihm die vollkommene Lust gewähren, 5. Kap.
282.Anacharsis, ein skythischer Fürst, der Griechenland bereist hat.
283.Hierzu macht Stahr S. 379 die folgende treffende Anmerkung: »In der Muße, d. h. in der von keiner Lebensnot verkümmerten Freiheit des Daseins. Das ist ein Begriff, der in seiner Erhabenheit ganz dem hellenischen Altertum angehört. Auch im römischen findet sich hier und da ein Abglanz davon; in unserer unruhigen, rastlos arbeitenden Zeit scheint er verloren gegangen zu sein. Edle Muße, mit edelster Geistestätigkeit erfüllt, ist dem großen Stagiriten der Zweck der Lebensarbeit.« Dennoch scheint Stahr in dem Begriffe der σχολή, der Muße, etwas übersehen zu haben. Man hat Muße, wenn einem nichts mehr zu tun übrig bleibt, und das ist der Fall, wenn man sein Ziel erreicht hat. Darum sagt Aristoteles: ασχολούμεθα, ίνα σχολάζωμεν, und spricht von dem Kriege um des Friedens willen. Die Muße bedeutet die Erreichung des Zieles: sie ist die Ruhe des Strebevermögens im Besitze seines geliebten Gegenstandes.
284.Man sieht hieraus sehr klar, daß Aristoteles mit der Eudämonie, die in der Ethik erörtert wird, nur die diesseitige meint. Ebenso klar zeigt dieser Absatz, daß nach Aristoteles das Leben des Geistes und die Erkenntnis und Verbreitung der Wahrheit nicht blos das letzte Ziel des Einzelnen, sondern eben darum auch des Staates ist. Seine höchste Aufgabe ist die Schaffung und Erhaltung solcher Zustände, die möglichst vielen Angehörigen des Staates das Leben nach dem Geiste ermöglichen. In diesem Sinne schreibt Thomas v. Aquin in seinem Kommentar zu dieser Stelle X, lect. XI: »Ad felicitatem speculativam tota vita politica videtur ordinata; dum per pacem, quae per ordinationem vitae politicae statuitur et conservatur, datur hominibus facultas contemplandi veritatem.«
285.Insofern er Mensch ist, ist er vernünftiges Sinnenwesen, Zusammensetzung aus Leib und Seele, und dem entspricht ein Leben körperlicher und sinnlicher Empfindung und Tätigkeit. Insofern er darum dem Denken, der θεωρία, obliegt, lebt er nicht als Mensch, sondern insofern er etwas Göttliches in sich hat, den Geist, durch den er Gott ähnlich ist.
286.Eine solche genauere Aussprache findet sich im 3. Buche, K. 4 von der Seele, wo gezeigt wird, daß der Geist des Menschen mit dem Stoffe nicht vermischt und vom Stoffe getrennt ist. Demnach muß auch die Tätigkeit des Geistes und seine Lust vom Stoffe getrennt und nach aristotelischer Redeweise göttlich sein. – Wir haben in der Vermeidung einer näheren Aussprache über diese Dinge an unserer Stelle wieder einen Beleg für die strenge Systematik des Aristoteles. Vgl. I, Kap. 7, Anm. 23.
287.Unter den Göttern, von denen Ar. hier spricht, sind die Sphärengeister zu verstehen, die nach der Vorstellung der antiken Astronomie die Himmelssphären und mit ihnen die Gestirne bewegten. Ihnen konnte selbstverständlich keine Übung der sittlichen Tugend, keine Handlung der Klugheit, keine Kunsttätigkeit nach Weise menschlicher Künstler zugeschrieben