Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela Reutling

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Mami Staffel 2 – Familienroman - Gisela Reutling Mami Staffel

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um sie dann ebenso umständlich in Brand zu setzen.

      »Das Hannerl war Verkäuferin in einem Schuhgeschäft in Oberau«, begann er zu erzählen. »Dort hat Thilo sie kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick, aber er hat Monate gebraucht, bis er den Mut fand, der Mutter davon zu erzählen. Unsere Mutter wollte das Hannerl erst gar nicht kennenlernen, aber Thilo hat sich durchgesetzt. Auch hat das Hannerl ein wenig Erspartes gehabt, damit haben wir die Küche neu ausgestattet. Und Tante Theres hat ihr dann beigebracht, wie sie kochen und den Käs zubereiten soll. Sie hat auch im Garten gewerkelt, so daß meine Mutter nichts mehr gegen sie einwenden konnte.«

      »Dann war das Hannerl wohl sehr tüchtig?« seufzte Clara.

      »Ja, dabei zart wie ein Grashalm. Tante Theres hat sie liebgewonnen und ihr viel abgenommen. Und ein Jahr nach der Hochzeit hat Thilo dem Hannerl das Mähen auf der Alm beigebracht. Sie konnte es dann besser als die Mutter.«

      »Freute eure Mutter sich darüber?«

      Sepp machte eine Pause, bevor er weitersprach. »Thilo und ich waren viel im Holz. Es war kein guter Sommer, wir hatten viel Arbeit. Und so kam es, daß Hannerl uns allen ihren Zustand verschwieg. Nicht mal der Thilo hat geahnt, daß sie guter Hoffnung war.«

      Er sog an seiner Pfeife. Clara wartete vergeblich auf eine Fortsetzung der Geschichte. Sie bemerkte nur, wie sich sein sonnengegerbtes Gesicht verdüsterte.

      »Hast du das Hannerl gern gehabt?« fragte sie mitfühlend. Sepp sah sie an, dann, ganz unerwartet, setzte er sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter.

      »Sie war mir eine gute Schwägerin. Wie lieb ich sie gehabt hab’, begriff ich erst nach ihrem Tod. Du erinnerst mich an sie. Dabei hab’ ich gar nicht mehr erwartet, für eine Frau so etwas zu empfinden.«

      Clara wollte etwas sagen, aber die Stimme versagte ihr.

      »Ich kann den Thilo jetzt besser verstehen«, murmelte er. »Ja, das kann ich.«

      Clara sah ihn an, und in ihrem Blick stand mehr als Zuneigung. Behutsam lehnte sie sich gegen ihn, bis er sie scheu küßte.

      »Frag nicht mehr nach dem Hannerl«, flüsterte er danach bewegt. »Es macht mich traurig. Jetzt kann ich gerade glücklich sein. So glücklich, wie ich noch nie in meinem Leben war.«

      Da hob sie die Arme und preßte sie um seinen Nacken.

      »Ich auch, Sepp. Ja, auch ich bin glücklich. Seit Jahren hab’ ich keinen Urlaub so genossen wie diesen.«

      *

      Barbara ließ die Hand mit der Kreide sinken und warf so ganz nebenbei einen Blick auf ihre Uhr. In zehn Minuten würde es läuten. Sie wandte sich zu ihren Schülern um.

      »So, nun schreibt ihr alle Begriffe unter meinen Zeichnungen ab.«

      »Brot-Laib, Weiß-Wecken, Vinschgauer, Brezel!« kam es im Chor zurück.

      »Wir haben heute gelernt, was aus dem geernteten Korn gemacht werden kann. Schreibt alles schön von der Tafel ab. Morgen gibt ’s darüber ein Diktat.«

      Karli war immer recht flink. Nach einer knappen Minute legte er den Füller beiseite, sah sich feixend um und zeigte dem kleinen Otto hinter sich einen Vogel an.

      »Karli, komm mal zu mir«, sagte Barbara. Er baute sich mit der Miene eines Unschuldsengels vor ihr auf. »Da du schon fertig bist, wirst du jetzt alle Rechenhefte mit den Hausaufgaben einsammeln.«

      Während Karli von Platz zu Platz ging, trug Barbara ein, wie sie die Stunden dieses Tages genutzt hatte. Naturkunde, eine Stunde Spielen im Hof, dann Lesen und Schreiben mit dem Abhören des Gedichts. Für den morgigen Tag trug sie gleich dick unterstrichen ›Diktat‹ ein.

      »Hier, Tante.« Karli schob ihr den Packen Hefte aufs Pult. Er setzte sich wieder und kramte in seinem Ranzen herum, wobei er seinen Nachbarn nur störte. Barbara beachtete es nicht, denn sie begann ein Heft nach dem anderen zu kontrollieren. Die anderen Kinder waren still, weil das Abschreiben ihnen Konzentration abverlangte.

      »Das ist doch…!« entfuhr es Barbara plötzlich. Alle Augen richteten sich auf sie, so daß sie sich zusammennehmen mußte. »Laßt euch nicht stören«, fügte sie hinzu. Dann blickte sie in die dritte Reihe, wo das Gritli sich mit angestrengter Miene übers Schreibheft beugte.

      Gritli sah heute richtig manierlich aus in ihrem neuen dunklen Shirt, aber ihr Rechenheft war eine Katastrophe! Barbara blätterte zurück und stellte fest, daß die Kleine vom Berghof ihre Rechenaufgaben seit Tagen nicht gemacht hatte.

      »Gritli, komm zu mir.«

      Gritli zog eine Flunsch, folgte aber sofort. Barbara schob ihr die Seiten mit den ungelösten Aufgaben hin.

      »Du hast nicht ein einziges Mal deine Rechenaufgaben erledigt in dieser Woche. Kannst du mir das erklären?«

      Gritli warf das Haar in den Nacken. »Das Gedicht habe ich gelernt.«

      »Sehr schön, aber das war seit letzter Woche zu lernen, Gritli.«

      »Ich wollt ’s ja aufsagen, aber ich bin nicht drangekommen.«

      »Wenn du es gelernt hast, freu ich mich. Aber die Rechnungen der letzten Tage sollten auch gelöst sein. Warum sind sie ’s nicht?«

      Gritli neigte den Kopf, bis ihr Kinn die Brust berührte. Kein Wort war ihr zu entlocken.

      »Dir fehlt die Zeit«, fand Barbara eine Entschuldigung für das Mädchen. »Ihr habt wohl schon Gäste, nicht wahr? Mußt du viel helfen?«

      Gritli nickte hastig, wagte ihr aber nicht in die Augen zu schauen.

      »Das Gedicht konnte ich ja.«

      Barbaras gereiztes Kopfschütteln ließ tief blicken. »So geht es nicht weiter. Entweder du kommst viel zu spät…«

      »Diese Woche aber nicht!«

      »… oder du vergißt deine Hausaufgaben. Niemals klappt beides. Ich kann mir auch denken, warum du das Gedicht gelernt hast. Das geht ja auch oben auf der Alm oder im Stall. Und es dann den Fremden aufzusagen, macht mehr Freude, als über den Rechenaufgaben zu hocken.«

      Gritli rührte sich immer noch nicht.

      »So ein Gedicht kannst auch hoch über den Wolken lernen«, höhnte der schmale Theo und brachte damit die Klasse zum Johlen.

      »Ruhe!« rief Barbara, berührte Gritlis Kinn und hob ihr Gesicht an. Dieses zarte Antlitz war zauberhaft und heute ausnahmsweise gewaschen. Sie fragte sich, womit die Großmutter Heimhofer und der grobschlächtige Sepp ein Familienmitglied verdient hatten, von dem ein so rührender Zauber ausging. Aber was half dieser Gedanke dem kleinen Gritli weiter?

      »Ich werde dir einen Brief für deine Großmutter mitgeben müssen. Sie oder dein Onkel sollen bitte zu einem Gespräch kommen. Hast du mich verstanden, Gritli?«

      Gritli nickte und durfte sich wieder setzen. Einige Kinder kicherten, aber das beachtete Barbara nicht. Sie schrieb einige Sätze auf ein Blatt Papier, holte einen Umschlag aus der Schublade und entschied sich nach kurzem Zögern, ihn an Herrn Sepp Heimhofer zu adressieren. Gritlis Onkel war ein schreckliches Rauhbein,

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