Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
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»Vielleicht doch lieber noch ein bisschen früher, oder?« Verschmitzt zwinkerte er ihr zu. »Von Claudia weiß ich, dass du deiner Schwester vor der Schule das Frühstück machst und die Tankstelle schon früh öffnest.«
Christian hatte ihre Aufgaben zu Hause ganz sachlich erwähnt. Und dennoch. Zum ersten Mal wurde ihr so richtig bewusst, dass Jenny sich ihr Frühstück durchaus selbst machen und ihr Vater die Tankstelle auch mit einem Arm aufschließen konnte. Zumal sie ja nur einen kleinen Betrieb besaßen, ohne frische Brötchen oder sonstige Snacks, die hätten vorbereitet werden müssen.
Diese Erkenntnis traf sie so schlagartig, dass sie nicht wusste, was sie auf Christians Feststellung erwidern sollte.
»Ich weiß nicht …«, sagte sie schließlich. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. »Nein, ich kann heute Abend nicht so einfach wegbleiben. Ich müsste vorher Bescheid sagen.«
Christian nickte mit verständnisvoller Miene, strich ihr zärtlich über die Wange und liebkoste mit liebevollem Blick ihr Gesicht.
»Möchtest du trotzdem auf dem Weg zurück zum Parkplatz einen Schlenker über mein Zuhause machen?«
*
Angelas erster Eindruck beim Betreten des ehemaligen Bauernhauses war, dass sie sich in Christians Heim wohlfühlte. Und ihr zweiter: Hier würden Kinder ein Paradies auf Erden haben.
Es gab viel Raum unter dem für Schwarzwaldhäuser typischen tief gezogenen Dach. Die Einrichtung war gemütlich, aber noch ein bisschen spärlich, was einer Frau wiederum Möglichkeiten bot, einen eigenen Stil hineinzubringen. Rundum in Wiesen eingebettet, strahlte Christians Haus Ruhe und Idylle aus. Und Sicherheit für Kleinkinder, anders als bei ihr zu Hause in Ruhweiler direkt an der Landstraße.
»Wunderschön hast du es hier«, sagte sie zu dem Hausherrn, nachdem er ihr sein Reich gezeigt hatte.
Sie standen im Flur neben einer alten, kunstvoll geschnitzten Truhe.
»Ich freue mich, dass es dir gefällt.« Sein sanfter Tonfall brachte sie fast um den Verstand und ließ ihre guten Vorsätze, schnell wieder zu fahren, dahinschmelzen.
Sie schmiegte sich an ihn. Im nächsten Moment presste er die Lippen auf ihre, sodass sie nicht protestieren konnte. Er küsste sie so verführerisch, dass sie die Zeit vergaß. Unter ihren Händen spürte sie seine Muskeln und seine samtweiche, schön getönte Haut. Ihr Herz pochte schneller bei dem Ansturm der Gefühle, der in ihrem Innern tobte. Sie nahm nur noch Christians frischen Duft wahr, seine Körperwärme, seine Leidenschaft. Während er sie in seinen Armen hielt, war ihr zumute, als würde sie sich in Schwindel erregender Höhe befinden, jedoch dort oben an einem sicheren Ort, wo ihr nichts passieren konnte. Christians Arme würden sie halten.
Dieses gewaltige Glücksgefühl machte sie stumm. Außerdem waren da seine Lippen, die wieder mit ihren zu spielen begannen. Sie seufzte und erwiderte voller Sehnsucht seine Küsse. Dabei durchflutete sie das Gefühl tiefster Verbundenheit und Nähe.
Mitternacht war längst vorbei, als Angela die serpentinenreiche Straße hinauf nach Ruhweiler fuhr. Sie fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Doch je näher sie ihrem Zuhause kam, desto lauter meldete sich tief in ihr eine Stimme, die sie fragte: Und wie soll das jetzt weitergehen mit euch beiden? Hast du überhaupt Zeit für eine feste Beziehung? Was werden deine Eltern dazu sagen, falls du irgendwann einmal zu Christian nach Freiburgs ziehen möchtest?
Sie befahl dieser Stimme zu schweigen. Mit den Antworten auf diese Fragen wollte sie sich frühestens morgen auseinandersetzen. Jetzt war sie nur noch müde, herrlich glücklich und vollkommen beschwerdefrei.
Ihr letzter Gedanke kurz vorm Einschlafen galt dem Landdoktor.
Sie beschloss, ihn am nächsten Tag aufzusuchen.
*
»Angela!«, rief Matthias Brunner erstaunt aus, als Schwester Gertrud ihm die junge Frau als erste Patientin an diesem Morgen in sein Sprechzimmer führte. »Ist etwas mit deiner Mutter?«
Sofort bereute er diese Frage.
Als ob im Hause Häferle alles nur um Monika Häferle gehen musste. Das blasse Gesicht der jungen Frau verriet ihm, dass Angela dieses Mal nicht bei ihm war, um ein Rezept für ihre Mutter zu holen. Heute Morgen ging es um sie selbst.
»Setz dich.« Er zeigte auf den Patientenstuhl vor seinem Schreibtisch. »Was kann ich für dich tun?«
»Also …« Sie holte sichtbar tief Luft. »Ich bin nicht wegen Mutti hier, sondern wegen mir«, leitete sie das Gespräch ein. »Obwohl es zu Hause schon Krach deswegen gegeben hat, weil ich, statt in der Tankstelle an der Kasse zu stehen, zu Ihnen gefahren bin«, fuhr sie mit wehem Lächeln fort, um dann gleich darauf hinzuzufügen: »Aber das wird ja nicht lange dauern.«
Er lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück.
»Das werden wir sehen«, entgegnete er, froh darüber, dass die junge Frau endlich den Weg in seine Praxis gefunden hatte.
Er betrachtete sie, bemerkte, dass sie zögerte. Und beim genauen Hinsehen bemerkte er jetzt ein neuen, ungewohnten Ausdruck in ihren Augen, den Ausdruck von Lebendigkeit, Entschlusskraft.
»Also …«, begann Angela nach einem tiefen Seufzer endlich, »es ist schon seltsam bei mir. Manchmal tut mir der Bauch weh, manchmal die Brust, dann die rechte Körperseite oder der Nacken. Die Schmerzen spazieren durch den ganzen Körper. Heute dies, morgen das. Mal ist mir schwindelig, und heute Morgen zum Beispiel bekam ich sofort nach dem Aufwachen wieder Kopfschmerzen, wie meistens in letzter Zeit.« Hilfe suchend sah sie ihn an. »Kein Wunder eigentlich, dass meine Familie denkt, ich wäre eine Hypochonderin, nicht wahr?«
Matthias hielt seine Patientin keinesfalls für eine solche. Er sah ihr ja schon seit Langem die Überforderung an.
Er schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. »Ich bin weit davon entfernt zu denken, du würdest dir diese Beschwerden nur einbilden. Ich finde es sehr gut, dass du zu mir gekommen bist. Um dir helfen zu können, möchte ich zuerst einmal eine Anamnese erstellen.«
Er nahm seinen Füller und zog einen Anamnesebogen aus der Schreibtischschublade. Dann fragte er Angela nach ihren früheren Krankheiten. Bei ihm war sie bis heute nur ein paar Mal wegen einer Erkältung in Behandlung gewesen.
»Ich war bisher eigentlich immer gesund«, antwortete sie.
Er nickte zufrieden. »Es hätte ja sein können, dass du während deiner Zeit in Freiburg krank gewesen wärst.« Dann sah er sie bedeutsam an und sagte: »Du hast vor zwei Jahren deinen Beruf als Apothekenhelferin aufgegeben, um zu Hause einzuspringen.«
Sie lächelte ein wenig wehmütig. »Es ging ja nicht anders. Mutti hat es allein nicht mehr geschafft, Papa kann ihr kaum helfen, und Jenny will unbedingt Abitur machen, was ich auch gut und richtig finde.« Mehr sagte sie nicht dazu. Keine einzige Klage kam über ihre Lippen, obwohl er sicher war, dass der Grund für ihre Beschwerden in ihrer häuslichen Situation lag.
»Dann würde ich dich jetzt gern untersuchen«, fuhr er fort. »Reine Routine.«
Tatsächlich konnte er bei dieser Untersuchung nichts Auffälliges feststellen. Er rief Schwester Gertrud ins Sprechzimmer, die Angela ein EKG anlegte. Dieses zeigte jedoch nur einen leicht erhöhten