Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Staffel

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Er wusste, dass Herrchen und Frauchen nach dem Abendessen einen Spaziergang machten. Dieses Mal jedoch schienen sich die beiden Zeit damit lassen zu wollen, was den Jagdhund zu einem lauten Seufzer veranlasste, mit dem er sich wieder auf die Holzdielen plumpsen ließ.

      »Meiner Meinung nach leidet Angela an vegetativer Dystonie«, sagte Matthias zu seiner Frau, nachdem er ihr erzählt hatte, dass die Tochter der Häferles am Morgen in der Praxis gewesen war. »Ihr EKG war okay, und ihr Blutbild zeigt auch keinerlei Auffälligkeiten, was mich annehmen lässt, dass ihre Beschwerden rein nervlich bedingt sind.«

      »Das ist kein Wunder«, pflichtete Ulrike ihrem Mann bei. »Die ständig kränkelnde und auf sich selbst bezogene Mutter, der Vater, der nur mit halber Kraft arbeiten kann und sich, wenn du mich fragst, ein wenig hängen lässt. Und dazu noch die faule Jenny. Die ganze Familie lebt doch herrlich und bequem auf Angelas Kosten. Kräftemäßig, meine ich, und alle anderen schonen sich.«

      »Aber irgendwann versiegen auch einmal die Kräfte eines jungen, körperlich gesunden Menschen.« Matthias drehte das Weißweinglas auf dem Tisch. »Ich werde mit den Häferles ein offenes Wort reden müssen, wenn Angela zu schwach dafür ist, sich durchzusetzen und ihre eigene Interessen zu vertreten.«

      »Zu schwach ist sie bestimmt nicht«, wandte die Arztfrau ein. Sie sah ihren Mann bedeutsam an. »Wir wissen doch beide, aus welchem Grund sich Angela derart von ihren Eltern als Arbeitstier einspannen lässt.«

      »Den gleichen Grund vermute ich ja auch«, stimmte Matthias ihr zu. »Dennoch muss da irgendwann einmal eine Grenze gezogen werden, sonst geht sie an sich selbst zugrunde.«

      Ulrike hob den Zeigefinger und lächelte spitzbübisch. »Es sei denn, sie lernt in Bälde einen Mann kennen, der ihr klarmacht, dass sie noch ein eigenes Leben hat.«

      »Du wirst es kaum glauben, aber ich gehe davon aus, dass dies bereits geschehen ist«, erwiderte er. »Sie kam mir heute irgendwie verändert vor. Ich könnte dir gar nicht genau sagen, was mich zu diesem Eindruck verleitet hat. Da war irgendetwas in ihrem Blick. Ein Lebensfunke …«, murmelte er vor sich hin. »Ja, ein Lebensfunke, das könnte es gewesen sein.«

      »Ich würde Angela von Herzen wünschen, dass sich für sie ein Anlass ergibt, über die letzten zwei Jahre nachzudenken und zu dem Schluss zu kommen, dass sie sich bei ihren Eltern nicht als in der Schuld stehend sehen muss.«

      Matthias nickte mit nachdenklicher Miene. »Morgen kommt sie wieder zu mir in die Praxis, um das Ergebnis des Bluttestes sowie die Diagnose zu erfahren. Vielleicht sollte ich dann diesen Punkt einmal ansprechen.«

      »Ganz bestimmt sogar, mein Schatz«, meinte seine Frau. »In diesem Fall kommt dir eher die Rolle des Psychologen zu als die des Humanmediziners.«

      Matthias lachte.

      Er wusste aus seiner über dreißig Jahre langen Erfahrung als Arzt auf dem Land, dass ein solcher auch häufig den Psychologen und sogar manchmal den Sozialarbeiter ersetzen musste.

      *

      Als Angela am nächsten Vormittag im Wartezimmer der Landarztpraxis saß, fühlte sie sich so müde und abgespannt, als hätte sie wochenlang nicht geschlafen. Christians morgendlicher Weckruf hatte ihr nur für wenige Minuten ein Gefühl von Leichtigkeit geschenkt. Nur so lange, bis Jenny wieder einmal mit schlechter Laune die Küche betreten hatte.

      Angela lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schloss für einen Moment die schweren Lider.

      Einmal so richtig entspannen, wie schön wäre das. Vor drei Jahren hatte sie das letzte Mal Urlaub gemacht. Mit Claudia zusammen. Vor ihrem inneren Auge entstand jetzt das Bild von einem langen Strand am blauen Meer, Palmen, die sich sanft im warmen Wind wiegten, und einem Paar, das Hand in Hand durch den weißen Sand schlenderte. Die beiden waren Christian und sie.

      »Angela?« Die tiefe Stimme Schwester Gertruds weckte sie aus ihrem Tagtraum. »Du bist die Nächste.«

      Sie stand auf und ging den Gang hinunter zum Sprechzimmer.

      Jetzt würde sie endlich erfahren, was mit ihrem Körper los war.

      Dr. Brunner empfing sie mit dem für ihn so typischen väterlichen Lächeln.

      »Setz dich«, lud er sie ein.

      Sie nahm auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz und wartete. Dabei konnte sie ihre Finger im Schoß kaum ruhig halten, so nervös fühlte sie sich.

      »Du siehst müde aus«, begann er.

      »Das bin ich auch«, erwiderte sie.

      Er schlug ihre Krankenakte auf, las darin, klappte sie zu und sah sie bedeutsam an.

      Sie schluckte. Ihr Magen krampfte sich zusammen.

      Ob sie eine gefährliche Krankheit in sich trug, die all diese merkwürdigen Symptome auslöste?

      »Sie können mir alles sagen, Herr Doktor«, sagte sie mit belegt klingender Stimme, wie sie selbst hörte. »Die Wahrheit ist besser als gar kein Ergebnis.«

      Da begann er zu lächeln.

      »Du bist kerngesund, organisch zumindest, und darüber bin ich schon einmal sehr froh.«

      Verdutzt rückte sie auf die Sesselkante. »Also bilde ich mir meine Beschwerden nur ein?«

      »Nein, Angela, das tust du nicht. Deine Krankheit ist nervlicher Art. Sie nennt sich Vegetative Dystonie.«

      »Verrückt?«, kam ihr ganz von selbst über die Lippen.

      Wieder lächelte Dr. Brunner.

      »Lass mich dir erklären«, begann er, legte die Arme auf den Schreibtisch und beugte sich zu ihr herüber. »Du leidest unter einer durch seelische Ursachen ausgelösten Störung des vegetativen Nervensystems. Solche Störungen können jedoch so schlimm werden, dass sie schließlich zu ernsthaften organischen Erkrankungen führen. In leichten Fällen leidet der Patient unter erhöhtem Blutdruck, an Unruhe bis hin zu starker Nervosität, sogar Zittern und Hitzewallungen. In bereits schwereren Fällen, wie bei dir, führen diese Störungen zu Schmerzen. Dann sollte diese Krankheit unbedingt ernst genommen und nach den Auslösern für diese Störungen geforscht werden.«

      Tief im Innern kannte sie diese Auslöser genau. Sie hatte ihre gesundheitlichen Probleme erst, seit sie wieder in Ruhweiler lebte.

      »Kann es sein, dass dich die Situation zu Hause überfordert?«, fragte Dr. Brunner jetzt.

      Sie hob den Kopf, sah ihn an und konnte nur nicken. Ihr Hals war plötzlich zugeschnürt.

      Bloß nicht weinen, sagte sie sich streng. Sie räusperte sich und erwiderte: »Ja, Herr Doktor, so ist es. Manchmal habe ich das Gefühl, alles würde zentnerschwer auf meinen Schultern liegen. Das Leben meiner Mutter, das meines Vaters, das von Jenny, die Tankstelle, das Haus, der Garten … Meine Familie ist der Meinung, dass ich mich rund um die Uhr um sie kümmern muss. Ich versuche ja, so gut es geht, es allen recht zu machen, aber ich spüre, wie ich immer mehr meine Kraft verliere, und keiner von ihnen versteht mich. Ich bin da irgendwie in einen Teufelskreis geraten. Als ich vor zwei Jahren in Freiburg gekündigt habe, hatte ich vor, die Tankstelle zu übernehmen, die Vater wegen seiner Behinderung nicht mehr weiterführen und verkaufen wollte. Ich wollte das Sortiment erweitern, etwas Größeres daraus machen. Plötzlich rutschte ich

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