Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman - Patricia Vandenberg Dr. Norden Staffel

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»Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Patient, der sich in Behandlung begibt, immer einen Grund hat. Wenn es nicht die Erkrankung selbst ist, dann benötigt er vielleicht Aufmerksamkeit, Trost und Zuspruch. Ihm alles zu geben, damit er an Körper und Geist gesund werden kann, ist meine Aufgabe«, erklärte er freundlich lächelnd.

      Im ersten Moment wusste Lars nicht, was er dazu sagen sollte. Ohne Daniel aus den Augen zu lassen, machte er den Mund auf und schloss ihn wieder.

      »Bis jetzt warst du mir eigentlich ganz sympathisch«, erklärte er endlich. »Aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und humpelte aus dem Zimmer.

      Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete Dr. Norden erleichtert auf.

      »Da sind wir ja ausnahmsweise mal einer Meinung«, murmelte er, während er Platz nahm. »Aber ich bin ungerecht«, tadelte er sich dann aber selbst. »Immerhin hat er mir sein Vertrauen ausgesprochen, indem er mir die Vertretung angeboten hat. Ich sollte nicht so streng sein.« Doch trotz dieses guten Vorsatzes blieb ein schaler Geschmack zurück, den Dr. Daniel Norden erst vergaß, als Valerie den kleinen Sebastian in Begleitung seines Vaters hereinführte.

      *

      Die Wassertropfen auf Fees Körper glitzerten in der Sonne, und sie lachte, als sie nach einem ausgiebigen Bad auf den schneeweißen, kilometerlangen Sandstrand zurückkehrte. Hier und da lockerten Palmen das Bild auf, und Fee konnte es kaum fassen, wirklich hier zu sein. Nele beobachtete sie, wie sie aus dem Wasser auf sie zukam.

      Das Glück umstrahlte die Ärztin wie eine Aureole, dass Nele fast die Augen schließen musste, so sehr schmerzte sie dieser Anblick.

      »Du bist ja immer noch angezogen!«, keuchte Fee und bückte sich nach dem Handtuch, das auf der Liege auf sie wartete. »Das Wasser ist herrlich! Das musst du unbedingt ausprobieren.«

      »Später«, winkte Nele ab. »Mir ist gerade nicht nach sportlicher Betätigung.« Vollständig bekleidet lag sie auf der Liege und schützte Müdigkeit vor.

      Fee ahnte, woher die gedrückte Stimmung rührte. Wieder musste sie an die Szene zwischen Mutter und Tochter denken. Gleich im Anschluss an Lillis Abgang hatte sich Nele betont fröhlich gegeben. Die ganze Busfahrt über hatte sie munter geplaudert und eine Anekdote nach der anderen über ihre Arbeit als Ernährungsberaterin erzählt. Doch irgendwann war es ihr nicht mehr gelungen, die Fassade aufrecht zu erhalten. Nele war immer stiller geworden und irgendwann ganz verstummt.

      Der psychologisch geschulten Ärztin war die Stimmung ihrer neuen Freundin nicht verborgen geblieben. Schon im Wasser hatte sie darüber nachgedacht, wie sie das Thema anschneiden konnte.

      Jetzt breitete sie das Handtuch auf der Liege aus und legte sich neben Nele.

      »Ich bin ja mal gespannt, ob Lilli und Felix genauso viel Spaß haben wie wir«, versuchte sie, Nele eine Brücke zu bauen, indem sie ihre eine Gelegenheit bot, über ihre Tochter zu sprechen.

      »Bestimmt«, kam eine einsilbige Antwort.

      Offenbar hatte Nele keine Lust, über den Ärger mit Lilli nachzudenken. Um sie nicht in die Enge zu treiben, musste Felicitas wohl oder übel auf eine weitere Bemerkung in diese Richtung verzichten. So beschloss sie, den Rest des Tages einfach zu genießen.

      Sie legte sich zurück, schloss die Augen und seufzte tief.

      »Herrlich. Ich hab mich schon lang nicht mehr so frei und unbeschwert gefühlt wie jetzt.« Das waren gedankenlose Worte, einfach so dahin gesagt.

      Und doch machten sie Nele schmerzlich bewusst, was ihr selbst seit Jahren fehlte. Sie drehte den Kopf und betrachtete Fees Gesicht. Die ganze Zeit kämpfte sie schon mit sich, der neuen Freundin ihr übervolles Herz auszuschütten. Aber konnte sie ihr auch vertrauen?

      Sei nicht albern. Sie ist nicht wie Lars!, mahnte sie sich selbst.

      »Ich wäre froh, wenn ich das auch von mir behaupten könnte«, hörte sie sich im nächsten Augenblick leise sagen.

      Innerlich war Fee sofort in Alarmbereitschaft. Doch sie gab sich Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Auf keinen Fall durfte sie jetzt einen Fehler machen.

      »Aber du hast doch alles, was sich ein Mensch wünschen kann. Einen netten Mann, eine hübsche Tochter – gut, Lilli ist im Augenblick vielleicht ein bisschen zickig, aber das geht vorbei. Außerdem hast du mir von deinem schönen Haus erzählt und von deinem tollen Job«, zählte sie scheinheilig und mit geschlossenen Augen auf. »Wo ist das Problem?«

      Nele merkte, wie sich ihr Hals zuzog. Tränen stiegen ihr in die Augen.

      »Das Problem?« Sie lachte bitter. »Mein ganzes Leben ist ein einziges Problem.«

      Das klang so dramatisch, dass Fee nicht länger ruhig liegen bleiben konnte. Ruckartig setzte sie sich auf und sah ihre Freundin an.

      »Um Gottes willen, was ist denn passiert?«

      »Ach!« Mehr konnte Nele nicht sagen. Sie schluchzte auf und nahm dankbar die Packung Taschentücher, die Felicitas aus ihrer großen Tasche gekramt hatte. Wo sollte sie anfangen zu erzählen? »Eigentlich weißt du es ja schon.«

      »Du meinst den Streit mit Lilli?«

      Nele nickte, während sie sich die Augenwinkel betupfte. Tränen wollten nicht recht zu dieser paradiesischen Landschaft passen.

      »Es ist einfach grauenhaft zur Zeit.«

      »Ach, komm schon!« Tröstend legte Fee den Arm um die ­Schultern der Freundin. »So was kommt in den besten Familien vor. Wie heißt es so schön: Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen, komisch zu werden«, wagte sie einen Scherz.

      Er verpuffte ungehört, denn inzwischen hatte Nele eine Entscheidung getroffen.

      »Lilli ist gar nicht unsere Tochter.«

      Möwen zogen kreischend ihre Kreise über dem Strand. Kleine Wellen brandeten ans Ufer. In der Nähe kreischten Kinder vor Lebensfreude, während Fee versuchte, die Bedeutung dieser Worte zu verstehen. Der Versuch misslang.

      »Wie meinst du das? Sie ist nicht eure Tochter?«

      Schon bereute Nele den Moment der Schwäche. Wenn Lars davon erfuhr, würde er wieder böse werden mit ihr. Und er hatte ja recht. Sie war wirklich schwach. An Fees Blick bemerkte sie aber, dass es kein Zurück mehr gab. Jetzt musste sie Farbe bekennen. Doch zumindest konnte sie versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben.

      »Lars hatte als Kind Mumps und ist deswegen unfruchtbar«, gestand sie und verlor sich im Anblick des weiten, glitzernden Ozeans. »Trotzdem haben wir uns Kinder gewünscht und Lilli als Baby adoptiert.«

      »Aber das ist doch kein Grund, traurig zu sein. Ganz im Gegenteil!«, wandte Fee ein. »Dan und ich wollten auch mal ein Kind adoptieren, haben dann aber beschlossen, doch erstmal eigenen Nachwuchs zu produzieren.« Wie immer, wenn sie an ihre fünfköpfige Kinderschar dachte, leuchtete ihr Gesicht auf. »Das hat so gut geklappt, dass wir diese Idee schließlich verworfen haben. Aber ich ziehe den Hut vor allen Paaren, die diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen.« Ihre Stimme war so leidenschaftlich, dass Nele unwillkürlich lächeln musste.

      »Zwischendurch ist es ziemlich schwierig. Bereut habe ich es trotzdem nie«, gestand sie. »Lilli ist das Glück meines Lebens.

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