Dr. Norden Staffel 7 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Ich hab jeden Tag Ostern«, stöhnte Felicitas Norden und hob jedes einzelne Sofakissen von der Couch in ihrer Suite. »Ich suche immer irgendwas.«
Es war noch früh am Morgen, und diesmal war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. Anders als in Amerika wurde die ›Caribbean Pearl‹ bei der Einfahrt in den Hafen von Nassau von einem romantischen kleinen Leuchtturm empfangen und von Palmen, die sich im Wind bogen.
Dr. Daniel Norden kam gerade aus dem Bad. Er hatte die Bemerkung seiner Frau gehört und lachte.
»Was ist es denn diesmal?«
Fee stand vor dem Sofa und sah sich ratlos um.
»Meine Sonnenbrille. Ich könnte schwören, dass ich sie gestern auf die Lehne gelegt habe.«
»Nimm doch inzwischen die hier, bis du eine andere findest«, empfahl Daniel und deutete auf das Etui, das neben einem Stapel Bücher auf dem Couchtisch lag.
Kopfschüttelnd steckte Fee das Corpus delicti ein.
»Danke, mein Schatz. Was würde ich nur ohne dich tun?« Sie drehte sich zu ihm um und küsste sein frisch rasiertes Gesicht.
»Genau das, was du heute tun wirst«, erwiderte er mit einem Blick auf die Uhr. »Haben wir noch Zeit für ein gemeinsames Frühstück?« Ein Anflug von Enttäuschung trübte seine Miene.
»Haben wir«, tröstete Fee ihn schnell. »Außerdem sollst du doch nicht traurig sein. Immerhin freust du dich auf die Erfahrung, Leiter eines Hospitals auf einem Kreuzfahrtschiff zu sein. Zumindest hast du mir das gestern Abend glaubhaft versichert«, erinnerte sie ihn an das Gespräch, das sie am vergangenen Abend an Deck geführt hatten.
»Vielleicht habe ich meine Meinung über Nacht geändert.« Er schlang die Arme um sie und hielt sie fest, als wollte er sie nicht gehen lassen.
»Um mit mir bunt schillernde Papageien, Pfauen und die seltenen Iguana-Echsen zu bewundern?«, zählte Fee ohne jedes Mitleid das auf, was sie schon am frühen Morgen in den Schiffsnachrichten gelesen hatte. »Oder würdest du lieber mit dem Katamaran hinaus aufs türkisfarbene Meer fahren und dich später am schneeweißen Sandstrand aalen?«
Daniel schob seine Frau von sich und unterzog sie einer eingehenden Musterung.
»Ich glaube, ich muss mal ein ernstes Wort mit deinem Vater reden.«
»Mit meinem Vater?« Fee legte den Kopf schief. »Warum das denn?«
»Ich muss ihn dringend darauf hinweisen, dass er dir den falschen Namen gegeben hat«, löste Dr. Norden das Rätsel bereitwillig auf. »Du hättest nicht Fee, sondern Hexe heißen sollen.«
Mit einer Drehung wand sie sich aus seinen Armen, dass er Gelegenheit hatte, ihren Anblick zu bewundern. Zu einem bestickten Trägerhemd in Taupe trug sie weiße Shorts und bronzefarbene Flipflops. Ein paar Stunden an Deck hatten genügt, um ihrer Haut eine leichte Tönung zu verpassen. In den Augen ihres Mannes wurde Fee mit jedem Tag nicht nur reifer, sondern auch schöner. Im Normalfall freute er sich auch an ihrem Anblick. Anders an diesem Urlaubstag, an dem er sie nicht begleiten konnte. Zu allem Überfluss war das seine eigene Entscheidung.
»Und du hättest Lars’ Angebot, die Leitung des Hospitals für die Dauer seiner Erkrankung zu übernehmen, nicht annehmen müssen«, dachte sie gar nicht daran, ihn zu bedauern. Stattdessen griff sie nach der großen Tasche, die farblich auf Top und Schuhe abgestimmt war, und packte Sonnenbrille, Portemonnaie und Creme ein. Als Fee damit fertig war, lächelte sie ihren Mann engelsgleich an. »Wenn du aber tief in dein Innerstes hörst, wirst du feststellen, dass diese Chance genau das ist, wovon du insgeheim geträumt hast.« Sie streckte die Hand aus und streichelte seine Wange.
Daniel hielt sie fest und küsste die Innenfläche. Dabei sah er Fee tief in die Augen. Wie so oft kannte sie ihn fast besser als er sich selbst.
»Und du bist mir auch wirklich nicht böse?«
Felicitas erwiderte seinen Blick. Wie immer, wenn sie etwas im Schilde führte, sprühten ihre Augen Funken.
»Unter einer Bedingung«, verlangte sie, und schon schwante den Arzt Übles, als sie schmunzelnd fortfuhr. »Du sprichst nicht mit meinem Vater. Das mit der Hexe bleibt unter uns.«
Ob er wollte oder nicht musste Daniel laut auflachen.
»Ich glaube, das lässt sich einrichten«, versprach er. »Und jetzt ziehe ich mich schnell an, sonst wird das mit dem gemeinsamen Frühstück nichts mehr.« Er küsste sie noch einmal, um dann, nur mit Retroshorts bekleidet, an ihr vorbei zum Kleiderschrank zu gehen.
Fees bewundernder Blick folgte ihm. Auch nach all den Jahren hatte er nichts von seiner Anziehungskraft auf sie verloren.
»Schade eigentlich!«, stellte sie fest und gab ihm einen Klaps auf den Po, den er vorsichtshalber ignorierte. Andernfalls hätte er nicht dafür garantieren können, dass sie die Suite an diesem Tag überhaupt noch verlassen hätten. Weder in Richtung Hospital noch in Richtung Karibikstrand.
*
Von einer Harmonie, wie sie zwischen dem Ehepaar Norden herrschte, konnte Nele Forberg nur träumen.
Verschreckt wie ein junges Reh stand sie neben der Tür ihrer Suite und ließ ihren Mann nicht aus den Augen.
»Warum dieser Ausflug? Du solltest bei mir sein und mich pflegen«, schimpfte er, während er vor ihr auf und ab humpelte. »Immerhin hab ich das hier dir zu verdanken!« Er blieb vor ihr stehen und schüttelte den eingegipsten Arm vor ihrer Nase. Vor Angst stockte Nele der Atem, und ihre Augen wurden groß und rund wie Untertassen.
»Ich hatte keine Chance«, beteuerte sie. »Fee Norden hat so lange auf mich eingeredet, bis ich nicht mehr nein sagen konnte.« Das war nicht die Wahrheit. Aber obwohl Nele Forberg nur Gewalt noch mehr hasste als Lügen, hatte sie keine Wahl. »Was hätte ich denn tun sollen? Die Nordens sollen doch weiter daran glauben, dass wir uns beim Sturm verletzt haben.« Unwillkürlich hob sie die Hand und betastete die Kruste auf der Lippe.
Lars stand im T-Shirt vor ihr. Jeder einzelne Muskel zeichnete sich durch den dünnen Stoff ab. Seine Brust hob und senkte sich, während er ihr in die Augen starrte. Jeden Augenblick rechnete Nele damit, dass es wieder passieren würde. Er holte tief Luft.
Aber plötzlich geschah etwas. Plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. Die Härte verschwand und seine Züge wurden fast weich, mitfühlend.
»O Nele. Ich wollte das nicht. Aber du hast mich gezwungen. Das weißt du doch, oder?« So weich seine Miene war, so stechend war der Blick aus seinen Augen.
»Ja, natürlich weiß ich das.« Neles Stimme war tonlos. Schon wieder eine Lüge.
Lars bemerkte es nicht.
»Genauso, wie du weißt, dass das alles nicht passiert wäre, wenn du nicht versprochen hättest, Lilli zu helfen«, wiederholte er die immer gleiche Erklärung.
Als sich der Gipsarm ihrer Wange näherte, zuckte Nele zurück.
»Hey, Kleines, darf ich dich jetzt noch nicht mal mehr streicheln?« Seine Finger kratzten