Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Musst du wirklich schon abreisen?« Mit flehendem Blick stand Anneka vor dem Prinzen, der zum Aufbruch rüstete. Die Koffer waren gepackt, und Daniel stand bereit, um seinen Freund höchstpersönlich auf die Insel der Hoffnung zu bringen.
»Schon?« Hasher lachte herzlich und streichelte dem Mädchen über die Wange. Diese harmlose Berührung genügte, um ihr eine tiefe Röte ins Gesicht zu treiben. »Eigentlich wollte ich schon bald wieder zu Hause sein. Kalila ist nicht gerade erfreut darüber, so lange auf mich verzichten zu müssen.
»Das kann ich mir vorstellen.« Fee, die ihre älteste Tochter und den Prinzen beobachtet hatte, legte tröstend die Hand auf Annekas Schulter. »Es gibt nicht viele Frauen, die so großzügig sind und so lange auf ihren Mann verzichten.«
Hasher, der damit kämpfte, Lennis üppiges Brotzeitpaket in einer Reisetasche zu verstauen, richtete sich auf und erlaubte sich einen sehnsüchtigen Gedanken an seine Verlobte.
»Kalila ist eine wundervolle Frau. Meine große Liebe. Sie zu verlieren, wäre das größte Unglück, das mir zustoßen könnte«, erklärte er innig. Dann nahm er seinen Koffer in die eine und die Reisetasche in die andere Hand und brachte sie hinaus zum Wagen.
Verzückt starrte Anneka ihm nach.
»So einen Mann will ich auch mal haben«, seufzte sie. »Hast du gesehen, wie seine Augen aufgeleuchtet haben, als er Kalilas Namen gesagt hat?«
Fee lachte erleichtert auf. Sie hatte schon befürchtet, dass sich ihre große Tochter in eine unsinnige Schwärmerei verrannt haben könnte. Doch offenbar hatte sie sich geirrt.
»Prinz Hasher ist wirklich ein ganz außergewöhnlicher Mensch«, räumte sie ein und beobachtete ihren Mann und den Prinzen durch die weit geöffneten Türen dabei, wie sie das Gepäck im Wagen verstauten. »Aber noch ist er ja im Lande. Vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, ihn noch einmal auf der Insel der Hoffnung zu besuchen. Opi und Anne freuen sich auch, wenn wir mal wieder vorbeikommen.«
»Au ja, und dann feiern wir wieder so ein schönes Gartenfest wie das letzte Mal, und Dési und ich zapfen Bier«, rief Janni vergnügt. Er hatte die letzten Worte seiner Mutter aufgeschnappt, als er in Badehose in die Küche geflitzt kam, um sich ein Glas von Fees erfrischender selbst gemachter Zitronenlimonade einzuschenken.
»Bier?« Felix kam gerade die Treppe herunter, um den orientalischen Gast zu verabschieden. Er maß seinen Bruder mit tadelndem Blick. »Du bist noch viel zu klein für Alkohol.«
Janni leerte das Glas in gierigen Schlucken. Als er es abgesetzt hatte, wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und funkelte seinen großen Bruder an.
»Zu jung vielleicht, aber nicht zu klein«, korrigierte er Felix frech und stellte sich auf die Zehenspitzen.
»Gib dir keine Mühe. Das dauert noch Jahre, bis du mich eingeholt hast«, winkte Felix unbeeindruckt ab.
Schon wollte sich Janni mit Gebrüll auf seinen Bruder stürzen, als Daniel und Hasher hereinkamen. Es wurde Zeit, in Richtung Roseninsel aufzubrechen, und die Familie versammelte sich um den orientalischen Gast, der ein wenig von dem fremdländischen Flair in ihr Heim gezaubert hatte.
»Alles Gute«, wünschte Lenni und ließ sich schüchtern von Hasher umarmen. Offenbar fürchtete sie immer noch, in den Orient entführt zu werden, und war sichtlich erleichtert, als er sie mit warmen Dankesworten aus der Umarmung entließ.
»Hoffentlich verhungert ihr nicht, bis ihr im Sanatorium angekommen seid«, lachte Felix in Anspielung auf Lennis Fresspaket und klopfte dem Prinzen kameradschaftlich auf die Schulter. »Wir sehen uns bald wieder.«
»Spätestens zur Hochzeit«, rief Dési aus dem Hintergrund. Auch sie wartete ungeduldig darauf, an die Reihe zu kommen und Hasher zu umarmen. »Ich möchte soooo gern wissen, wie so eine orientalische Hochzeit ist«, erklärte sie, als Hasher sie übermütig hochhob und in die Arme schloss.
»Nun, ich glaube, das lässt sich einrichten«, versprach er feierlich, und Désis Augen leuchteten und funkelten vor Freude wie zwei Sterne.
Nachdem sich Hasher auch von Tatjana und Danny verabschiedet hatte, blieb nur noch Fee.
»Es war wunderschön, dich wiederzusehen«, erklärte sie, nachdem sie ihn links und rechts auf die Wange geküsst hatte. Nun ruhten ihre Hände auf seinen Schultern, und sie sah ihn lächelnd an. »Die Zeit im Orient war wunderbar, und es ist schön, dass sie in unserer Freundschaft eine Fortsetzung findet.«
Hasher sah Fee tief in die Augen, als er sagte: »Jede wahrhaftige Geschichte ist unendlich. Ich bin sicher, dass das Abenteuer Orient und unsere Freundschaft erst begonnen haben.« Er ließ offen, was genau er damit meinte, und zwinkerte Felicitas zu, ehe er sich zum Gehen wandte und an Daniel vorbei hinaus zum Wagen ging.
»Weißt du, was er damit gemeint hat?«, fragte Fee ihren Mann, als der sie zum Abschied küsste.
»Keine Ahnung.« Lächelnd zuckte Daniel mit den Schultern. »Das Leben ist voller Überraschungen.«
Das erlebte auch Rebecca Schultze, als es an diesem Morgen an ihrer Tür klingelte. Gemeinsam mit ihrem Freund Jonas saß sie auf der Terrasse am Frühstückstisch und genoss das herrliche Sommerwetter, als die Klingel schrillte.
»Nanu, wer kann das sein?«, fragte sie, und ihr Herz klopfte schneller. Natürlich hatte auch sie die Schlagzeilen gelesen. Ihr Mann Thomas war wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Doch auch wenn sie diese Nachricht beunruhigte, rechnete sie nicht damit, dass er so schnell bei ihr auftauchen würde. Sie wollte es nicht. Zum ersten Mal seit langer Zeit war alles perfekt in ihrem Leben, und sie freute sich schon auf Jonas’ Gesicht, wenn sie ihm von der Schwangerschaft erzählte. »Um diese Uhrzeit?« Der Unwille stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Als sie Anstalten machte aufzustehen, hielt Jonas sie lächelnd zurück.
»Bleib sitzen, Schatz. Ich geh schon.« Er legte die Serviette zur Seite und stand auf. Auf dem Weg ins Haus blieb er bei Rebecca stehen. Er beugte sich über sie und küsste sie zärtlich aufs Haar. »Das ist sicher der Paketbote. Ich hab doch die Teile für mein Motorrad bestellt.« Dann ging er, um zu öffnen. Es war nicht der Paketbote.
»Ja bitte?«, fragte er den Fremden, der vor der Tür stand.
»Mein Name ist Thomas Schultze«, stellte sich der Mann ohne ein Lächeln im Gesicht vor. Der Blick aus dunklen Augen war unergründlich. »Ist meine Frau zu Hause? Ich möchte mit ihr sprechen.«
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