Nur keine Panik. Wolfram Pirchner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Nur keine Panik - Wolfram Pirchner страница 9
Burn-out
Rasch erschöpft war ich damals, in meiner Panikattacken-Zeit, reizbar, kraftlos. Dazu kam auch ein sonderbares Phänomen: Ich war matt, träge, faul nach außen, innerlich aber war ich angespannt, unruhig und nervös. Heute weiß ich, dass das alles Vorzeichen eines beginnenden Burn-outs waren. Burn-out gehört in die Hand eines erfahrenen Arztes, eines guten Diagnostikers. Die Diagnose Burn-out sollte meiner Meinung nach aus einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis heraus gestellt werden. In der vollen Ausprägung umfasst Burn-out die Erschöpfung auf der körperlichen, der geistigen und auch der seelischen Ebene.
Es existieren immer noch keine zuverlässigen und konkreten Burn-out-Statistiken. Wenn man die Entwicklung der psychisch bedingten Krankenstandsraten und Berufsunfähigkeitspensionen beobachtet, dann ergibt sich ein beängstigendes Bild. Seelische Beschwerden verursachten im Jahre 2009 mehr als 2,4 Millionen Krankenstandstage in Österreich. Frauen liegen hier mit 1,5 Millionen deutlich vor den Männern. Vergleicht man dies mit Zahlen aus dem Jahr 1995, so ergibt sich für Frauen ein unglaublicher Anstieg von mehr als 155 Prozent, bei Männern von 88 Prozent. Auch die Spitalsaufenthalte, die einen psychischen Hintergrund aufweisen, stiegen seit Mitte der Neunzigerjahre um 96 Prozent an. Würden dann noch jene Krankenstands- und Spitalstage, die auf einer »Organdiagnose« beruhen und hinter denen sich als Auslöser ebenfalls ein Erschöpfungssyndrom verbirgt, hinzugerechnet, ergäbe sich ein noch viel problematischeres Bild. Auch die Erwerbsunfähigkeitspensionen, denen eine psychische Ursache zugrunde liegt, sind laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger seit 1995 um 116 Prozent gestiegen. Das sind alarmierende Zahlen, bedenkt man den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von 7 Milliarden Euro, den psychische Erkrankungen verursachen. Burn-out findet sich heute in allen Berufsgruppen, beruflichen Hierarchiestufen und in allen Lebensphasen wieder. Auch die »Schönen, Reichen und Erfolgsgewohnten« sind vor diesem komplexen Erschöpfungssyndrom nicht gefeit.1
»Burn-out« – es gibt so viele Definitionen, Experten, Betroffene, dass man gar nicht weiß, wo die Problematik anfängt und wo sie aufhört. Ich versuche es aus meiner Sicht zu erklären. Ja, man muss einmal »gebrannt« haben, also ein »Burn-in« oder »Burn-on« gehabt haben, um sich ausgebrannt, »burned out«, zu fühlen. Das heißt, das Feuer ist erloschen. Und dann kannst du ohne Brennstoff, ohne Streichhölzer oder Feuerzeug nichts machen. Noch etwas brauchst du dazu: Sauerstoff. Seit dem Jahre 1974 taucht der Begriff zunehmend im alltäglichen Sprachgebrauch auf. Ich glaube ja, dass nicht jede herausfordernde Lebenssituation, Stresssituation, Arbeitsüberlastung (tatsächlich oder gefühlt), egal ob privat oder beruflich, gleich ein »Burn-out« ist. Oft ist es ein länger andauernder Zustand psychischer und physischer Erschöpfung, mit dem Veränderungen im Verhalten und im Erscheinungsbild einhergehen. Burn-out wird im ICD-10, das ist die internationale Klassifikation der Erkrankungen, nicht als eigenständiges Krankheitsbild geführt. Was heißt das? Sind das alles Hypochonder, die glauben, an Burn-out erkrankt zu sein? Oder, was dramatisch wäre, wird hier oftmalig und zum Schein ein Begriff verwendet, der Termini wie Arbeitsunlust, Faulheit, Trägheit etc. relativ leicht ersetzt? Sind tatsächlich so viele Arbeitnehmer derart frustriert, dass sie nicht arbeiten wollen? Dass sie sich Krankentage nehmen, daheim bleiben und unter dem Strich ein Burn-out vortäuschen? Das mag im einen oder anderen Fall schon zutreffen, aber nicht jeder, der ein paar Tage blaumacht, ist ein Burn-out-Betroffener. Eher schon ein schlichter Tachinierer.
Du darfst auch Fehler machen!
Burn-out sollte man differenziert betrachten. Im Ernstfall liegt eine massive gesundheitliche Beeinträchtigung vor, die, wenn sie unbehandelt, falsch behandelt oder zu lange ignoriert wird, zu zerstörenden Konsequenzen für das soziale und berufliche Leben führt. Ich habe mich mit meinen Symptomen der Angstzustände und Panikattacken zweifellos in den ersten Stadien eines Burn-outs befunden. Die volle Ausprägung erreichte ich noch nicht, also die totale Erschöpfung aller Seinsbereiche, körperlichen, geistigen oder seelischen. Was heute geradezu unwirklich erscheint, in meiner Erinnerung, sind Dinge wie etwa Einkaufen. Die Planung und die Realisierung eines scheinbar ganz normalen Einkaufs im Supermarkt erschlug mich fast. Es erdrückte, es belastete mich, es schnürte mich zu. Alleine die Vorstellung, dorthin gehen zu müssen, mich dem »Ganzen« aussetzen zu müssen, war fast unerträglich. Es war eine große körperliche Belastung in Verbindung mit einem hohen emotionalen Druck und einem geistigen Planungsaufwand. Dazu kam, dass die wenigen Vertrauten, die wussten, wie es um mich stand, oft sagten: »Na geh. Du schaust doch gut aus, gar nicht krank, das bildest du dir alles nur ein. Reiß dich zusammen!« Mit diesem »Reiß dich zusammen« konnte und kann ich überhaupt nichts anfangen. Das ist so ziemlich der schlechteste Rat oder auch gut gemeinte Hinweis, den man Betroffenen geben kann. Viele sogenannte Perfektionisten sind gestresst und damit Burn-out-gefährdet. »Ich muss alles perfekt machen«, »Es muss alles funktionieren«, »Ich darf nicht versagen« – kommt dir das bekannt vor? Nein, du musst nicht perfekt sein, es muss auch nicht alles funktionieren. Du darfst auch Fehler machen! Du darfst deine ständigen Antreiber auch durch »Erlauber« ersetzen. Du darfst auch manchmal schwach sein. Du darfst auch einmal müde sein. Andauernd solltest du es freilich nicht sein, weil sich das ziemlich bald auf deine soziale, wirtschaftliche und persönliche Situation auswirken würde. Jede und jeder möchte verständlicherweise den Stress loswerden, loslassen, loslassen können. Das »Loslassen« ist ein Begriff, der mich zeitlebens begleitet. Ganz gelingt mir das Loslassen in unterschiedlichsten Lebenssituationen noch nicht so, wie ich mir das theoretisch als ideal vorstelle. Aber alleine, dass ich mich in Wörtern und Bildern, also in meinen Gedanken, damit beschäftige, ist ein erster Schritt. Mit dem »Schwer-loslassen-Können« befinde ich mich in bester Gesellschaft. Viele von uns können es nicht oder nur schlecht. Dabei sehnen wir uns doch alle danach, uns frei zu machen, frei von Ängsten, Vorurteilen, Ärger, Stress und einem negativen Selbstbild. Eine wirkliche, eine tief greifende Veränderung kannst nur du selbst herbeiführen. Das kann dir niemand abnehmen. Ja, der Therapeut oder der Coach, auch der Psychiater in intensiveren Fällen, kann dich unterstützen, kann dich begleiten – verändern musst du es. Und vor allem musst du den Willen dazu haben, loszulassen, was nicht zu dir gehört! Diese Erkenntnis wird dir helfen, diese Erkenntnis wird dich heilen.
»Heilen« – ich mag dieses Wort, diesen Begriff, mit all seiner Dichtheit und Wirkungsfähigkeit sehr. Das war nicht immer so. Ich kannte das Wort »heilen« immer nur im medizinischen Zusammenhang. Heute kann ich damit sehr viel anfangen und es hat mir auf meinem Lebensweg sehr viel Gutes gebracht. Kurt Tepperwein, der bekannte Therapeut und Heilpraktiker, Dozent an der Akademie für geistige Wissenschaften in Liechtenstein, antwortet auf die Frage, warum wir loslassen sollen: »Nur wer frei ist von den Belastungen des Alltags, wer sich frei machen kann von den Sorgen, vom Stress und von der Hektik, wer seine Seele quasi frei gibt, kann Intuition erfahren. Intuition entwickelt sich aus dem tiefsten Inneren. Wir alle sind mit Intuition ausgestattet, die meisten von uns haben sie verschüttet. Die Intuition ist so etwas wie unsere innere Stimme.« Tepperwein hat völlig recht, unsere Intuition ist tief in unserem Inneren verankert. Finden wir sie wieder! Erfolgreiche Menschen verlassen sich häufig auf ihre Intuition – viel mehr als auf ihren Verstand.
Wenn auch die Saite eines Instruments die Fähigkeit zum Tönen hat – sie muss berührt werden, um zu klingen.
I-Ging
Wir finden zahllose Entschuldigungen und Rechtfertigungen vor uns selbst, um den Stress weiterhin in unserem Leben zu erhalten. Die Frage ist aber: Entscheiden wir, was wir tun sollen/müssen/dürfen, oder tun