Nur keine Panik. Wolfram Pirchner

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Nur keine Panik - Wolfram Pirchner

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Du wirst vermutlich an deine Toleranzgrenzen stoßen. Gegenüber Arbeitskollegen, Freunden und auch gegenüber der eigenen Familie. Ich habe dasselbe Phänomen festgestellt, als ich mir nach jahrzehntelanger zweifelhafter Raucherkarriere im Dezember 2012 das Rauchen abgewöhnt habe. Von einer Stunde auf die andere. Ich wollte mir mein Leben nicht mehr vernebeln. Mit 15 habe ich begonnen, die ersten Tschick zu qualmen, mit 16 und 17 waren das möglicherweise noch schwer pubertäre, der Geltungssucht geschuldete Handlungen und ab 18, 19 Jahren begann mir die Raucherei zu schmecken. Nun war ich fest entschlossen, mit dem Qualmen aufzuhören. Was habe ich alles für Bücher gelesen, welche Seminare wollte ich nicht besuchen, die vielen Personal-Coaches, denen ich berufsbedingt zuhören durfte und musste. »Kommen Sie, ich hypnotisiere Sie.« Bloß nicht. Hypnose, das fehlte mir noch. Ich ließ mich schließlich dazu überreden, eine Psychologin aus Bregenz in Vorarlberg aufzusuchen, die ihr Programm »Abenteuer Rauchfrei« nennt. Was für ein Blödsinn, dachte ich. Ich sollte ca. fünf Stunden mit der guten Frau verplempern, mich von meiner Last »befreien« lassen und dann nichts mehr rauchen. Großartig. Ich traf mich mit der Frau Doktor. Eine sympathische, junge und trotzdem ein wenig mütterlich wirkende Person mit einer angenehmen Art und Stimme. Stimme ist sehr wichtig, findest du nicht? Und Geruch. Der Geruchssinn ist übrigens schon bei der Geburt vollständig ausgebildet. Eine weitere Eigenschaft des olfaktorischen Systems beim Menschen ist, dass es alle 60 Tage durch die sogenannte Apoptose erneuert wird. Dabei sterben die Riechzellen ab und werden durch Basalzellen erneuert. So steht es in Wikipedia.

      Versuch es einmal. Nur einen Tag. Alkoholfrei.

      Ich erinnere mich, dass es ein sehr angenehmes Gespräch war – immerhin rund vier Stunden lang. Eine Art Powerpointpräsentation war es, informativ, sie sprach davon, was der Staat an meinem Zigarettenkonsum verdienen würde. Zum Thema Gesundheit sagte sie nicht sehr viel, die gesundheitlichen Auswirkungen kennen wir eh schon allesamt. Bilder von Zigaretten rauchenden Babys und Kindern zeigte sie mir. Manipulierte Fotos, die aber zweifellos ihre Wirkung haben. »Warum lassen Sie Ihre (damals) neunjährige Tochter nicht rauchen, wenn das so ein fantastisches Gefühl ist?« Es war keine Hypnose, keine Gehirnwäsche, aber was war es dann?

      Nach drei Stunden forderte sie mich auf, eine Pause zu machen, hinunter auf die Straße zu gehen und eine Abschiedszigarette zu rauchen. »Verabschieden Sie sich von Ihrer letzten Zigarette«, sagte sie. »Sie können ihr auch gerne einen Abschiedsbrief schreiben, wenn Sie das wollen«, meinte sie. Nun denn, ich ging hinunter, nahm meine Packung Zigaretten gierig-liebevoll in die Hand und dachte schon daran, wie gut mir die Zigerln schmecken würden, wenn ich nach der »Rauchentwöhnung« ins Auto steigen werde. Ich nehme also meine »letzte Zigarette« in die Finger, zünde sie an, ich erinnere mich noch an das fauchende Geräusch des Zündholzes, und dann ziehe ich, nein ich sauge den Rauch gierig in meine Lungen. Ist das ein Genuss! Oder doch nicht. Plötzlich wird mir übel, speiübel, und ich denke mir: Na super, jetzt fällt der Fernsehkasperl in Bregenz auf der Straße um, während er an seiner Abschiedszigarette nuckelt.

      Kein Kampf, kein Willensverzicht, keine Willenskraft. Versöhnung.

      Ich schnipse den Tschick auf die Straße – und das war es dann. Unfassbar nicht nur für mich, sondern auch für die Menschen aus meinem engsten Umfeld, die mich doch ganz gut kennen und wissen, wie unbeherrscht, wie inkonsequent ich manchmal sein kann. Was hat sie gemacht, die Psychologin, die Frau Dr. Streubel-Gollob? Die Quintessenz des Seminars war schon das Gefühl, als hätten zwei Seelen (ach in meiner Brust) ein Tauziehen veranstaltet. Die eine schwelgt darin, wie schön es doch ist, zu rauchen, die andere trumpft mit Argumenten gegen das Rauchen auf. Alexandra Streubel-Gollob sagte mir, dass man an einen Punkt gelangen müsse, an dem man sich wünscht, dass alles anders wird. Das bedeutet Alarmstimmung. Beide Parteien rüsten also auf und machen sich bereit für die Schlacht. Ziel ist es, beide Stimmen, beide Seelen, beide Parteien zu versöhnen. Ein Bündnis zu schließen. Die Vereinbarung zu treffen, künftig an einem Strang zu ziehen. Das Ergebnis ist innerer Frieden. Kein Kampf, kein Willensverzicht, keine Willenskraft. Versöhnung. Klingt komisch, nicht? Aber ich habe es erlebt, wie es sich anfühlt, und ich rauche nicht mehr. Ohne Probleme, ohne mir Ersatzstoffe kaufen zu müssen, diese sonderbaren Glimmzigaretten oder Nikotinpflaster. Hinausgeworfenes Geld, meiner Meinung nach. Am Anfang ist es ein Rätsel, ich hatte auch ein flaues Gefühl im Magen. Heute lache ich befreit. Auch wenn ich daran denke, wie ich mir diesen berühmten Bestseller gekauft hatte, gierig darin las und mir ebenso gierig nach jeder fünften Seite eine Zigarette reinzog. Meine Lust am Rauchen wuchs bei der Lektüre dieses Buches. Das war wohl nicht die Intention des Autors, dessen Buch vielen hilft, dessen Seminare vielen helfen, aber mir halt nicht.

      Man darf und soll sich gratulieren. Man darf und soll sich wertschätzen. Man darf und soll sich loben.

      Handeln. Du machst etwas, damit hast du die Macht.

      Alles mit Maß und Ziel.

      Es fühlt sich an wie ein Sieg. Und zwar ein täglicher. Heute noch bin ich jeden Tag stolz auf mich, dass ich nicht mehr rauche. Ich gratuliere mir selbst dazu. Das darf man übrigens. Man darf und soll sich gratulieren. Man darf und soll sich wertschätzen. Man darf und soll sich loben. Und wenn jemand, egal wer, versucht, dich zur Zigarette zu überreden, obwohl sie oder er ganz genau weiß, dass du aufgehört hast zu rauchen, dann ziehe deine Konsequenzen. Wenn jemand spürt, wie sehr du mit dir und deinen zahlreichen Schweinehunden ringst (es gibt mehr als einen, glaube mir!), und er will dich (wieder) ins Rauchverderben ziehen, dann handle. Wenn dir das tatsächlich passiert, dann drücke den gedanklichen und in der Folge den realen Löschknopf. Den mentalen und jenen in deinem Handy. Weg mit diesem Kontakt. Auf Nimmerwiedersehen. Da brauchst du nicht lange zu überlegen. Jene oder jener will dich geradewegs in dein Verderben jagen und ermutigt dich auch noch dazu. Weißt du, warum er das macht? Damit er von seinen eigenen Schwächen, von den Myriaden von negativen Parametern in seinem Leben ablenken kann. Aber diese Mitmenschen gibt es, und sie sind dir oft näher, als du es ahnst. Sie sind es nicht wert, deine Freunde oder Bekannten zu sein. Das gilt übrigens auch für all jene, die sich ihr Maul über dich zerreißen. Was du anziehst, wie du dich bewegst, mit wem du dich triffst, was du und ob du arbeitest, wie du deine Kinder erziehst oder auch nicht, welches Auto du fährst, was du verdienst oder auch nicht, wie groß oder wie klein deine Wohnung oder dein Haus sind, was du isst, ob du zu dick bist und vieles mehr. Leute, die über dich reden. Tratschen. Dich ausrichten. Fies, gemein, hinterhältig – hinter deinem Rücken – über dich herziehen. Und die zum Teil dann auch, wenn du ihnen direkt begegnest, freundlich, sogar devot scheinen. Vergiss sie. Lösche sie aus deinem Leben. Wenn die Ausrichtungen, die Gerüchte, das Getratsche freilich zu verletzend, allzu ehrenrührig, verleumderisch und beleidigend werden, dann ziehe die Überbringer der schlechten Nachrichten auf deine Seite – meistens gelingt das – und dann schlage zu. Die Überbringer sind meistens Mitläufer, die interessierten Zuhörer, die dann wissend, manchmal peinlich berührt nicken, wenn sie deine Geschichten hören. Ziehe sie auf deine Seite. Verbünde dich mit ihnen. Du brauchst sie möglicherweise als Zeugen. Zerre die tatsächlichen Verursacher, die Lügner, die Verleumder, die Denunzianten und Diffamierer im Ernstfall vor Gericht, lasse ihnen von deinem Anwalt teure Briefe schreiben mit der noch freundlichen Aufforderung, das Getratsche einzustellen, weil es sonst teuer wird. Ignorieren? Nein, auf keinen Fall. Wehret den Anfängen! Frieden um jeden Preis? Warum? Nein. Handeln. Du machst etwas, damit hast du die Macht. Ich habe das in den letzten 30 Jahren zweimal mit großem Erfolg durchgezogen. Es ist sehr befriedigend, zu beobachten, wie jene ganz klein werden, die dich mit Schmutz bewerfen, die dich verteufeln, die dich herabsetzen. Es ist befriedigend, zu sehen, wie sie sich herausreden aus ihrem verleumderischen Wust. Es hat etwas Lustvolles, wenn sie sich winden wie Regenwürmer, die man aus der feuchten Erde zieht. Jenen sei gesagt: Haltet einfach die Klappe. Beschäftigt euch mit euch selbst und euren Misslichkeiten, bevor ihr anständige Leute anpatzt. Und euch Betroffenen sage ich noch einmal: Lasst es euch nicht gefallen. Handelt! Es funktioniert. Diplomatie ist hier völlig fehl am Platz.

      Jetzt habe ich die letzte Zigarette fast vergessen. Oder das letzte Glas Wein oder Bier. Wobei ich Wert auf die Tatsache lege, dass, im Gegensatz zur Zigarette, die alkoholabstinente Zeit ein Ende haben

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