Nur keine Panik. Wolfram Pirchner
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Wenn man etwas will, dann gelingt es auch.
Ja, ich weiß schon – der Wille alleine ist es nicht. Du musst auch all die wohlmeinenden Menschen in deinem Umfeld davon überzeugen, dass sie dich in Ruhe lassen sollen und müssen, was dein Essverhalten betrifft. Grenzen ziehen und Überschreitungen derselbigen konsequent zurückweisen. Klar und deutlich. Ohne Begründung. »Ich will das nicht!« »Ich möchte das nicht.« »Ich esse nichts Süßes.« Alles klar? Verstehst du, was ich meine? Das »Ich«. Das ist wichtig. Meiner Meinung nach. Wenn man etwas will, dann gelingt es auch. Ohne Waage. Der Gürtel, das Kleid, die Hose sind die besten Indikatoren dafür, ob du abgenommen hast oder nicht. Prinzipiell stellt sich die Frage, ob es erstrebenswert ist, schlank zu sein. Jung, dynamisch, dünn – ein Leben lang. Willst du das wirklich? Oder lebst du mehr im Außen? Ist es dir wichtig, was deine Freunde, Bekannten, Arbeitskollegen sagen? Vielleicht würdest du dich auch mit ein paar Kilogramm mehr durchaus wohl fühlen. Ich höre oft: »Ich muss abnehmen!« Nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern rein aus optischen, aus selbst auferlegten, oder vielleicht weil ich wieder einmal ein magersüchtiges 40-kg-Modell in einer Illustrierten entdeckt habe. »Ein wenig dünn, aber tolle Figur. Gar kein Bauch!« Waschbärbauch statt Waschbrettbauch muss es ja nicht sein, aber es gibt doch etwas dazwischen.
Hey, wo ist dein Selbstwertgefühl? Wenn du tatsächlich abnehmen willst oder musst, dann tu es ganz einfach. Ja, ganz einfach. Außer du bist gesundheitlich so gehandicapt, dass es nicht möglich ist. Aber in den meisten Fällen ist es die Unbeherrschtheit, die Lust, die Gier, der »Hunger«. Wann haben wir schon Hunger? Wir haben höchstens Appetit, Lust, Sucht usw. – aber Hunger? Dieses Gefühl kennen höchstens unsere Eltern und Großeltern. Wir nicht. Zumindest in den meisten Fällen. »Ich kann ohne Süßigkeiten nicht leben!« Was? Du kannst ohne Süßigkeiten nicht leben? Du lebst ohne Süßigkeiten ganz sicher länger und mit mehr Lebensqualität. Glaube ich zumindest. Zucker ist der nachgewiesene Energieräuber Nummer 1. Keine ernährungswissenschaftliche Erkenntnis sagt, dass wir Menschen Zucker brauchen, ihn notwendigerweise zu uns nehmen müssen. Zugegeben – ja, er schmeckt, er deckt ein Lustgefühl ab. Er ist wie schlechter Sex. Nachher sagt man sich oft: »Das hätte ich mir ersparen können!« Aber die Gier … die Lust … das Verlangen sind stärker.
Der innere Schweinehund
Vergiss den Schweinehund.
»Der innere Schweinehund« sagt man, wenn man undiszipliniert ist, wenn man faul, träge und schlapp ist, wenn man sich fühlt, als wäre einem die Luft ausgelassen worden. Von wem übrigens? Dieser Schweinehund ist schuld, wenn ich zu viel fresse und saufe und rauche und weiß Gott noch was tue. Der Schweinehund? Wie kommen das Schwein und der Hund dazu, dass man aus den beiden eine Einheit bildet, eine negativ besetzte noch dazu? So ein Blödsinn. Vergiss den Schweinehund. Du bist es, der schwach ist. Du bist es, der sich nicht überwinden will, der zu keiner Veränderung bereit ist. Sag einmal einem Raucher, er soll nur einen Tag lang auf die Glimmstängel verzichten. »Kann ich nicht«, wirst du dann hören. »Will ich nicht« wäre zutreffender, denke ich. Oder schlage in der Freundesrunde vor: »Heute trinken wir am Abend keinen Alkohol!« Da wirst du dir vermutlich einiges anhören können. »Kommt nicht infrage«, »Was soll das?«, »Das ist ja absolut uncool und unlustig.« Ich trinke auch gern und ich trinke fallweise zu viel. Gott sei Dank vertrage ich wenig. Aber ich bin hin und wieder sozusagen »naturhigh«. Alkohol brauchen? Nein. Vor allem nicht zum Lustigsein.
Hurra, ein halbes Kilo weniger. Aber nur deshalb, weil ich vergessen habe, den letzten halben Liter der täglichen Wasserration zu trinken. Es wiegen sich ja auch meistens die Übergewichtigen – und erleben, einer tibetischen Gebetsmühle gleich, ständig und wiederkehrend ihr Frusterlebnis. Und täglich grüßt das Murmeltier. Die Fettpolster sind übrigens auch nicht über Nacht erschienen. Weniger Essen, bewusster Essen, Zucker weg. »Nein, auf meine Schokobananen möchte und kann ich nicht verzichten!«, sagt die um 30 kg zu schwere 20-jährige Cousine. Die Betonung liegt auf »kann«, nicht »will«. Hey, was ist los? Du willst nicht darauf verzichten. Hauptsächlich willst du nicht auf die Suchtbefriedigung verzichten. Auf dieses fette, süße, schokoladige Gefühl, das sich in deinem Mund ausbreitet, wenn du gierig zwei, drei Schokobananen in selbigen stopfst. Suchtbefriedigung. Befriedigung? Eher nicht. Frusterzeugung eher. Und meistens flüsterst du dir dann den schon Fast-Glaubenssatz zu: Das war wieder notwendig. Das mit dem schlechten Sex hatten wir schon. Aus dem eigenen Frust wird selbstbewusstes Handeln und Lebenslust.
Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.
Teresa von Avila
Panik Teil 2
Es war ein beklemmendes Gefühl. Ein panisches, enges, die Kehle zuschnürendes. Ein mächtiges, alles beherrschendes Gefühl, das scheinbar – vielleicht auch tatsächlich – bis in die letzte Zelle meines Körpers vordrang. Sich rasch und stetig durchfraß wie ein bösartiges, hinterhältiges, gemeines Tier, das wurmartig kriechend kein Hindernis vorfand, welches es hätte stoppen können. Anfälle, die nicht auf eine spezifische Situation bezogen waren und plötzlich und überraschend auftraten. Das Blöde für mich war, dass die Attacken nie voraussehbar waren. Oft haben mich Betroffene oder auch Nichtbetroffene später gefragt, wie lange denn die Attacken dauern würden. Das reichte von zwei, drei Minuten bis hin zu einer Zeitspanne von einer Viertelstunde. Lähmend lange. Weißt du, wie lange 15 Minuten sein können? Übelkeit stieg in mir auf, ich war wieder einmal dem Erbrechen nahe, hatte Schweißperlen auf der Stirn, die langsam, höchst widerlich den Hals hinunterrannen, bis sie das mittlerweile nasse Poloshirt erreicht hatten und in den Tiefen der hochwertigen Baumwolle verschwanden. Womit hatte ich das verdient? In der Anfangszeit meiner Panikattacken suchte ich die Begründung meiner Zustände auch in meiner ausgeprägten Genusssucht. Obwohl die Genussfähigkeit eine wichtige mentale Fähigkeit ist. Habe ich vielleicht zu viel geraucht, zu viel getrunken? Wie erwähnt vertrage ich nur wenig Alkohol, aber ich trank ordentlich und vor allem regelmäßig. Ein Vorteil war, dass man es mir nicht ansah, außer ich ging schwer verkatert aus dem Haus. Abhängig war ich nicht oder nie, oder vielleicht doch schon? Jedenfalls waren im Verlauf einer jahrzehntelangen »alkoholischen Betätigung« akute Beeinträchtigungen meines Bewusstseins, der Wahrnehmung, der Affekte oder des Verhaltens relativ selten feststellbar. Ja, solche Parameter wie eine leichte Enthemmung, eine erhöhte Aggressivität, eine große Streitlust, kombiniert mit Gangunsicherheit, die gab es, und diese Erkenntnis war und ist schmerzhaft. Aber wem geht es nicht ähnlich in unserem schönen Land? Alkohol – die legale Droge. Bei Marihuana schreien sie alle auf, die selbst ernannten Moralapostel dieses Landes. Um Gottes willen – Rauschmittel, Suchtgift, Drogen, Dealergesindel usw. Ja, ja, ja. Ich bin auch der Meinung, dass Dealer eingesperrt gehörten. Dass sie sich Jugendlichen und Kindern gegenüber für immer fernhalten müssten. Aber das ist nicht das Thema. Alkohol. Das ist schick und ein absolutes »Must«. Wenn ich einmal aus Disziplinierungsgründen und auch wegen des gesundheitlichen Aspekts einige Monate ohne Ausnahme alkoholfrei »lebe«, dann höre ich nicht selten: »Trinken S’ doch ein Achterl, Herr Pircher (immer wieder Pircher …), das schadet doch nicht.« – »Ein Achterl oder zwei sind gut fürs Herz.« – »Darf’s ein Verdauungsschnapserl sein?«
Der gesellschaftliche Druck, etwas »trinken zu müssen«, ist hoch. Es gibt sie zuhauf. Jene Zeitgenossen, die