Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Rudyard Kipling - Редьярд Киплинг страница 19
»Gerade wegen der Polizei habe ich es gekauft,« war die Antwort. »Steht Alles wohl in Hind?«
»Ressaldar Sahib, Alles steht wohl.«
»Ich bin wie eine Schildkröte, siehst Du, die auf dem Ufer ihren Kopf heraus streckt und wieder einzieht. Ah, dies ist die Straße von Hindostan. Alle Menschen kommen dieses Weges …«
»Sohn eines Schweines, ist der weiche Teil der Straße dazu da, daß Du Deinen Rücken darauf kratzest?
Vater aller Töchter der Schande und Gatte von zehntausend Unkeuschen, Deine Mutter hatte sich einem Teufel ergeben und war von ihrer Mutter dazu verleitet; Deine Tanten haben seit sieben Generationen keine Nase gehabt! Deine Schwester! – Welche Eulen-Torheit hieß Dich Deine Karren quer über die Straße treiben? Ein zerbrochenes Rad? Nimm einen zerbrochenen Kopf dazu und flick die beiden gelegentlich wieder zusammen!«
Die Stimme und wütendes Peitschenknallen Kam aus einer fünfzig Yards entfernten Staubsäule, wo ein Wagen zusammengebrochen war. Eine hohe, magere Kattiwar-Stute schwang sich, mit glühenden Augen und Nüstern, schnaubend und ausschlagend aus dem Gewühl hervor. Ihr Reiter zwang sie quer über den Weg, einen schreienden Mann vor sich herjagend. Der Reiter, hochgewachsen und graubärtig, saß auf dem fast rasenden Tier, als wäre er ein Stück von ihm, und schlug ruckweise und gleichmäßig auf sein Opfer los.
Des alten Soldaten Gesicht leuchtete vor Stolz. »Mein Junge!« sagte er kurz und bemühte sich, den Hals des Pony in eine geziemende Wölbung zu zügeln.
»Muß ich mich vor den Augen der Polizei prügeln lassen?« schrie der Fuhrmann. »Gerechtigkeit! Ich fordere Gerechtigkeit – –«
»Muß ich mich blockieren lassen von einem schreienden Affen, der zehntausend Säcke vor der Nase eines jungen Pferdes umstürzt? Das verdirbt ein Pferd.«
»Er spricht wahr. Er spricht wahr. Aber das Pferd gehorcht gut dem Zügel,« rief der alte Soldat. Der Fuhrmann rannte unter die Räder seines Wagens, und von dort schwur er alle möglichen Rachemaßregeln.
»Starke Männer sind Deine Söhne,« sagte der Polizist, gleichmütig seine Zähne stochernd.
Der Reiter führte einen letzten, bösartigen Schlag mit der Peitsche und kam in kurzem Galopp heran. »Vater!« Er zügelte zehn Yards rückwärts und stieg ab.
Der alte Mann war augenblicklich von seinem Pony herunter, und sie umarmten sich wie Vater und Sohn im Osten tun. –
Kapitel 4.
Dann sprachen sie leise mit einander. Kim wollt unter einem Baume ausruhen, der Lama aber zupfte ihn ungeduldig am Ellbogen.
»Laß uns weiter gehen. Der Fluß ist nicht hier.«
»Ho! Ho! Sind wir nicht für eine Weile genug gegangen? Unser Fluß wird nicht fortlaufen. Geduld! Er wird uns ein Almosen geben.«
»Dieser,« sagte plötzlich der alte Soldat, ist der Freund der Sterne. Gestern brachte er mir die Nachricht. In einer Vision sah er Ihn selbst, den Mann, der die Befehle für den Krieg gab.«
»Hm!« brummte sein Sohn tief in seiner breiten Brust, »er hörte zufällig ein Bazar-Geschwätz und zog Nutzen daraus.«
Der Vater lachte. »Wenigstens kam er nicht zu mir hergeritten, um ein neues Schlachtroß und, die Götter wissen wie viel Rupien zu erbetteln. Sind die Regimenter Deiner Brüder auch beordert?«
»Ich weiß es nicht. Ich nahm Urlaub und Kam rasch zu Dir, für den Fall – –«
»Für den Fall, daß sie Dir zuvorkommen könnten mit Betteln. Oh, Spieler und Verschwender alle zusammen! Aber Du hast bis jetzt nach keine richtige Attaque geritten. Ein gutes Roß ist dazu natürlich notwendig: ein guter Bursche und ein gutes Pony für den Marsch ebenfalls. Laß uns sehen – laß uns sehen«. Er trommelte auf den Sattelknopf.
»Dies ist kein Ort um Berechnungen anzustellen, Vater. Laß uns nach Deinem Hause gehen.«
»Bezahl’ den Knaben wenigstens zuvor; ich habe kein Kupfergeld bei mir, und er brachte günstige Nachricht. Ho! Freund der ganzen Welt, ein Krieg steht bevor, wie Du gesagt hast.«
»Nein, wie ich weiß, der Krieg,« erwiderte Kim fest.
»Eh?« machte der Lama, seine Perlen fingernd, begierig weiter zu gehen.
»Mein Meister befragt die Sterne nicht um Lohnes willen. Wir brachten die Nachricht – merkt wohl – wir brachten die Nachricht, und wir gehen nun.« Kim drehte an seiner Seite die Hand halb um.
Der Sohn schleuderte eine Silbermünze durch das Sonnenlicht, etwas von Bettlern und Gauklern brummend. Es war ein Vierannastück, genügend, sie für einige Tage zu erhalten. Der Lama, den Schein des Metalles gewahrend, summte einen Segen.
»Ziehe Deines Weges, Freund der ganzen Welt,« rief der alte Soldat, sein knochiges Reittier wendend. »Einmal in all meinen Tagen bin ich einem wahren Propheten begegnet – der nicht Soldat war.«
Vater und Sohn schwenkten zusammen um; der alte Mann ebenso stramm aufrecht wie der junge.
Ein punjabischer Konstabler in gelben Leinwandhosen schlenderte über den Weg. Er hatte das Geldstück fliegen sehen.
»Halt!« rief er in nachdrücklichem Englisch, »wißt Ihr nicht, daß ein Takkus von zwei Annas für den Kopf erhoben wird für jeden, der die Straße von dieser Seite betritt? Es ist Sirkar-Befehl, und das Geld wird für das Pflanzen von Bäumen und für Verschönerung der Straße verwendet –.«
»Und für den Bauch der Polizei,« rief Kim, aus Armesweite entschlüpfend. »Besinn Dich ein Weilchen, Dummkopf. Denkst Du, daß wir aus dem nächsten Sumpf kommen, wie der Frosch, Dein Schwiegervater? Hast Du jemals den Namen Deines Bruders gehört?«
»Und wie hieß der? Laß den Knaben in Ruhe,« rief ungemein belustigt ein älterer Konstabler, als er in der Veranda niederhockte, seine Pfeife zu rauchen.
»Der nahm die Etikette von einer Flasche Belaittee-Pani (Sodawasser), nagelte sie an eine Brücke, sammelte einen Monat lang Taxen von allen, die passierten und sagte, es wäre Sirkar-Befehl; dann kam ein Engländer, der schlug ihm den Kopf entzwei. He, Bruder, ich bin eine Stadtkrähe, keine Dorfkrähe.«
Der Polizist zog sich verlegen zurück und Kim verspottete ihn, so lange er ihn sehen konnte.
»Hat es jemals einen Schüler wie mich gegeben?« frug er lustig den Lama. »Nicht zehn Meilen von Lahore würde schon alle Welt Dir die Knochen im Leibe zerschlagen haben, wenn ich Dich nicht beschützt hätte.«
»Zuweilen, in meinen innersten Gedanken, scheinst Du mir ein guter Geist zu sein und zuweilen ein böser Kobold,« sprach schwach lächelnd der Lama.
»Ich bin Dein Chela.« Kim trat an seiner Seite in den angemessenen Schritt – der unbeschreiblichen Gangart der Wanderer, die große Landmärsche machen.