Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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des Grafen Filippo S. Alles wird sich, lieber Leser, nun klärlich dartun, wenn du diese wenigen Vornamen und Buchstaben im Sinn behältst. Es folgt nunmehr statt der Fortsetzung der Geschichte das Pergamentblatt des alten Malers.

      - – - Und es begab sich, daß die Republik Genua, hart bedrängt von den algierischen Korsaren, sich an den großen Seehelden Camillo, Fürsten von P., wandte, daß er mit vier wohlausgerüsteten und bemannten Galeonen einen Streifzug gegen die verwegenen Räuber unternehmen möge. Camillo, nach ruhmvollen Taten dürstend, schrieb sofort an seinen ältesten Sohn Francesko, daß er kommen möge, in des Vaters Abwesenheit das Land zu regieren. Francesko übte in Leonardo da Vincis Schule die Malerei, und der Geist der Kunst hatte sich seiner so ganz und gar bemächtigt, daß er nichts anders denken konnte. Daher hielt er auch die Kunst höher als alle Ehre und Pracht auf Erden, und alles übrige Tun und Treiben der Menschen erschien ihm als ein klägliches Bemühen um eitlen Tand. Er konnte von der Kunst und von dem Meister, der schon hoch in den Jahren war, nicht lassen und schrieb daher dem Vater zurück, daß er wohl den Pinsel, aber nicht den Zepter zu führen verstehe und bei Leonardo bleiben wolle. Da war der alte, stolze Fürst Camillo hoch erzürnt, schalt den Sohn einen unwürdigen Toren und schickte vertraute Diener ab, die den Sohn zurückbringen sollten. Als nun aber Francesko standhaft verweigerte zurückzukehren, als er erklärte, daß ein Fürst, von allem Glanz des Throns umstrahlt, ihm nur ein elendiglich Wesen dünke gegen einen tüchtigen Maler und daß die größten Kriegestaten nur ein grausames irdisches Spiel wären, dagegen die Schöpfung des Malers die reine Abspiegelung des ihm inwohnenden göttlichen Geistes sei, da ergrimmte der Seeheld Camillo und schwur, daß er den Francesko verstoßen und seinem jüngern Bruder Zenobio die Nachfolge zusichern wolle. Francesko war damit gar zufrieden, ja er trat in einer Urkunde seinem Jüngern Bruder die Nachfolge auf den fürstlichen Thron mit aller Form und Feierlichkeit ab, und so begab es sich, daß, als der alte Fürst Camillo in einem harten, blutigen Kampfe mit den Algierern sein Leben verloren hatte, Zenobio zur Regierung kam, Francesko dagegen, seinen fürstlichen Stand und Namen verleugnend, ein Maler wurde und von einem kleinen Jahrgehalt, den ihm der regierende Bruder ausgesetzt, kümmerlich genug lebte. Francesko war sonst ein stolzer, übermütiger Jüngling gewesen, nur der alte Leonardo zähmte seinen wilden Sinn, und als Francesko dem fürstlichen Stand entsagt hatte, wurde er Leonardos frommer, treuer Sohn. Er half dem Alten manch wichtiges, großes Werk vollenden, und es geschah, daß der Schüler, sich hinaufschwingend zu der Höhe des Meisters, berühmt wurde und manches Altarblatt für Kirchen und Klöster malen mußte. Der alte Leonardo stand ihm treulich bei mit Rat und Tat, bis er denn endlich im hohen Alter starb. Da brach, wie ein lange mühsam unterdrücktes Feuer, in dem Jüngling Francesko wieder der Stolz und Übermut hervor. Er hielt sich für den größten Maler seiner Zeit, und die erreichte Kunstvollkommenheit mit seinem Stande paarend, nannte er sich selbst den fürstlichen Maler. Von dem alten Leonardo sprach er verächtlich und schuf, abweichend von dem frommen, einfachen Stil, sich eine neue Manier, die mit der Üppigkeit der Gestalten und dem prahlenden Farbenglanz die Augen der Menge verblendete, deren übertriebene Lobsprüche ihn immer eitler und übermütiger machten. Es geschah, daß er zu Rom unter wilde, ausschweifende Jünglinge geriet, und wie er nun in allem der erste und vorzüglichste zu sein begehrte, so war er bald im wilden Sturm des Lasters der rüstigste Segler. Ganz von der falschen, trügerischen Pracht des Heidentums verführt, bildeten die Jünglinge, an deren Spitze Francesko stand, einen geheimen Bund, in dem sie, das Christentum auf frevelige Weise verspottend, die Gebräuche der alten Griechen nachahmten und mit frechen Dirnen verruchte, sündhafte Feste feierten.

      Es waren Maler, aber noch mehr Bildhauer unter ihnen, die wollten nur von der antikischen Kunst etwas wissen und verlachten alles, was neue Künstler, von dem heiligen Christentum entzündet, zur Glorie desselben erfunden und herrlich ausgeführt hatten. Francesko malte in unheiliger Begeisterung viele Bilder aus der lügenhaften Fabelwelt. Keiner als er vermochte die buhlerische Üppigkeit der weiblichen Gestalten so wahrhaft darzustellen, indem er von lebenden Modellen die Karnation, von den alten Marmorbildern aber Form und Bildung entnahm. Statt wie sonst in den Kirchen und Klöstern sich an den herrlichen Bildern der alten frommen Meister zu erbauen und sie mit künstlerischer Andacht aufzunehmen in sein Inneres, zeichnete er emsig die Gestalten der lügnerischen Heidengötter nach. Von keiner Gestalt war er aber so ganz und gar durchdrungen als von einem berühmten Venusbilde, das er stets in Gedanken trug. Das Jahrgehalt, was Zenobio dem Bruder ausgesetzt hatte, blieb einmal länger als gewöhnlich aus, und so kam es, daß Francesko bei seinem wilden Leben, das ihm allen Verdienst schnell hinwegraffte und das er doch nicht lassen wollte, in arge Geldnot geriet. Da gedachte er, daß vor langer Zeit ihm ein Kapuzinerkloster aufgetragen hatte, für einen hohen Preis das Bild der heiligen Rosalia zu malen, und er beschloß, das Werk, das er aus Abscheu gegen alle christliche Heiligen nicht unternehmen wollte, nun schnell zu vollenden, um das Geld zu erhalten. Er gedachte die Heilige nackt und in Form und Bildung des Gesichts jenem Venusbilde gleich darzustellen. Der Entwurf geriet über die Maßen wohl, und die freveligen Jünglinge priesen hoch Franceskos verruchten Einfall, den frommen Mönchen statt der christlichen Heiligen ein heidnisches Götzenbild in die Kirche zu stellen. Aber wie Francesko zu malen begann, siehe, da gestaltete sich alles anders, als er es in Sinn und Gedanken getragen, und ein mächtigerer Geist überwältigte den Geist der schnöden Lüge, der ihn beherrscht hatte. Das Gesicht eines Engels aus dem hohen Himmelreiche fing an, aus düstern Nebeln hervorzudämmern; aber als wie von scheuer Angst, das Heilige zu verletzen und dann dem Strafgericht des Herrn zu erliegen, ergriffen, wagte Francesko nicht, das Gesicht zu vollenden, und um den nackt gezeichneten Körper legten in anmutigen Falten sich züchtige Gewänder, ein dunkelrotes Kleid und ein azurblauer Mantel. Die Kapuzinermönche hatten in dem Schreiben an den Maler Francesko nur des Bildes der heiligen Rosalia gedacht, ohne weiter zu bestimmen, ob dabei nicht eine denkwürdige Geschichte ihres Lebens der Vorwurf des Malers sein solle, und ebendaher hatte Francesko auch nur in der Mitte des Blatts die Gestalt der Heiligen entworfen; aber nun malte er, vom Geiste getrieben, allerlei Figuren ringsumher, die sich wunderbarlich zusammenfügten, um das Martyrium der Heiligen darzustellen. Francesko war in sein Bild ganz und gar versunken, oder vielmehr das Bild war selbst der mächtige Geist worden, der ihn mit starken Armen umfaßte und emporhielt über das frevelige Weltleben, das er bisher getrieben. Nicht zu vollenden vermochte er aber das Gesicht der Heiligen, und das wurde ihm zu einer höllischen Qual, die wie mit spitzen Stacheln in sein inneres Gemüt bohrte. Er gedachte nicht mehr des Venusbildes, wohl aber war es ihm, als sähe er den alten Meister Leonardo, der ihn anblickte mit kläglicher Gebärde und ganz ängstlich und schmerzlich sprach: “Ach, ich wollte dir wohl helfen, aber ich darf es nicht, du mußt erst entsagen allem sündhaften Streben und in tiefer Reue und Demut die Fürbitte der Heiligen erflehen, gegen die du gefrevelt hast.” – Die Jünglinge, welche Francesko so lange geflohen, suchten ihn auf in seiner Werkstatt und fanden ihn, wie einen ohnmächtigen Kranken, ausgestreckt auf seinem Lager liegen. Da aber Francesko ihnen seine Not klagte, wie er, als habe ein böser Geist seine Kraft gebrochen, nicht das Bild der heiligen Rosalia fertigzumachen vermöge, da lachten sie alle auf und sprachen: “Ei mein Bruder, wie bist du denn mit einemmal so krank worden? – Laßt uns dem Äskulap und der freundlichen Hygeia ein Weinopfer bringen, damit jener Schwache dort genese!” Es wurde Syrakuser Wein gebracht, womit die Jünglinge die Trinkschalen füllten und, vor dem unvollendeten Bilde den heidnischen Göttern Libationen darbringend, ausgossen. Aber als sie dann wacker zu zechen begannen und dem Francesko Wein darboten, da wollte dieser nicht trinken und nicht teilnehmen an dem Gelage der wilden Brüder, unerachtet sie Frau Venus hochleben ließen! Da sprach einer unter ihnen: “Der törichte Maler da ist wohl wirklich in seinen Gedanken und Gliedmaßen krank, und ich muß nur einen Doktor herbeiholen.” Er warf seinen Mantel um, steckte seinen Stoßdegen an und schritt zur Türe hinaus. Es hatte aber nur wenige Augenblicke gedauert, als er wieder hereintrat und sagte: “Ei seht doch nur, ich bin ja selbst schon der Arzt, der jenen Siechling dort heilen will.” Der Jüngling, der gewiß einem alten Arzt in Gang und Stellung recht ähnlich zu sein begehrte, trippelte mit gekrümmten Knien einher und hatte sein jugendliches Gesicht seltsamlich in Runzeln und Falten verzogen, so daß er anzusehen war wie ein alter, recht häßlicher Mann und die Jünglinge sehr lachten und riefen: “Ei seht doch, was der Doktor für gelehrte Gesichter zu schneiden vermag!” Der Doktor näherte sich dem kranken Francesko und sprach mit rauher Stimme und verhöhnendem Ton: “Ei,

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