Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann страница 173
Die Vasallen erheben sich von den Plätzen, wo sie die Vernunft einsperrte, und wollen nicht mehr stehen, sitzen und liegen, wie der pedantische Hofmeister es will; der sieht die Nummern durch und spricht: >Seht, die Narrheit hat mir meine besten Eleven entrückt – fortgerückt – verrückt – ja sie sind verrückt worden.< Das ist ein Wortspiel, Brüderlein Medardus – ein Wortspiel ist ein glühendes Lockeneisen in der Hand der Narrheit, womit sie Gedanken krümmt.” – “Noch einmal”, fiel ich dem albernen Schönfeld in die Rede, “noch einmal bitte ich Euch, das unsinnige Geschwätz zu lassen, wenn Ihr es vermöget, und mir zu sagen, wie Ihr hergekommen seid und was Ihr von mir und von dem Kleide wißt, das ich trage.” – Ich hatte ihn mit diesen Worten bei den Händen gefaßt und in einen Stuhl gedrückt. Er schien sich zu besinnen, indem er die Augen niederschlug und tief Atem schöpfte. “Ich habe Ihnen”, fing er dann mit leiser, matter Stimme an, “ich habe Ihnen das Leben zum zweitenmal gerettet, ich war es ja, der Ihrer Flucht aus der Handelsstadt behilflich war, ich war es wiederum, der Sie herbrachte.” – “Aber um Gott, um der Heiligen willen, wo fanden Sie mich?” – So rief ich laut aus, indem ich ihn losließ, doch in dem Augenblick sprang er auf und schrie mit funkelnden Augen: “Ei, Bruder Medardus, hätt’ ich dich nicht, klein und schwach, wie ich bin, auf meinen Schultern fortgeschleppt, du lägst mit zerschmetterten Gliedern auf dem Rade.” – Ich erbebte – wie vernichtet sank ich in den Stuhl, die Türe öffnete sich, und hastig trat der mich pflegende Geistliche herein. “Wie kommt Ihr hieher? wer hat Euch erlaubt, dies Zimmer zu betreten?” So fuhr er auf Belcampo los, dem stürzten aber die Tränen aus den Augen, und er sprach mit flehender Stimme: “Ach, mein ehrwürdiger Herr! nicht länger konnte ich dem Drange widerstehen, meinen Freund zu sprechen, den ich dringender Todesgefahr entrissen!” Ich ermannte mich. “Sagt mir, mein lieber Bruder”, sprach ich zu dem Geistlichen, “hat mich dieser Mann wirklich hergebracht?” – Er stockte. – “Ich weiß jetzt, wo ich mich befinde”, fuhr ich fort, “ich kann vermuten, daß ich im schrecklichsten Zustande war, den es gibt, aber Ihr merkt, daß ich vollkommen genesen, und so darf ich wohl nun alles erfahren, was man mir bis jetzt absichtlich verschweigen mochte, weil man mich für reizbar hielt.” “So ist es in der Tat”, antwortete der Geistliche, “dieser Mann brachte Euch, es mögen ungefähr drei bis viertehalb Monate her sein, in unsere Anstalt. Er hatte Euch, wie er erzählte, für tot in dem Walde, der vier Meilen von hier das … sehe von unserm Gebiet scheidet, gefunden und Euch für den ihm früher bekannten Kapuzinermönch Medardus aus dem Kloster zu B. erkannt, der auf einer Reise nach Rom durch den Ort kam, wo er sonst wohnte. Ihr befandet Euch in einem vollkommen apathischen Zustande. Ihr gingt, wenn man Euch führte, Ihr bliebt stehen, wenn man Euch losließ, Ihr setztet, Ihr legtet Euch nieder, wenn man Euch die Richtung gab. Speise und Trank mußte man Euch einflößen. Nur dumpfe, unverständliche Laute vermochtet Ihr auszustoßen, Euer Blick schien ohne alle Sehkraft. Belcampo verließ Euch nicht, sondern war Euer treuer Wärter. Nach vier Wochen fielt Ihr in die schrecklichste Raserei, man war genötiget, Euch in eins der dazu bestimmten abgelegenen Gemächer zu bringen. Ihr wäret dem wilden Tier gleich – doch nicht näher mag ich Euch einen Zustand schildern, dessen Erinnerung Euch vielleicht zu schmerzlich sein würde. Nach vier Wochen kehrte plötzlich jener apathische Zustand wieder, der in eine vollkommene Starrsucht überging, aus der Ihr genesen erwachtet.” – Schönfeld hatte sich während dieser Erzählung des Geistlichen gesetzt und, wie in tiefes Nachdenken versunken, den Kopf in die Hand gestützt. “Ja”, fing er an, “ich weiß recht gut, daß ich zuweilen ein aberwitziger Narr bin, aber die Luft im Tollhause, vernünftigen Leuten verderblich, hat gar gut auf mich gewirkt. Ich fange an, über mich selbst zu räsonieren, und das ist kein übles Zeichen. Existiere ich überhaupt nur durch mein eignes Bewußtsein, so kommt es nur darauf an, daß dies Bewußtsein dem Bewußten die Hanswurstjacke ausziehe, und ich selbst stehe da als solider Gentleman. – O Gott! – ist aber ein genialer Friseur nicht schon an und vor sich selbst ein gesetzter Hasenfuß? – Hasenfüßigkeit schützt vor allem Wahnsinn, und ich kann Euch versichern, ehrwürdiger Herr! daß ich auch bei Nordnordwest einen Kirchturm von einem Leuchtenpfahl genau zu unterscheiden vermag.” – “Ist dem wirklich so”, sprach ich, “so beweisen Sie es dadurch, daß Sie mir ruhig den Hergang der Sache erzählen, wie Sie mich fanden und wie Sie mich herbrachten.” “Das will ich tun”, erwiderte Schönfeld, “unerachtet der geistliche Herr hier ein gar besorgliches Gesicht schneidet; erlaube aber, Bruder Medardus, daß ich dich als meinen Schützling mit dem vertraulichen Du anrede. – Der fremde Maler war den ändern Morgen, nachdem du in der Nacht entflohen, auch mit seiner Gemäldesammlung auf unbegreifliche Weise verschwunden. Sosehr die Sache überhaupt anfangs Aufsehen erregt hatte, so bald war sie doch im Strome neuer Begebenheiten untergegangen. Nur als der Mord auf dem Schlosse des Barons F. bekannt wurde, als die …sche Gerichte durch Steckbriefe den Mönch Medardus aus dem Kapuzinerkloster zu B. verfolgten, da erinnerte man sich daran, daß der Maler die ganze Geschichte im Weinhause erzählt und in dir den Bruder Medardus erkannt hatte. Der Wirt des Hotels, wo du gewohnt hattest, bestätigte die Vermutung, daß ich deiner Flucht förderlich gewesen war. Man wurde auf mich aufmerksam, man wollte mich ins Gefängnis setzen. Leicht war mir der Entschluß, dem elenden Leben, das schon längst mich zu Boden gedrückt hatte, zu entfliehen. Ich beschloß, nach Italien zu gehen, wo es Abbates und Frisuren gibt. Auf meinem Wege dahin sah ich dich in der Residenz des Fürsten von ***. Man sprach von deiner Vermählung mit Aurelien und von der Hinrichtung des Mönchs Medardus. Ich sah auch diesen Mönch – Nun! – dem sei, wie ihm wolle, ich halte dich nun einmal für den wahren Medardus. Ich stellte mich dir in den Weg, du bemerktest mich nicht, und ich verließ die Residenz, um meine Straße weiterzuverfolgen. Nach langer Reise rüstete ich mich einst in frühster Morgendämmerung, den Wald zu durchwandern, der in düstrer Schwärze vor mir lag. Eben brachen die ersten Strahlen der Morgensonne hervor, als es in dem dicken Gebüsch rauschte und ein Mensch mit zerzaustem Kopfhaar und Bart, aber in zierlicher Kleidung, bei mir vorübersprang. Sein Blick war wild und verstört, im Augenblick war er mir aus dem Gesicht verschwunden. Ich schritt weiter fort, doch wie entsetzte