dir lag die Mönchskutte, die du jetzt trägst; mit vieler Mühe kleidete ich dich darin und schleppte dich weiter fort. Endlich erwachtest du aus tiefer Ohnmacht, du bliebst aber in dem Zustande, wie ihn dir der ehrwürdige Herr hier erst beschrieben. Es kostete keine geringe Anstrengung, dich fortzuschaffen, und so kam es, daß ich erst am Abende eine Schenke erreichte, die mitten im Walde liegt. Wie schlaftrunken ließ ich dich auf einem Rasenplatze zurück und ging hinein, um Speise und Trank zu holen. In der Schenke saßen ***sche Dragoner, die sollten, wie die Wirtin sagte, einem Mönch bis an die Grenze nachspüren, der auf unbegreifliche Weise in dem Augenblicke entflohen sei, als er schwerer Verbrechen halber in *** hätte hingerichtet werden sollen. Ein Geheimnis war es mir, wie du aus der Residenz in den Wald kamst, aber die Überzeugung, du seist eben der Medardus, den man suche, hieß mich alle Sorgfalt anwenden, dich der Gefahr, in der du mir zu schweben schienst, zu entreißen. Durch Schleichwege schaffte ich dich fort, über die Grenze, und kam endlich mit dir in dies Haus, wo man dich und auch mich aufnahm, da ich erklärte, mich von dir nicht trennen zu wollen. Hier warst du sicher, denn in keiner Art hätte man den aufgenommenen Kranken fremden Gerichten ausgeliefert. Mit deinen fünf Sinnen war es nicht sonderlich bestellt, als ich hier im Zimmer bei dir wohnte und dich pflegte. Auch die Bewegung deiner Gliedmaßen war nicht zu rühmen, Noverre und Vestris hätten dich tief verachtet, denn dein Kopf hing auf die Brust, und wollte man dich gerade aufrichten, so stülptest du um, wie ein mißratner Kegel. Auch mit der Rednergabe ging es höchst traurig, denn du warst verdammt einsilbig und sagtest in aufgeräumten Stunden nur >Hu hu< und >Me … me …<, woraus dein Wollen und Denken nicht sonderlich zu vernehmen und beinahe zu glauben, beides sei dir untreu worden und vagabondiere auf seine eigene Hand oder seinen eignen Fuß. Endlich wurdest du mit einemmal überaus lustig, du sprangst hoch in die Lüfte, brülltest vor lauter Entzücken und rissest dir die Kutte vom Leibe, um frei zu sein von jeder naturbeschränkenden Fessel – Dein Appetit…” “Halten Sie ein, Schönfeld”, unterbrach ich den entsetzlichen Witzling, “halten Sie ein! Man hat mich schon von dem fürchterlichen Zustande, in den ich versunken, unterrichtet. Dank sei es der ewigen Langmut und Gnade des Herrn, Dank sei es der Fürsprache der Gebenedeiten und der Heiligen, daß ich errettet worden bin!” – “Ei, ehrwürdiger Herr!” fuhr Schönfeld fort, “was haben Sie denn nun davon! ich meine von der besonderen Geistesfunktion, die man Bewußtsein nennt und die nichts anders ist als die verfluchte Tätigkeit eines verdammten Toreinnehmers – Akziseoffizianten – Oberkontrollassistenten, der sein heilloses Comptoir im Oberstübchen aufgeschlagen hat und zu aller Ware, die hinaus will, sagt: >Hei … hei … die Ausfuhr ist verboten… im Lande, im Lande bleibt’s.< – Die schönsten Juwelen werden wie schnöde Saatkörner in die Erde gesteckt, und was emporschießt, sind höchstens Runkelrüben, aus denen die Praxis mit tausend Zentner schwerem Gewicht eine Viertelunze übelschmeckenden Zucker preßt… Hei hei … und doch sollte jene Ausfuhr einen Handelsverkehr begründen mit der herrlichen Gottesstadt da droben, wo alles stolz und herrlich ist. – Gott im Himmel! Herr! Allen meinen teuer erkauften Puder à la Maréchal oder à la Pompadour oder à la reine de Golconde hätte ich in den Fluß geworfen, wo er am tiefsten ist, hätte ich nur wenigstens durch Transito-Handel ein Quentlein Sonnenstäubchen von dorther bekommen können, um die Perücken höchst gebildeter Professoren und Schulkollegen zu pudern, zuvörderst aber meine eigne! – Was sage ich? Hätte mein Dämon Ihnen, ehrwürdigster aller ehrwürdigen Mönche, statt des flohfarbnen Fracks einen Sonnenmatin umhängen können, in dem die reichen, übermütigen Bürger der Gottesstadt zu Stuhle gehen, wahrhaftig, es wäre, was Anstand und Würde betrifft, alles anders gekommen; aber so hielt Sie die Welt für einen gemeinen glebae adscriptus und den Teufel für Ihren Cousin germain” – Schönfeld war aufgestanden und ging oder hüpfte vielmehr, stark gestikulierend und tolle Gesichter schneidend, von einer Ecke des Zimmers zur ändern. Er war im vollen Zuge, wie gewöhnlich sich in der Narrheit durch die Narrheit zu entzückend, ich faßte ihn daher bei beiden Händen und sprach: “Willst du dich denn durchaus statt meiner hier einbürgern? Ist es dir denn nicht möglich, nach einer Minute verständigen Ernstes das Possenhafte zu lassen?” Er lächelte auf seltsame Weise und sagte: “Ist wirklich alles so albern, was ich spreche, wenn mir der Geist kommt?” “Das ist ja eben das Unglück”, erwiderte ich, “daß deinen Fratzen oft tiefer Sinn zum Grunde liegt, aber du vertrödelst und verbrämst alles mit solch buntem Zeuge, daß ein guter, in echter Farbe gehaltener Gedanke lächerlich und unscheinbar wird, wie ein mit scheckigen Fetzen behängtes Kleid. – Du kannst wie ein Betrunkener nicht auf gerader Schnur gehen, du springst hinüber und herüber – deine Richtung ist schief!” – “Was ist Richtung”, unterbrach mich Schönfeld leise und fortlächelnd mit bittersüßer Miene. “Was ist Richtung, ehrwürdiger Kapuziner? Richtung setzt ein Ziel voraus, nach dem wir unsere Richtung nehmen. Sind Sie Ihres Zieles gewiß, teurer Mönch? – Fürchten Sie nicht, daß Sie bisweilen zu wenig Katzenhirn zu sich genommen, statt dessen aber im Wirtshause neben der gezogenen Schnur zu viel Spirituöses genossen und nun wie ein schwindliger Turmdecker zwei Ziele sehen, ohne zu wissen, welches das rechte? – Überdem, Kapuziner! vergib es meinem Stande, daß ich das Possenhafte als eine angenehme Beimischung, spanischen Pfeffer zum Blumenkohl, in mir trage. Ohne das ist ein Haarkünstler eine erbärmliche Figur, ein armseliger Dummkopf, der das Privilegium in der Tasche trägt, ohne es zu nutzen zu seiner Lust und Freude.” Der Geistliche hatte bald mich, bald den grimassierenden Schönfeld mit Aufmerksamkeit betrachtet; er verstand, da wir deutsch sprachen, kein Wort; jetzt unterbrach er unser Gespräch. “Verzeihet, meine Herren! wenn es meine Pflicht heischt, eine Unterredung zu enden, die euch beiden unmöglich wohltun kann. Ihr seid, mein Bruder, noch zu sehr geschwächt, um von Dingen, die wahrscheinlich aus Euerm frühern Leben schmerzhafte Erinnerungen aufregen, so anhaltend fortzusprechen; Ihr könnet ja nach und nach von Euerm Freunde alles erfahren, denn wenn Ihr auch ganz genesen unsere Anstalt verlasset, so wird Euch doch wohl Euer Freund weiter geleiten. Zudem habt Ihr (er wandte sich zu Schönfeld) eine Art des Vertrags, die ganz dazu geeignet ist, alles das, wovon Ihr sprecht, dem Zuhörer lebendig vor Augen zu bringen. In Deutschland muß man Euch für toll halten, und selbst bei uns würdet Ihr für einen guten Buffone gelten. Ihr könnt auf dem komischen Theater Euer Glück machen.” Schönfeld starrte den Geistlichen mit weit aufgerissenen Augen an, dann erhob er sich auf den Fußspitzen, schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief auf italienisch: “Geisterstimme! … Schicksalsstimme, du hast aus dem Munde dieses ehrwürdigen Herrn zu mir gesprochen! … Belcampo … Belcampo … so konntest du deinen wahrhaften Beruf verkennen … es ist entschieden!” – Damit sprang er zur Türe hinaus. Den ändern Morgen trat er reisefertig zu mir herein. “Du bist, mein lieber Bruder Medardus”, sprach er, “nunmehr ganz genesen, du bedarfst meines Beistandes nicht mehr, ich ziehe fort, wohin mich mein innerster Beruf leitet … Lebe wohl! … doch erlaube, daß ich zum letztenmal meine Kunst, die mir nun wie ein schnödes Gewerbe vorkommt, an dir übe.” Er zog Messer, Schere und Kamm hervor und brachte unter tausend Grimassen und possenhaften Reden meine Tonsur und meinen Bart in Ordnung. Der Mensch war mir trotz der Treue, die er mir bewiesen, unheimlich worden, ich war froh, als er geschieden. Der Arzt hatte mir mit stärkender Arznei ziemlich aufgeholfen; meine Farbe war frischer worden, und durch immer längere Spaziergänge gewann ich meine Kräfte wieder. Ich war überzeugt, eine Fußreise aushaken zu können, und verließ ein Haus, das dem Geisteskranken wohltätig, dem Gesunden aber unheimlich und grauenvoll sein mußte. Man hatte mir die Absicht untergeschoben, nach Rom zu pilgern, ich beschloß, dieses wirklich zu tun, und so wandelte ich fort auf der Straße, die als dorthin führend mir bezeichnet worden war. Unerachtet mein Geist vollkommen genesen, war ich mir doch selbst eines gefühllosen Zustande? bewußt, der über jedes im Innern aufkeimende Bild einen düstern Flor warf, so daß alles farblos, grau in grau erschien. Ohne alle deutliche Erinnerung des Vergangenen, beschäftigte mich die Sorge für den Augenblick ganz und gar. Ich sah in die Ferne, um den Ort zu erspähen, wo ich würde einsprechen können, um mir Speise oder Nachtquartier zu erbetteln, und war recht innig froh, wenn Andächtige meinen Bettelsack und meine Flasche gut gefüllt hatten, wofür ich meine Gebete mechanisch herplapperte. Ich war selbst im Geist zum gewöhnlichen stupiden Bettelmönch herabgesunken. So kam ich endlich an das große Kapuzinerkloster, das, wenige Stunden von Rom, nur von Wirtschaftsgebäuden umgeben, einzeln daliegt. Dort mußte man den Ordensbruder aufnehmen, und ich gedachte, mich in voller Gemächlichkeit recht auszupflegen. Ich gab vor, daß, nachdem das Kloster in Deutschland, worin ich mich