Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
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(Einige Tage später.)
Nein! Keine finstere Zweifel sollen mir die hellen Sonnentage verdüstern, die mir aufgegangen sind. Der ehrwürdige Pater Cyrillus hat Dir, meine teure Mutter, wie ich weiß, schon ausführlich berichtet, welch eine schlimme Wendung der Prozeß Leonards nahm, den meine Übereilung den bösen Kriminalgerichten in die Hände gab. Daß der wirkliche Medardus eingefangen wurde, daß sein vielleicht verstellter Wahnsinn bald ganz nachließ, daß er seine Freveltaten eingestand, daß er seine gerechte Strafe erwartet und .. doch nicht weiter, denn nur zu sehr würde das schmachvolle Schicksal des Verbrechers, der als Knabe Dir so teuer war, Dein Herz verwunden. – Der merkwürdige Prozeß war das einzige Gespräch bei Hofe. Man hielt Leonard für einen verschmitzten, hartnäckigen Verbrecher, weil er alles leugnete. – Gott im Himmel! – Dolchstiche waren mir manche Reden, denn auf wunderbare Weise sprach eine Stimme in mir: “Er ist unschuldig, und das wird klar werden wie der Tag.” – Ich empfand das tiefste Mitleid mit ihm, gestehen mußte ich es mir selbst, daß mir sein Bild, rief ich es mir wieder zurück, Regungen erweckte, die ich nicht mißdeuten konnte. Ja! – ich liebte ihn schon unaussprechlich, als er der Welt noch ein freveliger Verbrecher schien. Ein Wunder mußte ihn und mich retten, denn ich starb, sowie Leonard durch die Hand des Henkers fiel. Er ist schuldlos, er liebt mich, und bald ist er ganz mein. So geht eine dunkle Ahnung aus frühen Kindesjahren, die mir eine feindliche Macht arglistig zu vertrüben suchte, herrlich, herrlich auf in regen wonnigem Leben. O gib mir, gib dem Geliebten Deinen Segen, Du fromme Mutter! –Ach könnte Dein glückliches Kind nur ihre volle Himmelslust recht ausweinen an Deinem Herzen! – Leonard gleicht ganz jenem Francesko, nur scheint er größer, auch unterscheidet ihn ein gewisser charakteristischer Zug, der seiner Nation eigen (Du weißt, daß er ein Pole ist), von Francesko und dem Mönch Medardus sehr merklich. Albern war es wohl überhaupt, den geistreichen, gewandten, herrlichen Leonard auch nur einen Augenblick für einen entlaufenen Mönch anzusehen. Aber so stark ist noch der fürchterliche Eindruck jener gräßlichen Szenen auf unserm Schlosse, daß oft, tritt Leonard unvermutet zu mir herein und blickt mich an mit seinem strahlenden Auge, das ach nur zu sehr jenem Medardus gleicht, mich unwillkürliches Grausen befällt und ich Gefahr laufe, durch mein kindisches Wesen den Geliebten zu verletzen. Mir ist, als würde erst des Priesters Segen die finstere Gestalten bannen, die noch jetzt recht feindlich manchen Wolkenschatten in mein Leben werfen. Schließe mich und den Geliebten in Dein frommes Gebet, meine teure Mutter! – Der Fürst wünscht, daß die Vermählung bald vor sich gehe; den Tag schreibe ich Dir, damit Du Deines Kindes gedenken mögest in ihres Lebens feierlicher, verhängnisvoller Stunde etc.
Immer und immer wieder las ich Aureliens Blätter. Es war, als wenn der Geist des Himmels, der daraus hervorleuchtete, in mein Inneres dringe und vor seinem reinen Strahl alle sündliche, frevelige Glut verlösche. Bei Aureliens Anblick überfiel mich heilige Scheu, ich wagte es nicht mehr, sie stürmisch zu liebkosen wie sonst. Aurelie bemerkte mein verändertes Betragen, ich gestand ihr reuig den Raub des Briefes an die Äbtissin; ich entschuldigte ihn mit einem unerklärlichen Drange, dem ich, wie der Gewalt einer unsichtbaren höheren Macht, nicht widerstehen können, ich behauptete, daß eben jene höhere, auf mich einwirkende Macht mir jene Vision am Beichtstuhle habe kundtun wollen, um mir zu zeigen, wie unsere innigste Verbindung ihr ewiger Ratschluß sei. “Ja, du frommes Himmelskind”, sprach ich, “auch mir ging einst ein wunderbarer Traum auf, in dem du mir deine Liebe gestandest, aber ich war ein unglücklicher, vom Geschick zermalmter Mönch, dessen Brust tausend Qualen der Hölle zerrissen. – Dich – dich liebte ich mit namenloser Inbrunst, doch Frevel, doppelter, verruchter Frevel war meine Liebe, denn ich war ja ein Mönch und du die heilige Rosalia.” Erschrocken fuhr Aurelie auf. “Um Gott”, sprach sie, “um Gott, es geht ein tiefes, unerforschliches Geheimnis durch unser Leben; ach, Leonard, laß uns nie an dem Schleier rühren, der es umhüllt, wer weiß, was Grauenvolles, Entsetzliches dahinter verborgen. Laß uns fromm sein und fest aneinander halten in treuer Liebe, so widerstehen wir der dunkeln Macht, deren Geister uns vielleicht feindlich bedrohen. Daß du meinen Brief lasest, das mußte so sein; ach! ich selbst hätte dir alles erschließen sollen, kein Geheimnis darf unter uns walten. Und doch ist es mir, als kämpftest du mit manchem, was früher recht verderblich eintrat in dein Leben und was du nicht vermöchtest über die Lippen zu bringen vor unrechter Scheu! – Sei aufrichtig, Leonard! – Ach, wie wird ein freimütiges Geständnis deine Brust erleichtern und heller unsere Liebe strahlen!” – Wohl fühlte ich bei diesen Worten Aureliens recht marternd, wie der Geist des Truges in mir wohne und wie ich nur noch vor wenigen Augenblicken das fromme Kind recht frevelig getäuscht; und dies Gefühl regte sich stärker und stärker auf in wunderbarer Weise, ich mußte Aurelien alles – alles entdecken und doch ihre Liebe gewinnen. “Aurelie – du meine Heilige – die mich rettet von …” In dem Augenblick trat die Fürstin herein, ihr Anblick warf mich plötzlich zurück in die Hölle, voll Hohn und Gedanken des Verderbens. Sie mußte mich jetzt dulden, ich blieb und stellte mich als Aureliens Bräutigam kühn und keck ihr entgegen. Überhaupt war ich nur frei von allen bösen Gedanken, wenn ich mit Aurelien allein mich befand; dann ging mir aber auch die Seligkeit des Himmels auf. Jetzt erst wünschte ich lebhaft meine Vermählung mit Aurelien. – In einer Nacht stand lebhaft meine Mutter vor mir, ich wollte ihre Hand ergreifen und wurde gewahr, daß es nur Duft sei, der sich gestaltet. “Weshalb diese