Szenen aus dem Landleben. Оноре де Бальзак
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Читать онлайн книгу Szenen aus dem Landleben - Оноре де Бальзак страница 32
Als Genestas die Hütte erleuchtet hatte, war er überrascht über die äußerste Magerkeit des Kindes, das nur noch aus Haut und Knochen bestand. Wie der kleine Bauer im Bett lag, klopfte ihm Benassis die Brust ab, indem er auf das Geräusch horchte, das seine Finger hervorriefen; dann, nachdem er Töne von übler Vorbedeutung gehört hatte, zog er die Decke über Jacques, entfernte sich auf vier Schritte, kreuzte die Arme und forschte ihn aus.
»Wie fühlst du dich, mein kleiner Mann?«
»Gut, Herr.«
Benassis zog einen Tisch mit vier gedrechselten Füßen an das Bett heran, suchte ein Glas und ein kleines Fläschchen auf der Kaminverkleidung und bereitete einen Trank, indem er reines Wasser mit einigen Tropfen einer braunen, in dem Fläschchen enthaltenen Flüssigkeit mischte, die er sorgfältig beim Lichte der Kerze, die Genestas ihm hielt, abmaß.
»Deine Mutter lässt lange auf ihre Rückkehr warten.«
»Sie kommt gerade, Herr,« sagte das Kind, »ich höre sie auf dem Pfade.«
Der Arzt und der Offizier warteten, indem sie um sich blickten. Am Fuße des Bettes lag eine Moosmatratze ohne Bettlaken und Überdecke, auf welcher die Mutter, zweifelsohne völlig angezogen, schlief. Genestas wies Benassis mit dem Finger auf dies Lager hin, der leise den Kopf neigte, wie um auszudrücken, dass auch er diese mütterliche Aufopferung schon bewundert habe. Ein Geräusch von Holzschuhen hallte auf dem Hofe wieder, und der Arzt ging hinaus.
»Heute Nacht muss bei Jacques gewacht werden, Mutter Colas. Wenn er Euch sagt, dass er ersticke, sollt Ihr ihm von dem, was ich in einem Glase auf den Tisch gestellt habe, trinken lassen. Sorgt aber dafür, ihn jedesmal nur zwei oder drei Schlucke zu sich nehmen zu lassen. Das Glas muss Euch für die ganze Nacht reichen. Vor allem, rührt das kleine Fläschchen nicht an und lasst Euer Kind gleich die Wäsche wechseln, es ist in Schweiß.«
»Ich hab' seine Hemden heute nicht waschen können, musste meinen Hanf nach Grenoble bringen, um Geld zu kriegen.«
»Gut, ich werd' Euch Hemden schicken.«
»Meinem armen Jungen geht es also schlechter?« fragte die Mutter.
»Man darf nichts Gutes erwarten, Mutter Colas; er ist so unvernünftig gewesen, zu singen; scheltet ihn aber nicht aus, fahrt ihn nicht an, habt Mut. Wenn Jacques zu sehr klagen sollte, lasst mich durch eine Nachbarin holen. Lebt wohl.«
Der Arzt rief seinen Gefährten und schritt auf den Pfad zurück.
»Der kleine Bauernbursche ist brustkrank?« fragte Genestas.
»Mein Gott, ja,« antwortete Benassis. »Wenn nicht ein Wunder in der Natur geschieht, kann ihn die Wissenschaft nicht retten. Unsere Professoren an der Pariser medizinischen Fakultät haben uns häufig von dem Phänomen erzählt, dessen Zeuge Sie soeben gewesen sind. Gewisse Krankheiten dieser Art erzeugen in den Stimmorganen Veränderungen, die den Kranken für den Augenblick die Fähigkeit verleihen, Gesänge ertönen zu lassen, deren Vollendung von keinem Virtuosen erreicht werden kann ... Ich hab' Sie einen traurigen Tag verbringen lassen, mein Herr,« sagte der Arzt, als er zu Pferde saß. »Überall Leiden und überall Tod, aber auch überall Resignation. Die Landleute sterben alle ganz philosophisch, sie leiden, schweigen und legen sich nach Art der Tiere nieder. Doch reden wir nicht mehr vom Tode und beschleunigen wir den Schritt unserer Pferde: wir müssen noch vor Nacht den Flecken erreichen, damit Sie den neuen Teil desselben sehen können!«
»Ei! da ist irgendwo Feuer,« sagte Genestas, auf eine Stelle im Gebirge hinweisend, wo eine Feuergarbe aufwirbelte.
»Dieses Feuer ist nicht gefährlich. Zweifelsohne macht unser Kalkbrenner einen Ofen voll Kalk. Diese jüngst entstandene Industrie nützt unser Heideland aus.«
Ein Büchsenschuss knallte plötzlich; Benassis ließ sich einen unwillkürlichen Ausruf entschlüpfen und sagte mit einer ungeduldigen Bewegung:
»Wenn das Butifer ist, wollen wir doch sehen, wer von uns beiden der Stärkere ist.«
»Dort hat man geschossen,« sagte Genestas, einen oberhalb von ihnen im Gebirge gelegenen Buchenwald bezeichnend. »Jawohl, da oben; glauben Sie dem Ohre eines alten Soldaten!«
»Auf, sofort hin!« rief Benassis, der, sich in gerader Richtung nach dem kleinen Holz wendend, sein Pferd durch die Gräben und Felder fliegen ließ, wie wenn es sich um ein Kirchturmrennen handelte; so sehr wünschte er den Schützen auf frischer Tat zu ertappen.
»Der von Ihnen gesuchte Mensch bringt sich in Sicherheit!« rief ihm Genestas zu, der ihm nur mit Mühe folgte.
Benassis ließ sein Pferd schnell kehrtmachen, ritt zurück, und der gesuchte Mann zeigte sich bald auf einem jähen Felsen, hundert Fuß über den beiden Reitern.
»Butifer,« rief Benassis, als er eine lange Flinte sah, »komm herunter!«
Butifer erkannte den Arzt und antwortete mit einem respektvoll-freundschaftlichen Zeichen, das auf völligen Gehorsam hindeutete.
»Verstehen kann ich,« sagte Genestas, »dass ein von der Furcht oder irgendeinem heftigen Gefühle erfasster Mensch auf diese Felsspitze da hat hinaufklettern können; wie aber will er es anstellen, wieder herunterzukommen?«
»Da bin ich nicht in Sorge,« antwortete Benassis, »die Ziegen dürften auf den Leichtfuß da eifersüchtig sein. Sie werden ja sehen.«
Durch die Kriegsereignisse gewöhnt, Männer nach ihrem inneren Werte zu beurteilen, bewunderte der Major die ungewöhnliche Schnelligkeit, die elegante Sicherheit der Bewegungen Butifers, während er den zerklüfteten Hang des Felsens entlang hinabstieg, auf dessen Gipfel er kühn gelangt war. Des Jägers gertenschlanker und kräftiger Körper brachte sich mit Grazie in allen Stellungen ins Gleichgewicht, die des Weges steile Abdachung ihn einzunehmen zwang; er setzte den Fuß ruhiger auf eine Felszacke, als er ihn auf ein Parkett gesetzt haben würde, so sicher schien er, sich dort im Notfall halten zu können. Seine lange Flinte handhabte er, wie wenn er nur einen Stock in der Hand hielte. Butifer war ein junger Mann von mittlerer, aber magerer und nerviger Figur, dessen männliche Schönheit Genestas überraschte, als er ihn in der Nähe sah. Sicherlich gehörte er der Klasse der Schmuggler an, die ihren Beruf ohne Gewalttätigkeit ausüben und nur mit List und Geduld arbeiten, um den Fiskus zu betrügen. Er hatte ein männliches, sonnenverbranntes Gesicht. Seine hellgelben Augen funkelten wie die eines Adlers, mit dessen Schnabel seine dünne, an der Spitze leicht gebogene Nase viel Ähnlichkeit hatte. Seine Backenknochen waren mit Flaumhaaren bedeckt. Sein roter, halb offener Mund ließ Zähne von einem blendenden Weiß sehen. Sein roter Kinn-, Schnurr- und Backenbart, den er wachsen ließ und der sich natürlich kräuselte, erhöhte den männlichen und Furcht einflößenden Ausdruck seines Gesichtes noch. An ihm war alles Kraft. Die Muskeln seiner beständig geübten Hände besaßen eine merkwürdige Festigkeit und Dicke. Seine Brust war breit und auf seiner Stirn lag eine wilde Intelligenz. Er hatte die unerschrockene und entschlossene, aber ruhige Miene eines Mannes, der gewöhnt ist, sein Leben zu wagen und seine körperliche oder intellektuelle Kraft in Gefahren jeglicher Art so oft erprobt hat, dass er nicht mehr an sich zweifelt. Er war mit einer von Dornen zerrissenen Bluse bekleidet und trug an seinen Füßen Ledersohlen, die mit Aalhäuten befestigt waren. Eine geflickte, zerrissene blaue Leinenhose ließ seine schlanken roten Beine sehen, die mager und nervig waren wie die eines Hirsches.
»Sie sehen da den Mann, der einst einen Büchsenschuss auf