Szenen aus dem Landleben. Оноре де Бальзак
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»Dennoch beziehe ich es auf mich,« antwortete lachend der Pfarrer. »Lasse ich es mir nicht angelegen sein, die Dogmen der katholischen Religion mit Ihren administrativen Einsichten in Einklang zu bringen? So habe ich bei meinen pastoralen Belehrungen über den Diebstahl oft versucht, den Bewohnern des Sprengels die nämlichen Ideen, die Sie eben über das Recht aussprechen, einzuschärfen. Tatsächlich wägt Gott den Diebstahl nicht nach dem Werte des gestohlenen Gegenstandes, er richtet den Dieb. Das ist der Sinn der Gleichnisse gewesen, die ich der Intelligenz meiner Pfarrkinder anzupassen versucht habe.«
»Sie haben Erfolg gehabt, Herr Pfarrer,« sagte Cambon. »Ich kann die Veränderungen beurteilen, die Sie in den Gemütern hervorgerufen haben, wenn ich den gegenwärtigen Zustand der Gemeinde mit dem früheren vergleiche. Sicherlich gibt's wenige Bezirke, wo die Arbeiter so gewissenhaft sind wie die unsrigen in Bezug auf die verlangte Arbeitszeit. Die Tiere sind gut bewacht und verursachen nur Zufallsschäden. Die Wälder werden respektiert. Kurz, Sie haben unseren Bauern sehr gut begreiflich gemacht, dass die Muße der Reichen der Lohn eines haushälterischen und arbeitsreichen Lebens ist.«
»Dann werden Sie mit Ihren Soldaten ziemlich zufrieden sein, Herr Pfarrer?« fragte Genestas.
»Herr Rittmeister,« antwortete der Pfarrer, »man muss nicht erwarten, überall hienieden Engel zu finden. Überall, wo's Unglück gibt, gibt's Leiden. Leiden und Unglück sind starke Mächte, die missbraucht werden, wie die Gewalt es wird. Wenn Bauern zwei Meilen zurückgelegt haben, um an ihre Arbeit zu gehen, und abends recht müde zurückkommen und Jäger quer durch Felder und Wiesen gehen sehen, um früher zum Abendtisch zu kommen, glauben Sie, dass sie sich da Gewissensbisse machen, sie nachzuahmen? Wer von denen, die sich so den Pfad treten, über den die Herren sich eben beklagten, wird der Schuldige sein? Der, der arbeitet, oder der sich Amüsierende? Heute fügen uns die Armen und die Reichen gleichviel Schaden zu. Der Glaube muss wie die Macht immer von den himmlischen oder den sozialen Höhen herabsteigen; und sicherlich sind die höheren Stände in unseren Tagen weniger gläubig als es das Volk ist, dem Gott eines Tages den Himmel als Lohn für seine geduldig ertragenen Leiden verspricht. Obgleich ich mich ganz der geistlichen Disziplin und der höheren Einsicht meiner Vorgesetzten unterwerfe, glaube ich, dass wir noch lange Zeit in den Kultfragen weniger anspruchsvoll sein und versuchen müssen, das religiöse Gefühl im Herzen des Mittelstandes, wo man über das Christentum streitet, anstatt seine Maximen anzuwenden, neu zu beleben. Des Reichen Sucht zu philosophieren ist ein recht verhängnisvolles Beispiel für den Armen gewesen und hat zu lange Interregnen in Gottes Königreich verursacht. Der Vorteil, den wir heute über unsere geistlichen Schäflein gewinnen, hängt vollkommen von unserem persönlichen Einflusse ab. Ist es nicht ein Unglück, dass der Glaube einer Gemeinde sich nach dem Ansehen richtet, zu dem ein Mensch dort gelangt? Wenn erst das Christentum die soziale Ordnung von neuem befruchtet hat, indem es alle Klassen mit seinen konservativen Doktrinen sättigt, dann wird sein Kult nicht mehr in Frage gestellt sein. Der Kult einer Religion ist ihre Form, die Gesellschaften bestehen nur durch die Form. Ihnen die Standarten, uns das Kreuz...«
»Ich möchte gern wissen, Herr Pfarrer,« sagte Genestas, Monsieur Janvier unterbrechend, »warum Sie die armen Leute am sonntäglichen Tanzvergnügen hindern?«
»Herr Rittmeister,« antwortete der Pfarrer, »gegen den Tanz an sich haben wir nichts einzuwenden, wir verdammen ihn nur als eine Ursache der Immoralität, die den Frieden stört und die Sitten des flachen Landes verdirbt. Heißt, den Geist der Familien läutern, die Heiligkeit ihrer Bande erhalten, nicht das Übel an seiner Wurzel abschneiden?«
»Ich weiß,« sagte Monsieur Tonnelet, »dass in jedem Bezirke immer einige Störungen vorkommen, in unserem aber werden sie selten. Wenn viele unserer Bauern sich nicht viel Gewissen daraus machen, dem Nachbarn beim Pflügen eine Furche Acker wegzunehmen oder Weidenruten, wenn sie solche nötig haben, beim anderen abzuschneiden, so sind das Kleinigkeiten im Vergleich mit den Vergehen der Stadtleute. Auch finde ich die Bauern unseres Tales sehr religiös.«
»O religiös!« sagte lächelnd der Pfarrer; »Fanatismus ist hier nicht zu befürchten.«
»Aber, Herr Pfarrer,« warf Cambon ein, »wenn die Leute aus dem Flecken allmorgendlich in die Messe gingen, wenn sie jede Woche bei Ihnen beichteten, würden die Felder schwerlich bestellt werden und drei Pfarrer würden die Arbeit nicht bewältigen ...«
»Mein Herr,« fuhr der Pfarrer fort, »arbeiten heißt beten. Die Ausübung hat die Kenntnis der religiösen Prinzipien zur Folge, welche die Gesellschaft leben lassen.«
»Und was machen Sie denn mit dem Patriotismus?« fragte Genestas.
»Der Patriotismus,« antwortete der Pfarrer ernst, »flößt nur flüchtige Gefühle ein, die Religion macht sie dauerhaft. Der Patriotismus ist ein momentanes Vergessen des persönlichen Interesses, während das Christentum ein vollkommenes Oppositionssystem gegen die verderbten Neigungen des Menschen ist!«
»Während der Revolutionskriege ist der Patriotismus indessen ...«
»Ja, während der Revolution haben wir Wunder verrichtet,« sagte Benassis; Genestas ins Wort fallend, »zwanzig Jahre nachher, 1814, aber war unser Patriotismus bereits tot; während Frankreich und Europa, von einem religiösen Gedanken getrieben, sich zwölfmal in hundert Jahren auf Asien geworfen haben.«
»Vielleicht«, sagte der Friedensrichter, »ist es leicht, den materiellen Interessen, welche Kämpfe von Volk zu Volk erzeugen, Schranken zu setzen; während die zur Stützung der Dogmen unternommenen Kriege, deren Gegenstand sich niemals klar bestimmen lässt, notwendigerweise unendbar sind.«
»Nun, Herr, Sie reichen den Fisch nicht herum?« sagte Jacquotte, die mit Nicolles Hilfe die Suppenteller weggenommen hatte.
Ihren Gewohnheiten getreu trug die Köchin jede Platte einzeln auf; ein Brauch, der die Unannehmlichkeit hat, die Gourmands zum Vielessen zu nötigen, und die besten Sachen von den mäßigen Leuten, die ihren Hunger an den ersten Gerichten gestillt haben, verschmähen zu lassen.
»Oh, meine Herren,« sagte der Pfarrer zum Friedensrichter, »wie können Sie behaupten, dass die Religionskriege kein bestimmtes Ziel gehabt hätten? Ehemals war die Religion ein so mächtiges Band in der Gesellschaft, dass die materiellen Interessen von den religiösen Fragen nicht zu trennen waren. Folglich wusste jeder Soldat sehr wohl, weshalb er sich schlug ...«
»Wenn man so sehr für die Religion gekämpft hat,« wandte Genestas ein, »muss Gott ihr Gebäude doch recht unvollkommen gebaut haben. Muss eine göttliche Institution nicht durch ihren Wahrheitscharakter Eindruck auf die Menschen machen?«
Alle Gäste sahen den Pfarrer an.
»Meine Herren,« sagte Monsieur Janvier, »die Religion fühlt man, sie lässt sich nicht definieren. Wir sind weder die Mittel noch das Ziel des Allmächtigen zu beurteilen fähig.«
»Nach Ihnen muss man also an alle Ihre Verbeugungen glauben?« sagte Genestas mit der Biederkeit eines Soldaten, der nie an Gott gedacht hatte.
»Mein Herr,« erwiderte der Priester ernst, »die katholische Religion macht besser als jede andere den menschlichen Ängsten ein Ende; aber, auch wenn dem nicht so wäre, welche Gefahr, frage ich, würden Sie laufen, wenn Sie an ihre Wahrheiten