Szenen aus dem Landleben. Оноре де Бальзак

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Szenen aus dem Landleben - Оноре де Бальзак страница 33

Szenen aus dem Landleben - Оноре де Бальзак

Скачать книгу

– Butifer,« fuhr er, sich an den Wilddieb wendend, fort, »ich habe dich wahrhaftig für einen Ehrenmann gehalten, und hab' mein Wort verpfändet, weil ich deins hatte. Mein Versprechen dem Grenobler Staatsanwalt gegenüber stützte sich auf deinen Schwur, nicht mehr zu jagen und ein ordentlicher, sorgsamer, arbeitsamer Mensch zu werden. Du hast eben den Büchsenschuss abgegeben und befindest dich im Revier des Grafen von Labranchoir. He! wenn sein Wächter dich gehört hat, Unglücksmensch? Zu deinem Glücke werd' ich kein Protokoll aufnehmen, du würdest rückfällig sein und hast keinen Waffenschein. Aus Willfährigkeit habe ich dir um deiner Anhänglichkeit an die Waffe willen deine Flinte gelassen.«

      »Sie ist schön,« sagte der Major, der eine Saint-Étienner Entenflinte erkannte.

      Der Schmuggler wandte seinen Kopf nach Genestas hin, wie um ihm für diese beifällige Äußerung zu danken.

      »Butifer,« sagte Benassis fortfahrend, »dein Gewissen muss dir Vorwürfe machen. Wenn du dein altes Handwerk wieder anfängst, wirst du dich noch einmal in einem mit Mauern eingeschlossenen Pferch finden; keine Protektion könnte dich dann vor den Galeeren retten; du würdest dann gebrandmarkt. Heute Abend noch wirst du mir deine Flinte bringen, ich will sie dir aufheben!«

      Butifer presste das Rohr seiner Waffe mit einer krampfhaften Bewegung an sich.

      »Sie haben recht, Herr Bürgermeister,« sagte er, »ich hab' unrecht; ich habe meinen Bann gebrochen, bin ein Hund. Mein Gewehr muss zu Ihnen wandern, aber Sie werden meine Erbschaft haben, wenn Sie's mir nehmen. Der letzte Schuss, den meiner Mutter Sohn abgeben wird, soll meinen Hirnkasten treffen ... Was wollen Sie? Ich habe getan, was Sie gewollt haben; hab' mich den Winter über ruhig verhalten; im Frühling aber war die Kraft zu Ende. Ich kann nicht mehr arbeiten, mein Herz steht mir nicht danach, mein Leben damit zuzubringen, Geflügel fett zu machen; ich kann mich weder bücken, um Gemüse zu hacken, noch beim Wagenfahren die Peitsche in die Luft knallen, noch einen Pferderücken im Stall striegeln; ich muss also vor Hunger krepieren? Nur da oben kann ich gut leben!« sagte er nach einer Pause, in die Berge zeigend. »Seit acht Tagen bin ich dort; ich hatte eine Gämse gesehen, und die Gämse ist dort,« sagte er, auf die Höhe des Felsens hindeutend, »sie steht Ihnen zur Verfügung! Mein guter Monsieur Benassis, lassen Sie mir mein Gewehr! Hören Sie, bei Butifers Ehrenwort! ich werde die Gemeinde verlassen und will in die Alpen gehen, wo die Gämsenjäger mir nichts in den Weg legen werden; ganz im Gegenteil, sie werden mich mit Freuden aufnehmen und ich will dort in irgendeiner Gletscherspalte krepieren. Um offen zu sein: sehen Sie, ich will lieber ein oder zwei Jahre so auf den Höhen leben, ohne weder der Regierung, noch Zöllnern, noch Flurschützen, noch dem Staatsanwalt zu begegnen, als hundert Jahre in Ihrem Bruch verkommen. Nur Ihnen würd' ich nachtrauern, die anderen langweilen mich ja! Wenn Sie Vernunft haben, rotten Sie wenigstens nicht Leute aus ...«

      »Und Louise?« fragte ihn Benassis.

      Butifer versank in Nachdenken.

      »He, mein Junge,« sagte Genestas, »lern' lesen und schreiben, komm in mein Regiment, setz' dich auf ein Pferd und werde Karabinier! Wenn einmal zum Aufsitzen geblasen wird und es in einen wirklichen Krieg geht, sollst du sehen, dass der liebe Gott dich erschaffen hat, um inmitten der Kanonen, Kugeln und Schlachten zu leben, und du wirst General werden.«

      »Ja, wenn Napoleon zurückgekommen wäre,« antwortete Butifer.

      »Du kennst doch unsere Abmachungen?« sagte der Arzt zu ihm. »Bei der zweiten Übertretung hast du mir versprochen, wolltest du Soldat werden. Ich gebe dir sechs Monate zum Lesen- und Schreibenlernen, dann werde ich einen Familiensohn ausfindig machen, als dessen Stellvertreter du einrückst.«

      Butifer blickte in die Berge.

      »Oh, du wirst nicht in die Alpen gehen!« rief Benassis. »Ein Mann wie du, ein Ehrenmann voller guter Eigenschaften, muss seinem Vaterlande dienen, eine Brigade befehligen, und nicht mit einer Gämse abstürzen. Das Leben, das du führst, bringt dich geradewegs ins Bagno. Deine übermäßigen Arbeiten zwingen dich zu langen Ruhepausen; auf die Dauer wirst du die Gewohnheiten eines müßigen Lebens annehmen, das jede Vorstellung von Ordnung in dir zerstören, das dich daran gewöhnen würde, deine Kraft zu missbrauchen und dir selber Recht zu verschaffen; und ich will dich trotz deines Widerstrebens auf den guten Weg bringen.«

      »Ich soll also vor Langeweile und Kummer verrecken! Ich erstick', wenn ich in einer Stadt bin. Ich kann's nicht länger als einen Tag in Grenoble aushalten, wenn ich Louise dorthin bringe ...«

      »Wir alle haben Neigungen, die wir entweder bekämpfen oder zu unseresgleichen Nutzen und Frommen anzuwenden lernen müssen. Aber es ist spät, ich hab's eilig. Du sollst morgen zu mir kommen und mir deine Flinte bringen, dann wollen wir von alledem plaudern, mein Kind. Leb wohl. Verkauf deine Gämse in Grenoble.«

      Die beiden Reiter entfernten sich.

      »Das nenne ich einen Mann,« sagte Genestas.

      »Ein Mensch auf üblem Wege,« antwortete Benassis. »Doch, was tun? Sie haben ihn gehört. Ist's nicht jammervoll, solch schöne Eigenschaften verlorengehen zu sehen? Angenommen, der Feind überzöge Frankreich mit Krieg, so würde Butifer an der Spitze von hundert jungen Leuten in der Maurienne einen Monat lang eine Division aufhalten; in Friedenszeiten aber kann er seine Energie nur in Situationen entfalten, wo den Gesetzen Trotz geboten wird. Er muss irgendwelche Kraft zu besiegen haben. Wenn er sein Leben nicht wagt, kämpft er mit der Gesellschaft und hilft den Schmugglern. Dieser Leichtfuß fährt allein auf einem kleinen Boote über den Rhone, um Schuhe nach Savoyen zu bringen; rettet sich schwer bepackt auf eine unzugängliche Bergspitze, wo er zwei Tage, von Brotrinden lebend, bleiben kann. Kurz, er liebt die Gefahr wie ein anderer den Schlaf liebt. Durch den vielfachen Genuss der Freuden, welche außergewöhnliche Sensationen erregen, hat er sich außerhalb des gewöhnlichen Lebens gestellt. Ich, ich will nicht, dass ein solcher Mensch, indem er ganz allmählich auf eine schiefe Ebene gerät, ein Räuber wird und auf dem Schafott stirbt. Doch, sehen Sie, Rittmeister, wie sich unser Flecken präsentiert?«

      Von weitem erblickte Genestas einen großen, runden, mit Bäumen bepflanzten Platz, in dessen Mitte sich ein von Pappeln umstandener Springbrunnen befand. Seine Einfriedigung war durch Böschungen bezeichnet, auf denen sich drei Reihen verschiedener Baumarten erhoben: erst Akazien, dann japanische Firnisbäume und oben auf der Bekrönung kleine Ulmen.

      »Das ist der Platz, wo unser Jahrmarkt abgehalten wird,« sagte Benassis. »Dann fängt da die Hauptstraße an mit den beiden schönen Häusern, von denen ich Ihnen erzählt habe, dem des Friedensrichters und dem des Notars.«

      Sie ritten nun in eine breite, ziemlich sorgfältig mit großen Kieseln gepflasterte Straße ein; jede ihrer Seiten wurde von etwa hundert neuen Häusern gebildet, die fast alle durch Gärten voneinander getrennt waren. Die Kirche, deren Portal eine hübsche Perspektive bildete, schloss diese Straße ab, in deren Mitte neuerdings zwei andere angelegt worden waren, an denen sich bereits mehrere Häuser erhoben. Die auf dem Kirchplatze gelegene Bürgermeisterei erhob sich dem Pfarrhaus gegenüber. Je tiefer Benassis in den Ort hineinritt, desto mehr Frauen, Kinder und Männer, deren Tagewerk beendigt war, kamen vor ihre Türen; die einen nahmen vor ihm die Mützen ab, die anderen sagten ihm guten Tag, die kleinen Kinder schrieen und sprangen um sein Pferd herum, wie wenn die Güte des Tieres ihnen ebenso bekannt wäre wie die des Herrn. Es herrschte eine stille Fröhlichkeit, die, ähnlich allen tiefen Gefühlen, ihre besondere Schamhaftigkeit und ihre mitteilsame Anziehungskraft besaß. Als Genestas sah, welchen Empfang man dem Arzte bereitete, dachte er, dass dieser am Vorabend zu bescheiden in der Art und Weise gewesen sei, in der er ihm die Zuneigung der Bewohner des Bezirkes zu ihm geschildert hatte. Das war gewiss das mildeste der Königtümer, das, dessen Ehrentitel in den Herzen der Untertanen geschrieben stehen, ein wahres Königtum übrigens. Wie mächtig auch der Ruhm oder die Macht strahlen, deren sich ein Mensch erfreut, seine

Скачать книгу