Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
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Jericho bückte sich und machte am Ende des Zollstockes, mit dem Weldon ausmaß, einen Strich. Dabei dachte er unentwegt an jenen Zugang von oben zum Saloon. Don Carlos hatte Schmerzen in seinem Bein. Wurden sie zu schlimm, brauchte er Jerichos Hilfe. Sperrten die Bravados alle Bewohner von Wagon Creek im Stollen ein, mussten sich die Bravados so sicher fühlen, dass ihnen der eine Mann, der dazu noch alles widerspruchslos tat, ungefährlich vorkommen.
Genau das könnte passieren, dachte David Jericho. Was sollte ihnen von einem Mann drohen können? Dieser Gringo ist ein Totengräber, hat keine Waffe, hat für sie übersetzt und Don Carlos verbunden. Immerhin könnte es sein, dass nachts jemand nach Wagon Creek kommt, irgendein Reiter oder ein Wagen, der hierbleiben will. Dann brauchen sie jemand, der wie ein Gringo aussieht und den Besuch empfängt. Alle Wetter, die behalten mich im Saloon für alle Fälle, wetten? Wie war das mit der Schlacht zwischen den irischen und britischen Bahnarbeitern in Oakflat vor sieben Jahren? Bei den Iren kämpften auch die beiden chinesischen Wäschekulis, und die entschieden die Sache auf ihre Art für die Iren. Das war eine heiße Sache. Wenn ich dasselbe Zeug wie die bekäme.
David Jericho machte den nächsten Strich – der Stollen war keine vier Schritt breit und weniger als zweieinhalb hoch. Dennoch war Jericho in Gedanken schon im Store – dort gab es das, was Jericho brauchte und damals die Chinesen eingesetzt hatten. Kam er heran, war die Sache schon halb gewonnen …
*
Jericho war es, als schnürte ihm etwas den Hals langsam zu. Die Wagen kamen, von Jacob Bloomefield geführt, von Norden die Straße herunter.
»Du«, zischte Don Carlos. »Du Bloomefield, wenn du schreien, du tot, auf Stelle tot!«
Zwei Stunden vor Sonnenuntergang hatten sie vom Dach des Hotels aus die Staubfahne im Norden gesehen. Und dann war Pepe, der Bravado, unten erschienen, hatte Rual Sastre gewinkt. Der hatte nach Jericho wie nach einem Hund gepfiffen und ihn von der Arbeit an jener Sperrwand geholt.
»Runter ins Hotel mit dir, Totengräber, schnell, schnell!«
Beim Abstieg vom Hügelweg hatte Jericho genau auf das Dach des Hotels und den Winkel zum Store geachtet. Seitdem wusste er, dass man vom Dach des Hotels aus nicht sehen konnte, wenn jemand über die Straße zum Store kroch, sobald es dunkel geworden war.
Was der Reiter neben Jacob Bloomefield tun würde, wusste Jericho noch nicht, aber sein Gefühl hatte sich gemeldet, dieses verdammte, flaue Gefühl im Bauch, das immer da war, wenn etwas passierte.
Carding, dachte Jericho und schluckte an dem Kloß, der ihm in der Kehle zu sitzen schien, Carding, Mann, drehe nicht durch, mach keinen Fehler. Die sehen dich von oben, da liegen sie jetzt mit drei Mann hinter den Steinen und zielen schon auf euch. Hinter dem Fenster des Stores lauert der nächste Bravado, noch einer hier oben hinter der Treppe zum Hof. Die haben dich, Carding, ehe du kapierst, dass du alles falsch gemacht hast. Um Gottes willen, sie sind gleich hier, sie sehen die Frau drüben den Vorbau fegen, die beiden spielenden Kinder am Store, den Alten auf der Bank vor dem dritten Haus sitzend. Das sieht alles so friedlich aus. Die Schornsteine rauchen, alles ist ruhig wie immer.
Bud Carding blickte jetzt zum Saloon und sah Bloomefield in der Tür stehen. Dann flog Cardings Blick weiter zum Ende der Straße, an dem die Sägemühle lag, in der Carding so etwas wie der Aufseher war. Dort hinten lag auch das Haus der Fergusons, in dem Mabel Ferguson ihren alten Vater versorgte. Mabel war gerade neunzehn geworden, Carding war jetzt vierundzwanzig. Jeder in Wagon Creek wusste, dass sie heiraten wollten, ehe es Winter wurde.
Mabel stand dort hinten in der Haustür. Der alte Ferguson hockte auf der Bank neben der Tür. So sah Carding sie, nur den Bravado hinter dem Mädchen sah er nicht – Rual Sastre stand dort und zischte jetzt: »Du lächeln – du lächeln, verstehen? Deine Freund sehen dich – du lächeln!«
Sie wollte es tun, aber sie konnte nicht. Sie kannte Carding gut und wusste, dass er ein Hitzkopf war.
»Du – gehen!«, befahl Don Carlos hinter Isaak Bloomefield. »Jetzt du gehen – dann bleiben stehen und grüßen Bruder!«
»Hallo, Jake«, sollte Isaak zu seinem jüngeren Bruder Jacob sagen. »Na, wieder zurück, Jake? He, halte mal an, ich habe dir was mitzuteilen. Jake, warte, halte an!«
Die Wagen mussten stehen und mitten auf der Fahrbahn bleiben, so hatte es Carlos gewollt. Standen sie dort, befanden sie sich zwischen den Gewehren der Bravados.
In diesem Augenblick sah Jericho, dass Bloomefield die Peitsche leicht anhob und den Kopf zu Carding wandte.
»Na, Buddy?«, fragte Jake Bloomefield, der die gerunzelten Brauen Cardings bemerkte. »Winkt sie dir heute nicht wie sonst zu? Was hat deine Hübsche denn heute, Buddy? He, Junge, sie wird sich doch in deiner Abwesenheit nicht etwa mit einem der Holzfällerburschen getröstet haben?«
»Hör auf«, knurrte Carding gereizt. Er ging immer zu schnell hoch und regte sich gleich auf. »Sie wird schon winken. Du mit deinem blöden Gerede, dass man den Frauen niemals trauen solle. Pass mal auf, wie sie gleich winkt!«
Jericho sah das Zucken von Cardings Händen, das Zustoßen von Cardings Stiefelhacken. Bud Carding ritt jäh an, preschte los, ehe Isaak Bloomefield die letzten zwei Schritt bis zur Vorbaustütze gemacht hatte.
Einen Augenblick schien Isaak Bloomefield zu erstarren. Er blieb stehen, sah sich verstört und hilflos um.
Das geht schief, konnte Jericho nur noch denken, der Narr sieht sich um, wird kreidebleich.
»Bloomefield!«, zischte Jericho los. »Ruf ihn an, ruf ihn an, schnell!«
Es war die einzige Chance, die noch blieb, und Bloomefield schien sie zu erkennen, wandte sich wieder um, holte tief Luft und rief dann scharf: »Carding – he, Buddy, warte, Junge. Buddy, halt an, ich muss dir etwas sagen, Buddy …«
»Nachher«, rief Buddy Carding zurück. »Später, Mister Bloomefield, dann ist noch Zeit genu…« In dieser Sekunde passierte es.
Rual Sastre sah Carding kommen und aus jenem Viereck der für die Wagen aufgebauten Falle reiten. Gleichzeitig erkannte Sastre, dass die drei Bravados, die hoch oben am Hang hinter den Steinen lagen, Carding jetzt nicht unter Feuer nehmen konnten, denn sie sahen ihn nicht mehr. Der Hotelbau versperrte ihnen die Sicht.
Rual Sastre, der immer zu schnell mit dem Schießeisen bei der Hand gewesen war, handelte sofort. Er stieß ein giftiges Zischen aus, rammte gleichzeitig Mabel Ferguson das Gewehr in die Hüfte und schleuderte das Mädchen zur Seite.
Bud Carding fuhr heftig zusammen. Er sah kaum, dass Mabel hinschlug, als er auch schon den Mann hinter ihr entdeckte. Sastre sprang mitten in die Tür, riss das Gewehr an die Schulter und zielte auf die Brust des heranjagenden Pferdes.
In derselben Sekunde – der Anblick des Gewehres reichte für Carding – riss auch der junge Aufseher die Rechte herum. Er bekam das im Scabbard steckende Gewehr zu fassen, aber bevor er die Waffe hochnehmen konnte, brüllte der Schuss Sastres über die Straße.
Die Kugel traf haargenau. Cardings Brauner knickte wie vom Blitz erwischt ein, während Carding sich geistesgegenwärtig nach links aus dem Sattel warf. Dennoch kam Carding nicht mehr aus dem Steigbügel. Das Pferd riss ihn im Sturz mit. Carding prallte auf und wälzte sich, seine Waffe umklammernd, herum. Er riss die Waffe an die Schulter und schlug auf Sastre an, der bereits wieder