Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
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»So ist das – jeder macht mal einen Fehler, Señor Carlos«, zischelte Jericho bissig. Er schwang sich in das Zimmer und zog leise die Tür auf. Da er keine Seele sah, verstaute er Seil und Sachen unter dem Bett. Die Tür ließ er nun offen, hockte sich vor das Bett auf den Boden und begann auszupacken. Zuerst legte er den zweiten Revolver, den er aus seinem Leichenwagen geholt hatte – die Bravados hatten zwar einen Blick in seine Werkzeugkiste geworfen, aber nichts von dem eingearbeiteten Doppelboden entdeckt – schussbereit auf die Bettkante. Danach knotete er den ersten Beutel auf und begann zu grinsen, als er die Tüten herausnahm. Er wusste genau, dass er mindestens noch anderthalb Stunden Zeit bis zur nächsten Postenablösung hatte. Zwei der Bravados marschierten dann zum Stollen empor, der dritte stieg auf das Dach.
Es dauerte beinahe eine ganze Stunde, bis er mit seinen Vorbereitungen fertig war. Er hatte sich sogar durch den Flur gewagt und dicht vor der Verbindungstür zur Saloonbalustrade einen kleinen Schraubhaken über dem oberen Türfutter eingedreht. Kein Bravado – sie schliefen unten alle, und er war nur knapp sieben Schritt von ihnen entfernt gewesen hatte etwas von ihm gehört.
David Jericho Graves, der manchmal einem großen, wilden Jungen glich, wenn er sich einen gewaltigen Streich ausdachte, schlich auf Socken in das jener Flurtür gegenüberliegende Zimmer und trat ans Fenster. Dann wusste er, dass seine Berechnungen stimmten. Ein gespanntes und von einem Faden gehaltenes Schlüpfergummi musste bis zu diesem Fenster reichen. Es einzuhaken würde keine Minute dauern.
Ich lache mich tot, wenn das glückt, dachte David Jericho zufrieden. Jetzt habe ich alles beisammen, auch meinen Hammer und mein dünnes Seil. Mal sehen, ob der Segundo nicht munter wird, wenn sich die Wachen ablösen. Ich möchte wetten, der Schurke wacht auf und jammert gleich wieder nach mir.
David Jericho Graves legte sich mit düsteren Gedanken nieder und beschloss zu schlafen, bis ihn die Wachablösung weckte. Auch Sastre, der noch nicht genug Laudanum in sich hatte, würde erwachen. Und was passierte dann …?
*
Sastre starrte David Jericho aus geröteten Augen drohend an, wagte es aber nicht. Jericho anzuschreien, denn er hätte mit seinem Geschrei Don Carlos wecken können. Don Carlos schlief so fest, dass er auch bei der Ablösung der Posten nicht erwacht war.
»Du musst mir noch etwas geben«, keuchte Sastre wütend. »Ich habe viel größere Schmerzen als Don Carlos, du verfluchter Gringo-Totengräber. Wenigstens einen Löffel voll muss ich haben. Oh, Dios, ich kann nicht schlafen, ich halte es vor Schmerzen nicht mehr aus.«
»Nun gut«, antwortete Jericho gepresst und stellte sich ängstlich. »Auf deine Verantwortung, Sastre. In drei Stunden wird es schon wieder hell. Wenn Don Carlos dann munter wird, Schmerzen hat und die Medizin haben will – was dann?«
»Das lass meine Sorge sein, Gringo«, knirschte Sastre bissig. »Wenn es verbraucht ist, gibt es nichts mehr. Madonna, wie soll ich es denn morgen aushalten? Und erst im Sattel, wenn der verfluchte Gaul stuckernd läuft? Mia Madonna, ich werde vor Schmerzen verrückt werden unterwegs. Weißt du denn nicht, was sonst noch helfen kann?«
»Vielleicht finde ich was im Store«, brummelte Jericho. Er hörte die beiden abgelösten Minenstollenposten kommen. Die beiden Bravados kamen herein, trotteten in die Küche und holten sich etwas zu trinken. Dann wurde es unten ruhig, während Jericho umständlich in der Tasche von Doc Sheppard kramte, die man ihm gelassen hatte. »Hier ist es, aber nur ein Löffel voll, mehr nicht.«
Während Rual Sastre den Löffel annahm, ihn an die Lippen setzte und den Kopf zurücklehnte, um das scheußlich schmeckende Zeug mit einem Ruck hinunterzukippen, stellte Jericho die Flasche in die Tasche zurück. Er tat es mit der Rechten. Und dann griff er neben die Flasche.
David Jericho packte blitzschnell den umwickelten Bolzen. Sastre hielt die Augen geschlossen, hatte den Löffel an den Lippen und schüttelte sich jetzt schon. Dann warf er entschlossen den Kopf zurück. In derselben Sekunde riss Jericho die Rechte aus der Tasche.
Der Hieb kam für Rual Sastre wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der umwickelte Bolzen traf Sastre am Kopf. Den Bruchteil einer Sekunde hatte Jericho den Eindruck, dass der Bravado noch die Augen aufreißen wollte. Er kam jedoch nicht zu mehr als einem Liderzucken, dann sackte er in sich zusammen. Jerichos kaltblütiger Stoß warf Sastre an die Rücklehne des Sofas. Gleichzeitig entfiel dem Bravado der Löffel. Und dann rutschte der Kerl auch schon langsam von der Lehne ab und kippte zur Seite.
»Das war Nummer eins«, zischte Jericho zu Shannon blickend. »Rühr dich nicht. Ich muss den Hundesohn erst versorgen, ehe er deine Stelle einnehmen kann. Sollte jemand hereinsehen, was ich nicht hoffe, hält er ihn vielleicht für dich, wenn ich ihn zudecke.«
»Alle Teufel, was wagst du?«, flüsterte Shannon verstört. »Was hast du gerissener Halunke vor – und wo ist meine kleine Inez? Der Hundesohn Carlos hat gesagt, er hätte sie eingesperrt? Wo ist Inez, Jericho, wo ist meine …«
»Mensch, halt die Klappe, die hole ich da schon heraus, wenn auch mit Gewalt. Zuerst muss ich dich in den Hof schaffen. Traust du dir zu, an einem Seil nach unten abgelassen zu werden und dabei keinen Laut auszustoßen?«
»Ich traue mir sogar zu, mit einem Colt umzugehen – dazu müsste es reichen, Jericho. Mensch, habe ich doch gleich gedacht, dass du etwas vorhättest. Du bist mir verdammt zu sanft und folgsam gewesen. He, Mann …«
»Halt die Klappe!«, knirschte Jericho. »Ich muss auf jedes Geräusch in diesem Bau achten. Du kommst mit Inez heraus, das schwöre ich dir. Sei still, Mensch!«
Jericho fischte die Schnur aus der Tasche. Er brauchte Zeit, um Sastre so ans Bett zu binden, dass er kein Glied mehr rühren konnte. Den schweren Shannon in sein Zimmer zu tragen, ihm das Seil unter den Armen um den Leib zu binden und ihn dann lautlos in den Hof abzulassen, würde lange genug dauern.
Noch mehr Zeit würde er jedoch brauchen, um nach unten in den Raum zu schleichen, in dem die Bravados alle Waffen untergebracht hatten. Danach erst konnte sich Jericho aufmachen, um mit seinem Hammer, den er auch als Wurfhammer benutzen konnte, die beiden Posten vor dem Stollen auszuschalten. Wie er das schaffen sollte, wusste er noch nicht.
David Jericho Graves brach trotz aller Kaltblütigkeit der Angstschweiß aus. Niemand wusste so gut wie Jericho, dass ein einziger Fehler vielleicht nicht nur ein, sondern viele Leben kosten konnten …
*
Was Jericho befürchtet hatte, geschah in derselben Sekunde, in der Mike Shannon an der Wand heruntergesunken war und zu stehen versuchte. Shannon sackte ganz langsam, wenn auch lautlos, zusammen.
»Das Seil«, konnte Jericho nur zischeln. »Versuche, ob du die Seilschlinge lösen kannst, Mikel.«
In Jericho kam etwas wie nagende Furcht auf, bisher war alles glatt verlaufen, aber nun zeigte sich, dass Shannon noch viel zu erschöpft war.
»Ich …, ich schaffe es nicht, Alter.«
»Warte!«
Das