Fiona - Sterben. Zsolt Majsai
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Ich stelle mich zwischen die Särge, nicht an den Rednerpult. Da ich mich nicht vorbereitet habe, brauche ich auch keine Ablage. Und das freie Reden vor vielen Leuten bin ich sowieso gewohnt. Vor sehr vielen Leuten. Unwillkürlich muss ich daran denken, wie ich vor nicht ganz zwei Jahren zum ersten Mal vor Zehntausenden stand, ganz zu schweigen von den Millionen, die es später im Fernsehen gesehen haben. Damals kündigte ich ein Rockkonzert an, ein wesentlich erfreulicherer Anlass meiner Rede. Und außerdem werde ich heute ganz sicher nicht singen.
Ich lasse meinen Blick schweifen. Links sitzt die Familie von James. Nadine, Margret, Kevin, Edgar, Peter und James‘ Mutter, die mir aufmunternd zulächelt. Auf der anderen Seite meine Eltern, Mamas beide Schwestern, Papas Schwester und Bruder. Weiter hinten sitzt auch Monica, daneben Luke Koolman. Sogar Elaine ist da.
Ich hole tief Luft. „Die meisten von euch werden es ungewohnt finden, dass ich so wenig rede.“ Ich warte, bis das verhaltene Lachen verklungen ist. „Aber ich musste halt immer für James mitreden.“ Pause. „Nein, ein Mann vieler Worte war er nicht, der großen aber schon. Obwohl er durchaus reden konnte. Ich möchte nicht wissen, wie viele Leute nur darum neue Häuser gekauft haben, weil James sie ihnen verkauft hat. Er war auch keiner, der die Gefahr gefürchtet hat. Die meisten hier werden wissen, dass er zehn Jahre lang als Agent gearbeitet hat. Er hat mich auch in meiner bis vorletzten Mittwoch schwärzesten Stunde unterstützt, vor sechs Jahren. Und wie wenig er die Gefahr gefürchtet hat, das sieht man auch daran, dass er mich geheiratet hat.“ Ich warte wieder, bis das Lachen verstummt. „Ich weiß nicht, ob es etwas zu bedeuten hat, aber in der ersten Augusthälfte passieren die Katastrophen in Intervallen von drei Tagen. Am 6. August Hiroshima, am 9. August Nagasaki und am 12. August King Valley. Und ja, das ist schwarzer Humor. Tiefschwarzer Humor. Genau die Art, die auch James so geliebt hat. Er konnte die bösesten Pointen bringen, ohne auch nur einen einzigen Muskel in seinem Gesicht zu verziehen. Ich meine, das fiel ihm ja auch nicht schwer, seine Gesichtsmuskeln waren völlig unterentwickelt. Aber ...“ Ich mache eine kleine Pause, bis sich alle wieder beruhigt haben. „Aber ich habe mit der Zeit gelernt, ihn zu verstehen, immer ganz genau zu wissen, was er denkt, was er fühlt. Das bleibt normalerweise nicht aus, wenn man das Leben zusammen verbringt, wenn man sich so liebt, wie wir uns geliebt haben.“ Ich mache wieder eine Pause, diesmal, um mich selbst zu beruhigen und ein paar vorwitzige Tränen abzuwischen. „Es waren Kleinigkeiten, die ihn verraten haben, insbesondere die Augen.“ Ich sehe, wie Eleonor nickt. „Dass er keine Gefühle zeigte, hieß nicht, dass er keine hatte. Im Gegenteil, er hatte sogar sehr tiefe. Auf ihn traf das Sprichwort vom stillen Wasser sehr zu.“ Ich halte inne und muss mir eingestehen, dass ich an meiner Grenze bin. „Ich … ich könnte noch so viel über James erzählen. Und über Sandra. Aber es geht nicht, tut mir leid. James, ich werde dich nie vergessen.“
Katharina springt auf und hilft mir, wieder zur Sitzbank zu gelangen. Dann vergrabe ich das Gesicht in beiden Händen und bin dankbar, als mein Weinen in Orgelmusik untergeht.
Irgendwann ist endlich diese Messe auch vorbei und die Särge werden auf kleine, elektrische Wagen geladen, die fast lautlos ihre Last zur letzten Ruhestätte transportieren. Ich gehe zusammen mit Eleonor vorneweg, auf meine ausdrückliche Bitte hin begleitet mich auch Katharina, was einige fragende und sogar missbilligende Blicke auslöst. Eleonor allerdings scheint damit kein Problem zu haben, denn sie hakt sich bei mir unter und sagt leise: „Sie wird dich beschützen.“
Ich blicke sie erstaunt an, aber mehr kommt von ihr nicht. Sie lächelt nur. Ich sehe zu Katharina auf der anderen Seite und ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie es auch gehört hat.
Es ist ein langer Weg bis zur Grabstelle, insbesondere bei unserem Tempo. Ich hänge düsteren Gedanken nach, die sich vor allem um Zanda drehen. Zwischendurch scanne ich die Umgebung nach James ab, doch er ist definitiv nicht da. Ich spüre, wie mein Bauch sich verkrampft.
Am Grab lässt der Priester noch einige Bibelstellen los, dann werden die Särge hinuntergelassen. Zuerst James, dann direkt darüber Sandra. Meine Mutter drückt mir eine rote und eine weiße Rose in die Hand, die ich pflichtschuldig auf die Särge fallenlasse.
Während die Friedhofsangestellten, angeleitet von Martin Cartwright, das Grab zuschütten, lassen James‘ Familie und ich die Beileidsbekundungen über uns ergehen. Als Michael ankommt, halte ich kurz die Luft an, weil ich an Eleonors Hellsichtigkeit denken muss. Während ich Michael umarme, flüstere ich ihm ins Ohr: „Nicht erschrecken, meine Schwiegermutter wird dich erkennen.“
So ist er zum Glück vorbereitet und lächelt sanft, als Eleonors Gesichtszüge kurz entgleisen. Dann wirft sie mir einen Blick zu und ich schenke ihr ein angedeutetes Lächeln. Das scheint sie wieder zu beruhigen, Gott sei … Wem auch immer.
Nachdem die Prozedur endlich vorbei ist, gehen wir langsam zurück zu den Autos. Der Plan ist, in einem geschlossenen Konvoi nach King Valley zu fahren, zumindest diejenigen, die dabei sein werden. Das gilt für die meisten, lediglich die Kollegen und Monica wollen nicht mit. Was ich irgendwie sogar verstehen kann.
Margret schließt sich ihrer Großmutter und mir an und hakt sich bei uns unter.
„Tan... Fiona, darf ich bei Euch mitfahren?“
„Nur weil du dich korrigiert hast. Aber du musst die Rückbank mit Helena und Jody teilen.“
„Einverstanden. Fahren wir mit dem schnellen Kombi?“
„Nein, wir sind mit einem A8 da. Der ist auch schnell. Was auf dieser Fahrt aber keine Rolle spielt.“
„Na gut. Übrigens fand ich deine Rede sehr schön.“
„Danke.“
Auf dem Parkplatz verabschiede ich mich von Monica und James‘ ehemaligen Kollegen. Dann steigen wir in unsere Autos. Meine Eltern und Nicholas fahren vorne, direkt hinter ihnen wir.
Ich beobachte Margret im Rückspiegel. Sie sitzt hinten links, weil Jody und Helena sich nicht zur Trennung überreden ließen. Ich sehe Margret an, dass sie versteht, warum, aber auch, dass sie über Katharina und mich nachdenkt.
Der Platz vor dem Haus meiner Eltern füllt sich mit Autos. Einige möchten sich die Überreste von James‘ Haus ansehen. Katharina übernimmt es, sie zu führen und zu erklären, was überhaupt erklärt werden kann.
Im Haus hat inzwischen eine Cateringfirma das Buffet aufgebaut und sorgt auch für die Getränke. Mein Vater heißt kurz alle willkommen und teilt mit, dass das Buffet eröffnet ist.
Mittlerweile ist es schon fast drei Uhr.
Ich gehe zum Rauchen in den Garten. Bin damit gerade fertig, als Katharina auftaucht und sich zu mir gesellt. Ich begrüße sie mit einem innigen Kuss.
„Was macht ihr da?“
Ich fahre herum. Kevin steht auf der Terrasse und starrt uns ungläubig an.
„Wir haben uns geküsst“, erwidere ich.
„Ihr habt euch geküsst wie Mann und Frau!“
„Oder wie zwei Frauen, die sich lieben.“
„Seid ihr etwa lesbisch? Und James? Hat er davon gewusst?“
Ob James das gewusst hat? Das ist eine gute Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich so ahnungslos war, wie er immer tat.
„Es gab nichts, wovon er hätte wissen müssen“, antworte ich, immer noch einigermaßen