Die Forsyte Saga. John Galsworthy
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Konnte ein Mann etwas Schöneres besitzen als diesen Esstisch mit seinem kräftigen dunklen Farbton, den leuchtenden, zartblättrigen Rosen, dem rubinfarbenen Glas und dem hübschen Silber? Konnte ein Mann etwas Schöneres besitzen als die Frau, die an diesem Tisch saß? Dankbarkeit war bei den Forsytes keine Tugend, von Konkurrenzdenken und Vernunft bestimmt, hatten sie keinen Anlass, dankbar zu sein. Soames empfand nur ein an Schmerz grenzendes Gefühl der Verbitterung darüber, dass er sie nicht besitzen konnte, wie es sein Recht war, sie zu besitzen. Dass er nicht seine Hand nach ihr wie nach jener Rose ausstrecken, sie pflücken und mit dem Duft die Geheimnisse ihres Herzen eratmen konnte.
All seine anderen Besitztümer, all die Dinge, die er angesammelt hatte, sein Silber, seine Häuser, seine Investitionen, gaben ihm ein Gefühl von Geheimnis und Intimität; sie jedoch gab ihm gar nichts.
Die Zeichen waren überall in diesem Haus zu sehen. Doch sein geschäftsmäßiges Wesen wehrte sich gegen eine seltsame Warnung, dass sie nicht die Richtige für ihn war. Er hatte diese Frau geheiratet, sie erobert, sie zu der Seinen gemacht, und es schien ihm gegen das grundlegendste aller Gesetze zu sein, das Gesetz des Besitzens, dass er nur ihren Körper besitzen konnte – wenn überhaupt das, daran begann er langsam zu zweifeln. Hätte ihn irgendwer gefragt, ob er ihre Seele besitzen wolle, so wäre ihm diese Frage sowohl lächerlich als auch zu emotional erschienen. Doch er wollte es wirklich und die Zeichen sagten ihm, dass er es nie würde.
Sie schwieg immerzu, war stets passiv, würdevoll abweisend, als ob sie Angst hätte, ihm durch Worte, eine Bewegung oder ein Zeichen Anlass zu geben, zu glauben, sie würde ihn lieben. Und er fragte sich: Muss ich für immer so leben?
Wie bei den meisten Romanlesern seiner Generation (und Soames war ein großer Romanleser) war sein Weltbild von Literatur beeinflusst, und so hatte er die Überzeugung gewonnen, dass es nur eine Frage der Zeit war.
Am Ende gewann der Ehemann immer die Liebe seiner Frau. Selbst in den Geschichten, die in einer Tragödie endeten – eine Buchgattung, die er nicht besonders mochte –, starb die Ehefrau immer mit Beteuerungen tiefster Reue auf den Lippen. Oder wenn es der Ehemann war, der starb – ein unschöner Gedanke -, dann warf sie sich von Schuldgefühlen gequält auf seinen toten Körper.
Er führte Irene oft ins Theater aus, wobei er instinktiv die modernen Gesellschaftsstücke mit den Eheproblemen der modernen Gesellschaft wählte, die sich erfreulicherweise so von allen Eheproblemen des echten Lebens unterschieden. Er fand, dass auch sie immer gleich endeten, selbst wenn ein Liebhaber mit im Spiel war. Während er das Stück verfolgte, sympathisierte Soames oft mit dem Liebhaber, aber wenn er dann mit Irene in einer Kutsche saß, war er noch ehe er wieder zu Hause war doch froh, dass das Stück so geendet hatte, wie es eben geendet hatte. Es gab eine neue Art Ehemann, die damals gerade in Mode gekommen war, den starken, eher groben, aber äußerst soliden Mann, der am Ende des Stückes besonders erfolgreich war. Für diesen Charakter empfand Soames definitiv keine Sympathie, und hätte er seine eigene Stellung außen vor lassen können, hätte er seine Abscheu gegenüber diesem Kerl geäußert. Doch ihm war zu sehr bewusst, von welch entscheidender Bedeutung es für ihn selbst war, erfolgreich, ja sogar selbst ein starker Ehemann zu sein, als dass er jemals über eine Abneigung gesprochen hätte, die womöglich durch die Abwege der Natur einer geheimen Quelle der Brutalität in ihm selbst entsprungen war.
Doch an diesem Abend war Irenes Schweigen anders als sonst. Er hatte nie zuvor einen solchen Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen. Und da Ungewöhnliches stets als alarmierend empfunden wird, war Soames alarmiert. Soames aß seinen Nachtisch und trieb das Hausmädchen zur Eile an, als sie die Krümel mit einem Silberkehrbesen wegwischte. Als sie den Raum verlassen hatte, schenkte er sich Wein ein und sagte: »War heute Nachmittag irgendwer hier?«
»June.«
»Was wollte sie?« Bei den Forsytes ging man grundsätzlich nirgendwo hin, wenn man nicht etwas wollte. »Wahrscheinlich über ihren Verlobten sprechen, oder?«
Irene antwortete nicht.
»Ich habe den Eindruck«, fuhr Soames fort, »dass sie mehr in ihn vernarrt ist als er in sie. Sie hängt ihm immerzu an den Fersen.«
Irenes Blick machte ihn unsicher.
»Du hast kein Recht, so was zu sagen!«, rief sie.
»Warum nicht? Jeder kann es sehen.«
»Überhaupt nicht. Und wenn es jeder sehen könnte, es ist trotzdem eine Schande, es zu sagen.«
Soames verlor die Fassung.
»Du bist mir ja eine tolle Frau!«, sagte er. Doch insgeheim verwunderte ihn ihre hitzige Antwort, das war sonst gar nicht ihre Art. »Du bist ja regelrecht verrückt nach June! Aber eins sage ich dir: Jetzt, wo sie sich den Piraten geangelt hat, bist du ihr vollkommen egal, das wirst du schon noch merken. Aber du wirst sie in Zukunft ohnehin nicht mehr so oft sehen, wir ziehen nämlich aufs Land.«
Er war froh gewesen, die Neuigkeit getarnt in diesem wütenden Ausbruch hervorbringen zu können. Er hatte einen Aufschrei des Entsetzens erwartet ‒ dass sie seine Verkündung schweigend zur Kenntnis nahm, beunruhigte ihn.
»Das scheint dich gar nicht zu interessieren«, musste er gezwungenermaßen hinzufügen.
»Ich wusste es schon.«
Er sah sie scharf an.
»Von wem?«
»Von June.«
»Woher wusste sie das?«
Irene antwortete nicht.
Verwirrt und verunsichert sagte er: »Es ist eine gute Sache für Bosinney, damit kann er sich einen Namen machen. Sie hat dir wahrscheinlich schon alles darüber erzählt, oder?«
»Ja.«
Wieder folgte eine Pause, dann sagte Soames:
»Ich nehme an, du willst nicht gehen?«
Irene antwortete nicht.
»Ach, was weiß ich, was du willst. Du wirkst hier nie zufrieden.«
»Haben meine Wünsche irgendetwas damit zu tun?«
Sie nahm die Vase mit den Rosen und ging aus dem Zimmer. Soames blieb sitzen. Hatte er dafür etwa den Vertrag unterschrieben? Wollte er dafür mehrere zehntausend Pfund ausgeben? Er erinnerte sich wieder an Bosinneys Worte: »Frauen sind der Teufel!«
Doch er beruhigte sich schnell wieder. Es hätte schlimmer laufen können. Sie hätte ausrasten können. Er hatte mit mehr gerechnet. Letztlich war es ein Glück gewesen, dass June das Eis für ihn gebrochen hatte. Sie musste es irgendwie aus Bosinney herausgequetscht haben. Er hätte sich denken können, dass sie das tun würde.
Er zündete sich eine Zigarette an. Immerhin hatte ihm Irene keine Szene gemacht! Sie würde sich schon wieder beruhigen – das war das Beste an ihr. Sie war kalt, aber sie schmollte nie lange. Er blies den Zigarettenrauch nach einem Marienkäfer auf dem glänzenden Tisch und versank in seinen Gedanken über das Haus. Es brachte nichts, sich Sorgen zu machen; er würde das gleich mit ihr klären. Sie würde dort draußen in der Dunkelheit unter dem japanischen Sonnenschutz sitzen und stricken. Eine wundervolle warme Nacht …
Tatsächlich war June an jenem Nachmittag