Die Forsyte Saga. John Galsworthy

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Die Forsyte Saga - John Galsworthy Forsyte

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war Experte auf diesem Gebiet. »Der traut sich was«, sagte er, »der wilde Pirat!«

      Und diese scherzhafte Bezeichnung, »der Pirat«, ging von Mund zu Mund, bis es die bevorzugte Art war, auf Bosinney anzuspielen.

      Ihre Tanten machten June danach Vorwürfe wegen des Hutes.

      Sie sagten: »Wir finden, du hättest ihn den nicht tragen lassen dürfen!«

      June hatte darauf auf ihre herrische, energische Art geantwortet, ganz wie der Ausbund an Willenskraft, der sie war: »Ach! Was soll’s? Phil weiß doch nie, was er anhat!«

      So eine unerhörte Antwort hatte niemand glauben können. Ein Mann, der nicht wissen sollte, was er anhatte? Nein, nein! Was war denn dieser Mann schon, der mit seiner Verlobung mit June, der anerkannten Erbin des alten Jolyon, eine so gute Partie gemacht hatte? Er war Architekt, das alleine rechtfertigte nicht, so einen Hut zu tragen. Keiner der Forsytes war selbst Architekt, aber einer von ihnen kannte zwei Architekten, die niemals einen solchen Hut zu einem feierlichen Anlass während der Londoner Saison tragen würden.

      Gefährlich – sehr gefährlich! June hatte das natürlich nicht verstanden, aber sie war ja auch, obwohl sie noch keine neunzehn war, für derartiges Verhalten bekannt. Hatte sie nicht zu Soames’ Frau, die immer so stilvoll gekleidet war, gesagt, Federn seien geschmacklos? Soames’ Frau trug seitdem tatsächlich keine Federn mehr, so schrecklich direkt war die gute June!

      All diese Bedenken, das Missfallen und das absolut aufrichtige Misstrauen hielten die Forsytes nicht davon ab, der Einladung des alten Jolyon folgend zusammenzukommen. Einen Empfang in Stanhope Gate gab es nicht alle Tage, der letzte war zwölf Jahre her. In der Tat hatte es keinen mehr seit dem Tod der Frau des alten Jolyon gegeben.

      Noch nie waren sie so zahlreich zusammengekommen, denn sie hatten sich trotz all ihrer Unterschiede auf mysteriöse Weise vereint, gegen eine Gefahr gewappnet, die sie alle bedrohte. Wie eine Herde Kühe, wenn ein Hund auf die Weide kommt, standen sie Kopf an Kopf und Schulter an Schulter, bereit, sich auf den Eindringling zu stürzen und ihn zu Tode zu trampeln. Natürlich waren sie auch gekommen, um herauszufinden, was für Geschenke letztendlich von ihnen erwartet werden würden. Die Frage der Hochzeitsgeschenke wurde zwar für gewöhnlich folgendermaßen geregelt: »Was schenkst du denn? Nicholas schenkt Löffel!« – Doch es hing trotzdem so viel vom Bräutigam ab. Sah er gepflegt, elegant und wohlhabend aus, musste man ihm eher etwas Anständiges schenken. Das würde er erwarten. Am Ende schenkte jeder genau das, was richtig und angemessen war, ausgehandelt durch eine Form der Regulierung innerhalb der Familie, so wie Preise an der Börse ausgehandelt werden. Wie diese anständigen Geschenke konkret aussahen, wurde in Timothys geräumigem Backsteinhaus in der Bayswater Road verhandelt, von wo aus man einen Blick auf den Park hatte und wo auch die Tanten Ann, Juley und Hester wohnten.

      Die bloße Erwähnung des Hutes rechtfertigte also das Unbehagen der Familie Forsyte. Wie unmöglich und falsch wäre es doch für jede Familie gewesen, anders zu empfinden. Es war doch, wie es für immer typisch für die gehobene Mittelschicht sein sollte, so wichtig, auf ein gewisses Erscheinungsbild zu achten!

      Der Urheber dieses Unbehagens stand etwas entfernt bei der Tür und unterhielt sich mit June. Sein lockiges Haar sah zerzaust aus, als ob ihm das, was sich da um ihn herum abspielte, fremd wäre. Er wirkte auch so, als würde er insgeheim über etwas schmunzeln.

      George sagte zu seinem Bruder Eustace gewandt: »Sieht aus, als würde er sich gern davonmachen – der verwegene Pirat!«

      Dieser »sehr eigenartig aussehende Mann«, wie ihn Tante Juley später nannte, war durchschnittlich groß und kräftig gebaut, mit einem eher dunklen, fahlen Teint, einem aschfarbenen Schnurrbart, sehr ausgeprägten Wangenknochen und eingefallenen Wangen. Seine Stirn neigte sich nach hinten Richtung Scheitel und trat wulstartig über seinen Augen hervor, die Art von Stirn, wie man sie bei den Löwen im Zoo sieht. Er hatte cognacfarbene Augen, deren Blick manchmal irritierend unaufmerksam war.

      Nachdem der Kutscher des alten Jolyon June und Bosinney zum Theater gefahren hatte, hatte er zum Butler gesagt: »Also ich weiß ja nicht, für mich sieht der wie ein halbzahmer Leopard aus.« Und immer wieder kam einer der Forsytes und schlängelte sich vorbei, um einen Blick auf ihn zu werfen.

      June stand vor ihm und wehrte diese Neugier ab – ein kleines Ding, »nur Haar und Energie«, wie jemand mal gesagt hatte, mit furchtlosen blauen Augen, einem kräftigen Kiefer und einem hellen Teint, dessen Gesicht und Körper zu zart für den rotgoldenen Schopf schienen.

      Eine großgewachsene Frau mit einer wunderschönen Figur, die ein Familienmitglied einmal mit einer heidnischen Göttin verglichen hatte, betrachtete die beiden mit einem geheimnisvollen ­Lächeln.

      Ihre in französisch-grauen Handschuhen steckenden Hände ­waren übereinandergekreuzt, ihr ernstes, bezauberndes Gesicht zur Seite gedreht, und die Augen aller Männer in ihrer Nähe waren darauf gerichtet. Ihr Körper wiegte so ausgeglichen hin und her, dass es schien, als würde die bloße Luft ihn bewegen. Auf ihren Wangen lag Wärme, aber sie hatten wenig Farbe, ihre großen, dunklen Augen waren sanft.

      Doch es waren ihre Lippen mit diesem geheimnisvollen Lächeln, wenn sie Fragen stellte oder Antworten gab, auf die die Männer schauten. Sie waren gefühlvoll, sinnlich und lieblich, und es schienen Wärme und ein angenehmer Duft von ihnen auszuströmen, wie die Wärme und der Duft einer Blume.

      Das Verlobungspaar, dem ihr prüfender Blick galt, war sich dieser beobachtenden Göttin nicht bewusst. Es war Bosinney, der sie zuerst bemerkte und nach ihrem Namen fragte.

      June führte ihren Liebsten zu der Frau mit der schönen Gestalt.

      »Irene ist meine beste Freundin«, sagte sie. »Bitte seid auch gute Freunde!«

      Die Aufforderung der kleinen Dame ließ sie alle drei lächeln. Und während sie lächelten, trat Soames Forsyte leise hinter der Frau mit der schönen Gestalt, seiner Frau, hervor und sagte: »Ah! Stell mich auch vor!«

      Er wich in der Tat bei öffentlichen Auftritten selten von Irenes Seite. Selbst wenn er durch gesellschaftliche Pflichten gezwungen war, von ihr getrennt zu sein, konnte man beobachten, wie er ihr mit seinen Blicken, in denen ein seltsamer Ausdruck von Wachsamkeit und Sehnsucht lag, überallhin folgte.

      Sein Vater, James, stand noch immer am Fenster und studierte die Zeichen auf der Porzellanschale.

      »Es wundert mich, dass Jolyon diese Verlobung erlaubt hat«, meinte er zu Tante Ann. »Es heißt, dass an eine Heirat in den nächsten Jahren erstmal nicht zu denken sei. Dieser junge Bosinney«, anstatt des gängigen kurzen o, machte er aus dem Wort einen Daktylus, »hat doch nichts. Als Winifred Dartie geheiratet hat, habe ich dafür gesorgt, dass er jeden Penny mit in die Ehe bringt – ein Glück, sonst hätten sie jetzt gar nichts mehr!«

      Tante Ann blickte aus ihrem Samtsessel hoch. Graue Locken umrahmten ihre Stirn, Locken, die seit Jahrzehnten unverändert aussahen und so jedes Gefühl für Zeit in der Familie ausgelöscht hatten. Sie antwortete nicht, denn sie sprach nur selten, um ihre gealterte Stimme zu schonen. Doch James, dessen Gewissen sich bemerkbar machte, genügte ihr Blick als Antwort.

      »Na ja«, fuhr er fort, »dass Irene kein Geld hatte, daran konnte ich nichts ändern. Soames hatte es so eilig, er wurde ja ganz dünn, so sehr, wie der um sie herumscharwenzelt ist.«

      Er stellte die Schale missmutig zurück auf das Klavier und ließ seinen Blick zu der Gruppe bei der Tür schweifen.

      »Meiner Meinung nach«, sagte er unvermittelt, »ist es genau recht so, wie es ist.«

      Tante

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