Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Manfred Vogt

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Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen - Manfred Vogt Störungen systemisch behandeln

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erhöhten depressiven Symptomen bei den Eltern sowie einer schlechteren Beziehung zwischen den Geschwistern korreliert (Daniels et al. 1987).

      Auch Familien mit einem atopisch erkrankten Kind berichten von Einschränkungen. Durch die nächtliche Symptomatik der Kinder wie Atemnot, nächtliches Aufwachen, Juckreiz und Kratzen ist auch der elterliche Schlaf beeinträchtigt (Meltzer a. Booster 2016). Weiterhin ist die Pflege des Kindes mit viel Arbeit verbunden: Die Hautpflege bei einem von Dermatitis Betroffenen ist sehr zeitaufwendig. Um allergene Trigger zu minimieren, muss deutlich mehr Zeit in Haushaltstätigkeiten investiert werden. 50 % der betroffenen Eltern berichten, in ihrem Sozialleben eingeschränkt zu sein und gesunde Geschwisterkinder stellenweise zu vernachlässigen (Lenney 1997). Überdies darf auch der finanzielle Mehraufwand für die Familien nicht unterschätzt werden. Eltern berichten von vermehrter Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit, Wut und Depressionen. Zudem stellen sich Eltern oft die Frage nach der eigenen Schuld, insbesondere wenn die Krankheit genetisch determiniert und ihr Ausbruch vom Lebensstil der Familie abhängig sein könnte (Lewis-Jones 2006).

      Etwa zwei Drittel der Eltern von Kindern mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sorgen sich übermäßig um die Zukunft ihres erkrankten Kindes wie Schule, Arbeit, Autonomieentwicklung. Über die Hälfte der Geschwisterkinder gibt Bedenken an, dass ihnen möglicherweise krankheitsrelevante Informationen vorenthalten werden (Akobeng et al. 1999).

       1.6Erkrankungen mit progredientem Verlauf / lebenslimitierende Erkrankungen

       1.6.1Zystische Fibrose

       Klinisches Krankheitsbild

      Die zystische Fibrose ist die am häufigsten zum Tod führende Stoffwechselerkrankung in Europa und Nordamerika, die alternativ auch als Mukoviszidose bezeichnet wird. Die Vererbung erfolgt autosomalrezessiv, die Inzidenz liegt bei etwa 1 : 2.000, wobei Jungen und Mädchen etwa gleich häufig betroffen sind. Charakteristisch für dieses Krankheitsbild ist, dass die Sekrete exogener Drüsen (Schweißdrüsen sowie Drüsen der Atemwege und des Verdauungstrakts) abnormal zusammengesetzt sind. Das Sekret ist zähflüssiger und verklumpt, wodurch sich die Drüsenausgänge erweitern.

      In der Lunge führt dies im weiteren Verlauf zu vermehrtem Bronchialschleim sowie zu gehäuft auftretenden Infektionen mit zum Teil therapieresistenten Keimen, die wiederum die Schleimproduktion begünstigen. Betroffene leiden häufiger an Mittelohrentzündungen und folglich Hörschädigungen sowie an chronischer Sinusitis. Vielzählige Komplikationen sind bekannt: Die kleinen Bronchien werden verlegt, im Mediastinum (Mittelfellraum, ein senkrecht verlaufender Gewebsraum in der Brusthöhle) sammelt sich Luft oder ein Pneumothorax entsteht (lebensbedrohliches Krankheitsbild, bei dem Luft in den Pleuraspalt gelangt und damit den Lungenflügel dehnt). Dadurch ist die Lungenfunktion massiv beeinträchtigt. Auch das Herz wird durch die zusätzliche Belastung in Mitleidenschaft gezogen.

      Im Magen-Darm-Trakt entzündet sich insbesondere die Bauchspeicheldrüse. Die vorzeitige Sekretion von Verdauungsenzymen in der Bauchspeicheldrüse führt zur Autodigestion (Selbstverdauung). Auch die Produktion von Insulin wird beeinflusst, was sekundär Diabetes mellitus verursacht. Bei mindestens 80 % der Patienten werden Nährstoffe aus der Nahrung nur unzureichend aufgenommen. Folglich sind viele Patienten mangelernährt. Männer sind des Öfteren unfruchtbar, bei Frauen bestehen im Zusammenhang mit der Mangelernährung gehäuft Störungen des Menstruationszyklus. Erste Symptome wie Fütter- und Gedeihstörungen, Atemgeräusche und eine Anfälligkeit für Infekte werden meist schon im Säuglingsalter festgestellt.

      Die Lebensdauer der Betroffenen kann mit einem umfassenden Therapiekonzept verlängert werden. Durch Physiotherapie und Inhalation soll es den Patienten erleichtert werden, das Sekret in der Lunge abzuhusten und ihre Lungenfunktion zu verbessern. Die regelmäßige Einnahme von Antibiotika dient der Vermeidung von Infekten. Hochkalorische Lebensmittel stabilisieren das Gewicht, und auch fettlösliche Vitamine und Pankreasenzyme werden substituiert. Defekte des Magen-Darm-Trakts können Darmspülungen und die Anlage eines künstlichen Darmausgangs erfordern. Eine der drastischsten Therapiemaßnahmen ist die Transplantation einer Spenderlunge oder, bei beeinträchtigter Herzfunktion, auch eine Herz-Lungen-Transplantation. Noch immer gibt es keine Heilung für zystische Fibrose. Die Kombination der Therapien dient neben der Lebenszeitverlängerung v. a. der Verbesserung der Lebensqualität. Entscheidende prognostische Faktoren sind der Ernährungszustand sowie das Ausmaß der Lungenbeteiligung. Inzwischen konnte eine signifikante Verbesserung der mittleren Überlebensdauer erreicht werden: Kinder, bei denen eine zystische Fibrose diagnostiziert wird, können bei guter Therapie etwa 50 Jahre alt werden (Muntau 2007).

       Psychische Folgen

      Je nach Erkrankungsbild variieren die möglichen kognitiven Defizite. Bei der zystischen Fibrose resp. Mukoviszidose etwa sind keine krankheitsbedingten Beeinträchtigungen zu erwarten. Dafür kann in akuten Phasen die Schule oft nicht besucht werden, wodurch Versäumnisse auftreten (Kappler u. Griese 2009). Hinzu kommt, dass etwa drei Viertel der Patienten regelmäßig bis täglich unter Schmerzen leiden und somit in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind (Blackwell a. Quittner 2014).

      Jugendliche erleben besondere Herausforderungen. Einerseits wünschen sich die jugendlichen Patienten Normalität, wissen aber um ihre begrenzte Lebenserwartung. Sie nehmen weitestgehend an normalen schulischen Aktivitäten teil, leiden dennoch an einer Behinderung, die sie beispielsweise beim Sport, bei sozialen Kontakten und in ihren schulischen wie beruflichen Zielen stark einschränkt. Auch wenn die zugrunde liegende Krankheit häufig nicht sichtbar ist, muss viel Zeit in die zur Lebensverlängerung notwendigen Maßnahmen wie Atemtherapie, Physiotherapie, Inhalation, Gewichtskontrollen investiert werden (Kappler u. Griese 2009). All das hat Konsequenzen für die psychische Entwicklung der Patienten: Etwa 30 % leiden an Depressionen oder Angststörungen, 20 % an einer Anpassungsstörung (Kirszenbaum et al. 2008), wobei weibliche Jugendliche und Mütter von Patienten häufiger von Depressionen und Ängstlichkeit betroffen sind (Catastini et al. 2016).

      Immerhin die Hälfte der Betroffenen ist im Erwachsenenalter in einem Beschäftigungsverhältnis (Burker, Sedway a. Carone 2004). Jedoch sehen sich zwei Drittel der werktätigen Erkrankten in der Entwicklung ihrer Karriere eingeschränkt (Laborde-Castérot et al. 2012), 40 % haben aufgrund ihrer Symptomatik eine Beschäftigung aufgeben müssen, und beinahe ein Viertel berichtet von Diskriminierung im Arbeitskontext (Targett et al. 2014).

       1.6.2Muskeldystrophie

       Klinisches Krankheitsbild

      Muskeldystrophien sind Erkrankungen, bei denen ein in der Regel genetisch bedingter fortschreitender Untergang der Skelettmuskulatur stattfindet. Typ Duchenne und Typ Becker kommen zusammen bei etwa 1 von 3.500 Neugeburten und damit am häufigsten vor, wobei hauptsächlich Jungen betroffen sind.

      Erste Symptome der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne treten in der frühen Kindheit zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr auf. Der beginnende Muskelschwund schreitet schnell fort. Erste Probleme zeigen sich z. B. beim Treppensteigen und im Gangbild. Der Muskeluntergang breitet sich dann über die Beckenmuskulatur bis hin zur Schultergürtelmuskulatur aus (Muntau 2011). Abbauende Muskelmasse wird durch Fett und Bindegewebe kompensiert. Ein Großteil der Betroffenen verliert in der späteren Kindheit und Jugend seine Gehfähigkeit und ist folglich auf einen Rollstuhl angewiesen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer geschwächten Herz- und Atemmuskulatur. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt etwa 18 bis 25 Jahre (Schubert et al. 2004).

      Muskeldystrophie

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