Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Manfred Vogt

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Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen - Manfred Vogt Störungen systemisch behandeln

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als Patienten mit einer milden Ausprägung der Erkrankung (Karsdorp et al. 2007). Bei etwa 20 bis 30 % der Patienten ist die Intelligenz gemindert – der Intelligenzquotient liegt unter 80 Punkten (Majnemer et al. 2009). Die hier beschriebenen erkrankten Kinder sehen sich gerade in akuten Phasen häufig in ihren Partizipationsmöglichkeiten eingeschränkt. So können Patienten auch nach einem erfolgreich behobenen angeborenen Herzfehler eingeschränkte Herzfunktionen aufweisen und möglicherweise einige Sportarten nicht ausüben (Kuen 2009). Kinder mit einer angeborenen Herzerkrankung zeigen im Kleinkindalter in einem Viertel der Fälle eine globale Entwicklungsverzögerung, welche die Sprache, die Motorik, die Hand-Augen-Koordination, aber auch emotionale wie soziale Domänen betreffen kann.

      Überdies ist das Risiko für eine Aufmerksamkeitsstörung bei im Säuglingsalter am Herz operierten Schulkindern um das Drei- bis Vierfache erhöht. Im Schulalter nehmen etwa 22 % der Kinder therapeutische Unterstützungsmöglichkeiten (Psychotherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logotherapie) in Anspruch (Majnemer et al. 2009). Psychische Komorbiditäten treffen insbesondere bei älteren Kindern und Jugendlichen zu, wobei internalisierende Probleme dominieren (Karsdorp et al. 2007). Etwa 50 % dieser Kinder werden zusätzlich unterstützt, meist durch Nachhilfe und individuelle Förderung (Shillingford et al. 2008). Das gemittelte akademische Level der Betroffenen liegt unter dem Durchschnitt der Bevölkerung (Daliento et al. 2005). Dies zeigt sich auch in der Anzahl der Werktätigen mit angeborenen Herzerkrankungen: Patienten mit schweren Herzfehlern sind signifikant seltener beschäftigt als Betroffene mit milderen Herzfehlern und gesunde Personen. Über die Hälfte erlebt sich später im Arbeitsleben als eingeschränkt (Kamphuis et al. 2002).

       1.4.2Niereninsuffizienz

       Klinisches Krankheitsbild

      Im Bereich der Niereninsuffizienz werden das akute Nierenversagen und die chronische Niereninsuffizienz unterschieden. Akutes Nierenversagen ist gekennzeichnet durch einen plötzlichen Ausfall der Nierenfunktion, der jedoch häufig reversibel ist. Dies betrifft etwa zwei von 100.000 Kindern pro Jahr (Muntau 2007). Zu den Ursachen zählen kardiale Insuffizienz, akute Tubulusnekrosen, Gefäßverschlüsse, Fehlbildungen, Harnsteine, Infektionen und Dehydration. Die häufigste Ursache ist jedoch das hämolytisch-urämische Syndrom, das vier Stadien umfasst: Das erste Stadium verläuft meist symptomfrei. Ein deutliches Sinken der Urinausscheidung (Oligurie) weist auf den Beginn der zweiten Krankheitsphase hin. Die Nierenwerte im Blut steigen an, und es werden Elektrolytentgleisungen und Lungenödeme wahrscheinlich. Im dritten Stadium (Polyurie) steigen die Nierenwerte weiter, und das Körperwasser nimmt ab. Auch können Krampfanfälle und komatöse Zustände auftreten. Im vierten Stadium, dem Erholungsstadium, erholt sich die Nierenfunktion allmählich wieder.

      Die Therapie ist auf die primäre Ursache ausgerichtet, bei Bedarf werden Diuretika eingesetzt und Bluthochdruck behandelt. Die Prognose hängt von dem initialen Erkrankungsgrund und dem Genesungsverlauf ab (Hoffmann 2003). Bei prärenal ausgelösten Erkrankungen, dem hämolytisch-urämischen Syndrom und akuten Nierenentzündungen ist die Prognose günstig, bei einer bilateralen Nierenvenenthrombose hingegen ungünstig (Muntau 2007).

      Bei der chronischen Niereninsuffizienz sinkt die glomeruläre Filtrationsrate auf weniger als 80 % des Altersdurchschnitts und kann sich fortschreitend verschlechtern – die Schäden sind irreversibel. Davon sind in Deutschland etwa fünf von 1.000.000 Kindern pro Jahr betroffen. Bei jüngeren Kindern unter fünf Jahren ist die Störung v. a. durch anatomische Anomalien sowie Unter- und Fehlentwicklungen bedingt, bei älteren Kindern v. a. durch Schäden der Glomeureli (Nierenkörperchen), das Alport-Syndrom (fortschreitende Nierenerkrankung) oder zystische Nierenerkrankungen.

      Der Krankheitsverlauf gleicht einem Teufelskreis: Durch pathogene Prozesse der Niere werden die Glomeureli geschädigt. Zwar übernehmen unbeschädigte Nierenkörperchen die Filtration, doch werden sie durch die zusätzliche Belastung ebenfalls beschädigt. Der hydrostatische Druck der Niere erhöht sich, es folgen Vernarbungen und Sklerosen der übrigen Glomeuleri. Die langfristigen Folgen können gravierend sein und reichen von Azidose, überhöhten Kaliumwerten, Blutarmut, Wachstumsstörungen, Blutungsneigungen und vermehrt auftretenden Infektionen bis hin zu neurologischen Symptomen und Salzsäureüberproduktion. Primäre Symptome sind häufig Gedeihstörungen, Erbrechen, Müdigkeit und Infektionsneigung und damit eher unspezifisch. Bei einer fortgeschrittenen Urämie werden auch Juckreiz, zerebrale Krampfanfälle und komatöse Zustände beobachtet.

      In der Therapie geht es darum, die Nierenleistung so lange wie möglich zu erhalten und das Risiko von Komplikationen zu minimieren. Hilfreich sind hochkalorische Diäten, bei denen Eiweiße, wasserlösliche Vitamine und Kalzium substituiert werden. Auch Begleiterkrankungen wie Hypertonie, Anämie oder Azidose müssen behandelt werden. Bei einer terminalen Niereninsuffizienz muss das Kind regelmäßig zur Hämodialyse. Teilweise kann nur eine Nierentransplantation das Leben des Betroffenen retten (Muntau 2007).

       Psychische Folgen

      Kinder, die im Vorschulalter aufgrund einer chronischen Niereninsuffizienz in der Dialyse behandelt wurden, leiden häufiger an Entwicklungsverzögerungen (Hulstijn-Dirkmaat et al. 1995). Die motorische Entwicklung ist verlangsamt (Polinsky et al. 1987), schulische Fähigkeiten sind beeinträchtigt. So liegen die Betroffenen in ihrer Leseleistung hinter den Durchschnittswerten ihrer Klassenstufe zurück (Lawry, Brouhard a. Cunningham 1994). Zudem besucht über ein Fünftel der erkrankten Kinder Schulen für Körperbehinderte. Es werden deutlich seltener Schulabschlüsse erreicht, und ein geringerer Teil der erkrankten Erwachsenen befindet sich in einem Arbeitsverhältnis (Rosenkranz et al. 1992). Bei chronisch niereninsuffizienten Kindern kommt es häufig zu Entwicklungsverzögerungen, bedingt durch lange Krankenhausaufenthalte, Minderwuchs und vermehrt auftretende Infektionen. Wesentlich für Spätfolgen ist die Behandlungsform: Dialyse-Patienten werden im Vergleich zu konservativ behandelten Kindern als eingeschränkter wahrgenommen (Wiedebusch et al. 2010). Alterstypische Meilensteine werden später erreicht als im Durchschnitt (Rosenkranz et al. 1992).

       1.4.3Leukämie

       Klinisches Krankheitsbild

      In der pädiatrischen Onkologie sind inzwischen mehr als 50 verschiedene Krankheitsbilder beschrieben (Gutjahr 2009), wobei Leukämien etwa ein Drittel der etwa 1.800 jährlich in Deutschland neu diagnostizierten Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter ausmachen (Kaatsch, Grabow a. Spix 2018). Den größten Anteil bilden die akuten lymphatischen Leukämien. Bei dieser malignen Erkrankung des blutbildenden Systems vermehren sich Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen unkontrolliert und differenzieren sich nicht aus. Die sogenannten Blasten bleiben somit funktionslos und behindern die Bildung von gesunden Blutzellen, was zu einer fortschreitenden Insuffizienz des Knochenmarks führt. Zu den Symptomen gehören u. a. Abgeschlagenheit und Müdigkeit, Blässe, häufiger auftretende Infekte, Lymphknotenschwellungen, Appetitlosigkeit, Knochen- und Gelenkschmerzen sowie vermehrte blaue Flecken (Yiallouros 2018).

      Die Ätiologie der Erkrankung ist unklar. Meist wird von einer spontanen Zellmutation ausgegangen. Es wurden jedoch auch vereinzelte Risikofaktoren wie das Downsyndrom, genetische Syndrome wie Neurofibromatose Typ 1, radioaktive Strahlen und mutagene Medikamente beschrieben. Das wichtigste Therapieelement ist die Chemotherapie, welche die schnellteilenden Krebszellen an ihrer weiteren Teilung hindern soll. Die Chemotherapie dauert insgesamt 24 Monate, wobei in den ersten sechs bis neun Monaten eine Intensivtherapie mit intravenöser Chemotherapie und vielen stationären Aufenthalten stattfindet. Die Strahlentherapie wird nur vereinzelt eingesetzt. Bei schlechtem Ansprechen auf die primäre Therapie oder bei einem Rückfall kann

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