Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Manfred Vogt

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Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen - Manfred Vogt Störungen systemisch behandeln

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die Berufsmöglichkeiten der Betroffenen ein. Denn eine spätere Berufstätigkeit hängt oft davon ab, ob eine mindestens durchschnittliche Intelligenz vorhanden ist, ob ein Shunt erforderlich und eine eigenständige Mobilität ohne Rollstuhl gegeben ist und ob visuelle Einschränkungen und Epilepsie vorliegen (Oakeshott a. Hunt 2006).

      Bei Patienten mit Spina bifida korrelieren psychische Anpassungsprobleme mit der Schwere der Beeinträchtigung. Insbesondere Mädchen zwischen zwölf und 16 Jahren leiden häufiger an depressivem Rückzug. Über die Hälfte der Befragten befürchtet, aufgrund ihrer Inkontinenz andere zu belästigen (Zurmöhle et al. 1999). Auch das Selbstkonzept der Betroffenen kann massiv eingeschränkt sein: Betroffene fühlen sich bezüglich ihrer kognitiven, körperlichen und sozialen Fähigkeiten weniger kompetent und zudem weniger attraktiv als gesunde Gleichaltrige (Appleton et al. 1994; Shields, Taylor a. Dodd 2008). Und tatsächlich sind Kinder mit Spina bifida häufig sozial unreifer, haben weniger Kontakte zu Gleichaltrigen außerhalb der Schule, sind weniger körperlich aktiv, weniger schulisch kompetent, haben häufiger Konzentrationsprobleme und brauchen mehr Führung durch Erwachsene (Holmbeck a. Devine 2010). Menschen mit Spina bifida erreichen die Meilensteine der Entwicklung im Durchschnitt deutlich später (Holmbeck et al. 2003).

       1.3.2Skoliose

       Klinisches Krankheitsbild

      Der Begriff Skoliose stammt vom griechischen Wort »skolios« ab und meint »verkrümmt«. Bei der Skoliose sind Abschnitte der Wirbelsäule um mindestens 10 Grad verkrümmt, wodurch Fehlstellungen in der Sagittal- und Horizontalebene auftreten. In wenigen Fällen sind primäre Erkrankungen wie Tumoren, Neurofibromatose und Morbus Scheuermann für die Ausbildung einer Skoliose verantwortlich. Bei etwa 80 % der Betroffenen handelt es sich jedoch um eine idiopathische Skoliose, d. h., eine Ursache ist auch nach umfangreicher Diagnostik nicht genau zu benennen. Vermutlich führen eine Anomalie des Bindegewebes, neurologische Auffälligkeiten und eine genetische Prädisposition zur Ausbildung der Erkrankung. Etwa 2 % aller Frauen sowie 0,5 % aller Männer sind betroffen, lediglich ein kleiner Teil der Erkrankten muss jedoch behandelt werden (Stücker 2010). Im Jugendalter liegt die Prävalenz bei 2 bis 4 %, wobei Mädchen deutlich häufiger von schwereren Krümmungen betroffen sind (Roach 1999).

      Bei der initialen Diagnostik berichten die Patienten selten über Schmerzen. Es werden primär Schiefhaltungen, Deformitäten des Brustkorbs oder Asymmetrien von Schulter und Taille beim Vorbeugetest festgestellt. Abgesehen von Röntgenaufnahmen werden neurologische Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose durchgeführt.

      Der Krankheitsverlauf kann zum Zeitpunkt der Diagnose durch die Krümmungswinkel abgeschätzt werden. Aus der initialen Krümmung sowie der Verlaufsprognose ergeben sich verschiedene Schweregrade. Bei sehr leichten Formen sind die Verkrümmungen teilweise so gering, dass neben einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle keine weitere Therapie indiziert ist. Schwere Formen bedürfen einer konservativen Therapie, v. a. Gipsdressionen und bei älteren Kindern Korsette, da es zu massiven Fehlstellungen, Schmerzen und aufgrund eines möglicherweise komprimierten Brustkorbs zu Atembeschwerden sowie einem überlasteten Herzen kommen kann. Bei 85 % der jüngeren Kinder ist eine chirurgische Behandlung indiziert, da sich die Symptomatik mit fortschreitendem Wachstum verschlimmern kann. Auch Jugendliche werden teilweise operativ versorgt.

      Die Prognose unterscheidet sich deutlich je nach dem Winkel der primären Krümmung, der Progredienz der Erkrankung, dem Alter bei Diagnosestellung, den Auswirkungen auf Lunge und Herz etc. (Stücker 2010). Auch nach einer Therapie mit Operationen oder Korsetten leiden die Betroffenen im Langzeitverlauf signifikant häufiger unter degenerativen Bandscheibenerkrankungen und Rückenschmerzen und weisen zudem eine leicht verringerte Funktionalität des Rückens auf (Danielsson a. Nachemson 2003).

       Psychische Folgen

      Skoliose-Patienten leiden häufig unter ihrem offensichtlich von der Norm abweichenden Körperbau. Kritisch ist überdies, dass die Erkrankung besonders häufig im Jugendalter diagnostiziert wird, also zu einem Zeitpunkt, an dem sich das körperliche Selbstkonzept stark verändert und die Konformität mit Gleichaltrigen an Relevanz gewinnt (Eliason a. Richman 1984). Hinzu kommt, dass ein Teil der Betroffenen unter Schmerzen und massiven funktionalen Defiziten mit dringender Therapieindikation leidet. Dies wiederum ist mit regelmäßigen Arztbesuchen sowie dem monate- oder jahrelangen Tragen eines Korsetts verbunden – und das bei unsicherer Prognose und großen Einbußen in der Lebensqualität. Folglich herrscht eine erhöhte Prävalenz von Depressionen, Ängstlichkeit, eingeschränkter Autonomieentwicklung des Jugendlichen sowie Hemmungen in der Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen vor (Reichel a. Schanz 2003). Betroffene nehmen ihre physische Gesundheit verglichen mit altersgleichen Gesunden als deutlich schlechter wahr. Weibliche Patienten berichten als Erwachsene von einem negativen Körperbild, gehen häufiger zum Arzt und lassen sich öfter krankschreiben (Mayo et al. 1994). In weiteren Studien konnte nachgewiesen werden, dass auch männliche Jugendliche ihr Körperbild signifikant schlechter bewerten. Sie sorgen sich, ihr Körper könne sich nicht normal entwickeln, konsumieren beinahe doppelt so viel Alkohol wie gleichaltrige Jugendliche und leiden zehnmal häufiger an Suizidgedanken (Payne et al. 1997).

       1.3.3Infantile Zerebralparese

       Klinisches Krankheitsbild

      Die infantile Zerebralparese ist gekennzeichnet durch Lähmungs- und motorische Ausfallerscheinungen und wird auf eine zerebrale Schädigung zurückgeführt, die vor bzw. während der Geburt oder innerhalb der ersten Lebenstage stattgefunden hat.

      Auslöser für pränatale Schädigungen sind u. a. Differenzierungsstörungen des zentralen Nervensystems, virale oder bakterielle Infekte sowie Toxizität etwa durch Substanzmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft. Während der Geburt stellen Atemdepressionen oder auch Gehirnblutungen insbesondere für frühgeborene Kinder ein erhöhtes Risiko dar. Auch postnatale Auslöser werden vermutet, z. B. durch Viren und Bakterien, Meningitis, Ischämien oder Schädel-Hirn-Traumata. Teilweise kann eine eindeutige Ursache jedoch nicht ermittelt werden. Schwere Verläufe treten mit einer Häufigkeit von 1:500 bis 1:250 auf (Rossi et al. 1997). Damit ist die infantile Zerebralparese der häufigste Grund für eine körperliche Behinderung im Kindesalter (Rosenbaum 2003).

      Die Symptomatik der Erkrankung ist höchst variabel: Einige Betroffene leiden lediglich unter geringfügigen kognitiven oder motorischen Defiziten, andere sind deutlich schwerer betroffen. Meist leiden die Patienten an einem erhöhten Muskeltonus. Dieser wiederum kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und alle Extremitäten oder aber nur Teile des Körpers betreffen. Die Motorik der Betroffenen ist in diesem Fall massiv eingeschränkt. Bei einem geringeren Teil der Patienten manifestiert sich wiederum Hypotonie, also eine zu niedrige Spannung des Muskeltonus. Zu den begleitenden Problemen zählen u. a. Intelligenzminderung, sensorische Störungen, Sehstörungen, Sprachentwicklungsstörungen und Anfallsleiden.

      Die Ursache des Störungsbildes – die frühkindliche Gehirnschädigung – lässt sich nicht beheben. Somit ist eine Therapie darauf ausgerichtet, die Funktionalität und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Regelmäßige Physiotherapie spielt eine wichtige Rolle, da noch vorhandene Muskelfunktionen trainiert werden. Mögliche Fehlhaltungen können zudem orthopädisch behoben werden, ggf. durch chirurgische Korrekturen. In der Vergangenheit wurden Medikamente wie Diazepam zur Muskelentspannung eingesetzt. Da ihre Wirksamkeit umstritten war, spielen Medikamente heute lediglich eine untergeordnete Rolle. Die weitere therapeutische Versorgung ist zudem abhängig von begleitenden Symptomen und den intellektuellen Fähigkeiten des Betroffenen

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