Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Manfred Vogt

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Psych. Anpassungsreaktionen von Kindern und Jugendlichen bei chronischen körperlichen Erkrankungen - Manfred Vogt Störungen systemisch behandeln

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Kröger 2003; Altmeyer u. Hendrischke 2012) zuzuordnen sind und in denen medizinische, pflegerische, psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen wechselseitig realisiert werden. Systemische Familienmedizin verbindet die organ- und symptombezogene Medizin mit der psychologischen Perspektive der systemischen Kinder- und Jugendlichentherapie. Ihre Praxis beruht auf folgenden Grundlagen:

      •Gleichwertiges Berücksichtigen und Einbeziehen von psychischen und somatischen Aspekten,

      •enge regelmäßige Kooperation mit der ganzen Familie betroffener Patienten,

      •familienbezogene Kooperation der psychologischen, medizinischen, pflegerischen und pädagogischen Professionen in interdisziplinären Behandlungsteams.

      Im Zentrum steht das konstruktive Verbinden und Koordinieren phasenspezifischer Behandlungsziele und Aufträge in den unterschiedlichen Behandlungskontexten wie der stationären Klinikbehandlung und der ambulanten medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung und Nachsorge (vgl. von Schlippe u. Schweitzer 2012). Für psychotherapeutisch geschulte praktizierende Psychologen im stationären Behandlungssetting bieten sich in Form von Fallkonferenzen oder Helfersystem-Konferenzen vielfach Möglichkeiten kooperativer Gespräche an. Für den ambulant tätigen niedergelassenen Psychotherapeuten erfordert diese ganzheitliche Kooperation weitreichende Netzwerkarbeit.

      Retzlaff (2008) betont den Nutzen dieser zusätzlichen Arbeit für niedergelassene Psychotherapeuten, um symmetrische Behandlungsbemühungen im Geflecht von Medizin, Psychotherapie, Familie und Patienten aufzufangen. Damit alle beteiligten Professionen im Sinne des Patienten aufeinander abgestimmt agieren, empfiehlt er folgende Praxis für die ambulante Psychotherapie:

      •»Entbindung von der Schweigepflicht einholen und Kontaktaufnahme zum zuweisenden Behandlungssystem (bisherige Befunde und medizinische Behandlungsziele eruieren)

      •das eigene psychotherapeutische Behandlungskonzept vorstellen und auf mögliche Kooperationsgespräche zwischen den Professionen im Behandlungsverlauf hinweisen

      •abklären, ob Ereignisse und Ergebnisse für die medizinische und pflegerische Seite der Behandlung relevant sind

      •erweiterte Netzwerkpflege beispielsweise zwischen Schule und weiteren professionellen Disziplinen wie Physio- und Ergotherapie betreiben« (Retzlaff 2008, S. 80).

      Die psychotherapeutische Praxis mit Kindern und Jugendlichen enthält in der Einzeltherapie neben genuin therapeutischen Interventionen immer auch psychosoziale und pädagogische Elemente, genauso wie psychosoziale Interventionen psychotherapeutische Funktionen und Effekte beinhalten. In einer systemisch-ganzheitlichen Betrachtung und Behandlungsperspektive von Kindern mit chronisch körperlichen Erkrankungen vermischen sich die Perspektiven.

      In Vorbereitung auf das vorliegende Buch haben wir versucht, die systemische Komplexität in der Behandlung von psychischen Folgen bei chronischen Erkrankungen zu ordnen, und haben immer wieder die fließenden Übergänge zwischen ambulanten und stationären, psychotherapeutischen und psychosozialen Interventionen reflektiert. Um der Komplexität des Themas gerecht zu werden, haben wir uns dazu entschieden, unsere vielfältigen Erfahrungen aus der ambulanten und stationären Psychotherapie und Versorgung nicht auf die Darstellung der ambulanten Psychotherapie der psychischen Anpassungsreaktionen der jungen Klienten zu reduzieren. Das ist schon allein deshalb erforderlich, weil bei vielen chronischen körperlichen Erkrankungen längere und auch wiederholte Klinikaufenthalte notwendig sind, während derer psychotherapeutische Interventionen und vielfältige psychosoziale Begleitungen durchgeführt werden. Aus demselben Grunde findet auch nur ein geringer Teil der akut betroffenen Patienten und Angehörigen bei der vorhandenen Versorgungsstruktur den Weg in eine reguläre Psychotherapie.

      Ambulante psychotherapeutische und psychosoziale Unterstützungen werden den jungen Patienten und ihren Angehörigen im Verlauf einer chronischen körperlichen Erkrankung vorwiegend in Klinikambulanzen oder speziellen Beratungsstellen angeboten. In diesen Behandlungskontexten wirken häufig psychotherapeutisch denkende und handelnde professionelle Therapeuten und Praktiker mit unterschiedlichen Zusatzqualifikationen.

      Deshalb ist dieses Buch sowohl für Psychotherapeuten geschrieben, die stationär und ambulant in Kliniken, in speziellen Beratungsstellen und in psychotherapeutischen Praxen arbeiten, als auch für psychosoziale Begleitpersonen im Behandlungsfeld von Kindern und Jugendlichen mit chronischen körperlichen Erkrankungen.

      Das von uns skizzierte Modell systemisch-lösungsorientierter Behandlung dynamischer Anpassungsleistungen an die psychischen und sozialen Anforderungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter bietet eine Grundlage für alle psychotherapeutisch und psychosozial tätigen Kollegen. Dieses Modell stellt eine Art unsichtbares Band dar, welches die unterschiedlichen, von verschiedenen Berufsgruppen durchgeführten Maßnahmen miteinander verbindet. Dabei bezeichnen wir im Folgenden als psychotherapeutische Interventionen sowohl spezifische, situativ bedingte Interventionen als auch einen regelhaften Therapieprozess mit vorangegangener Probatorik und Diagnostik sowie darauf aufbauender Therapieplanung. Als psychosoziale Interventionen benennen wir Begleitungen, die situationsabhängig in teils hoher, teils niedriger Frequenz stattfinden und von verschiedenen psychosozialen Professionen angeboten werden.

       Versorgungssituation chronisch körperlich erkrankter Kinder und Jugendlicher

      Die Versorgungslandschaft für körperlich chronisch erkrankte Kinder, Jugendliche und ihre Familien ist äußerst heterogen. Verschiedene Einrichtungen und unterschiedliche Professionen wie Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter sowie speziell ausgebildete Pädagogen und Pflegekräfte sind mit der psychosozialen Versorgung befasst.

      Wir geben in unseren Fallbeispielen einen Einblick in sehr unterschiedliche, das therapeutische Vorgehen beeinflussende Versorgungssettings, in denen systemisch orientierte psychotherapeutische und psychosoziale Begleiter tätig sind: von der ambulanten systemisch-lösungsfokussierten Therapie und Beratung bis hin zur stationären Versorgung auf einer pädiatrisch-onkologischen Station. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der regionalen Versorgungsstrukturen können unsere Darstellungen jedoch lediglich exemplarischen Charakter haben.

      Zu verschiedenen Zeitpunkten einer Erkrankung finden vielfältige somatische, psychosoziale und psychotherapeutische Behandlungen statt. Dabei kann es sich um hoch formalisierte Interventionen (ambulante und stationäre, singulär vereinbarte Therapietermine wie zum Beispiel das psychoonkologische Anamnesegespräch zur Auftragsklärung), um halb formalisierte Interventionen (bedarfsgerechte, therapiebegleitende Gespräche während eines Klinikaufenthalts oder einer Reha-Maßnahme) sowie um informelle Interventionen (singuläre Ad-hoc-Interventionen im Klinikalltag) handeln. Gerade der phasenhafte Verlauf chronischer Erkrankungen erschwert eine psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung im bestehenden System, wobei diese Versorgung sich eigentlich an diesem Verlauf orientieren müsste: Es gibt Zeiten, in denen Gespräche häufiger, teilweise hochfrequent notwendig sind und der Unterstützungsbedarf sehr groß ist. Demgegenüber gibt es Plateauphasen, in denen über einen längeren Zeitraum hinweg wenig Entwicklung stattfindet und oftmals auch der Beratungs- und Therapiebedarf sinkt. Abgesehen von der Erschwernis, dass in der Niederlassungspraxis der regulären Psychotherapie eine psychische Störung vorherrschen und diagnostiziert werden muss, erschwert es der phasenhafte Verlauf, psychotherapeutische Termine kontinuierlich und am besten regelmäßig zur gleichen Zeit wahrzunehmen, da dies die Möglichkeiten in der Alltagsrealität betroffener Familien oft weit übersteigt.

      Wir haben deshalb entschieden, die dargestellten Interventionen, Fallbeispiele und Transkripte und den uns praktizierten systemischen Ansatz in der gesamten Krankheits- und Behandlungsperspektive einzubeziehen. Systemische Therapie aus dem Gesamtkontext zu isolieren, würde der

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